Marktbericht

Große Solarparks könnten das Energieproblem lösen – und die Erde aufheizen

Lesezeit: 5 min
29.01.2023 00:39  Aktualisiert: 29.01.2023 00:39
Forscher behaupten seit Jahren, dass große Solarparks in einem Teil der Sahara ausreichen, um die gesamte Welt mit Strom zu versorgen. Doch das Konzept scheitert am Energietransport und hätte dazu unerwünschte Nebeneffekte mit weltweiten Folgen.
Große Solarparks könnten das Energieproblem lösen – und die Erde aufheizen
Solarparks in der Sahara sollen das Energieproblem der Menschheit lösen. Doch die Auswirkungen eines solchen Mega-Projekts wären weitreichend - für die Region selbst und die gesamte Welt. (Foto: dpa)

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Seitdem die US-amerikanische Forscherin Lisa Winter bereits im Jahr 2009 Berechnungen durchgeführt hatte, die im Ergebnis den Schluss zuließen, dass ein relativ überschaubarer Teil der Sahara ausreichen würde, um den gesamten Energiebedarf der Welt mittels dort installierter Solaranlagen decken zu können, wird eine entsprechende Karte mit einem darauf eingezeichneten, deren Größe veranschaulichenden, Kästchen regelmäßig bei Klimadiskussionen und im Zusammenhang mit der Energiewende präsentiert. Hierzulande gerne ergänzt um Quadrate, die zusätzlich die EU und Deutschland symbolisieren.

Mythos und Realität

Lisa Winter und nachfolgende seriöse Forscher behaupteten indes nie, das diese Erkenntnis tatsächlich in die Realität umgesetzt werden sollte und verstanden auch jene Karte eher als Illustration. Ihr wesentliches Gegenargument bezog sich auf den mit heute vorhandenen technologischen Mitteln nicht zu bewerkstelligenden Energietransport. In der laufenden, mittlerweile ideologisch stark aufgeladenen Klimadebatte wird dieser „Gedankenspielcharakter“ gerne unterschlagen (oder ist den Akteuren von vornherein gänzlich unbekannt).

Nichtsdestotrotz wird auch in dieser Frage weitergeforscht, zu verlockend erscheint die Vorstellung, den Energiebedarf der gesamten Erde mittels emissionsfreier Sonnenkraft decken, menschgemachtes CO2 aus der Atmosphäre verbannen und die Zukunft ökologisch korrekt gestalten zu können. Neben dem Transportproblem – man bedenke, dass es derzeit nicht einmal gelingt, Strom aus den Windkraftanlagen Norddeutschlands problemlos in den Süden der Republik zu schicken, was die Idee, Saharastrom bedarfsgerecht über den Globus zu transferieren, offensichtlich als eine Nummer zu groß erscheinen lässt – existieren eine Vielzahl weiterer Schwierigkeiten.

Angefangen bei der nicht vorhandenen Menge an benötigten Materialien, über soziale Fragen, die sich aus der Praxis der Rohstoffgewinnung ergeben, nicht ausreichenden oder sehr teuren Speicherlösungen und dergleichen mehr. Hinzu kommt, dass die benötigte Fläche, die es zur Energiegewinnung allein mit Solarpaneelen abzudecken erfordern würde, mittlerweile als erheblich größer errechnet wurde als noch in den älteren Thesen. Derzeit geht man von etwa 1,8 Millionen Quadratkilometern an benötigter Fläche aus, was in etwa der Größe Libyens entspricht, und über 25-mal mehr ist, als Lisa Winter vor mehr als einem Jahrzehnt in ihrer Arbeit zu Grunde legte.

Grüne Wüste dank Sonnenenergie

Wenn auch wenig Zweifel daran besteht, dass menschliche Innovationskraft die meisten dieser Probleme irgendwann in den Griff bekommen wird, bleibt die Frage, ob dies überhaupt gewollt sein kann. Augenscheinlich wäre die Sahara als enorm regenarmer und von Mensch und Tier nur äußerst spärlich besiedelter Standort für ein solches Projekt geradezu ideal, und wie eine 2018 im Science-Magazin erschienene Studie darlegt, könnten derart riesige Solaranlagen die Sahara, wie in früheren Zeiten, sogar wieder ergrünen lassen.

Da Sonnenkollektoren weniger Wärme reflektieren als Sand, würde sich die Oberfläche erhitzen, Luft aufsteigen, Wolken bilden und für Niederschläge sorgen. Dann wachsende Vegetation absorbiert ihrerseits mehr Wärme, Luft steigt auf, Wolken bilden sich, es regnet, und so weiter. Während sich der genannte Science-Beitrag auf die regionalen Folgen dieser Rückkopplungseffekte konzentriert, gingen Forscher der schwedischen Lund-Universität weiter und untersuchten die Auswirkungen großer Solarparks auf das Weltklima.

Nicht ohne Grund befinden sich die zehn größten Solarkraftwerke der Welt alle in Wüsten oder Trockengebieten, da diese weitläufig, relativ flach, sehr sonnig und zudem reich an Silizium sind, welches für die Herstellung der in den Paneelen enthaltenen Halbleiter erforderlich ist. Wären die oben genannten Auswirkungen großer Solarparks nur lokal, würden sie in einer dünn besiedelten und kargen Wüste vielleicht keine Rolle spielen. Aber die Anlagen, die nötig wären, um den weltweiten Bedarf an fossiler Energie zu senken, wären riesig – wie gesagt, es geht um eine Abdeckung mit der Fläche Libyens. Die von einem Gebiet dieser Größe zurückgestrahlte Wärme wird durch die Luftströmung in der Atmosphäre umverteilt und hat regionale und sogar globale Auswirkungen auf das Klima.

So absorbieren die schwarzen Oberflächen der Solarpaneele zwar den größten Teil des Sonnenlichts, das sie erreicht, aber nur etwa 15 Prozent der einfallenden Energie kann tatsächlich in Strom umgewandelt werden. Der Rest geht in Form von Wärme an die Umwelt zurück. Da die Paneele in der Regel viel dunkler sind als der von ihnen bedeckte Boden, wird eine große Fläche von Solarzellen eine Menge zusätzlicher Energie aufnehmen und als Wärme abgeben. Das verwendete Modell der Forscher ergab, dass ab einer Abdeckung des Wüstenbodens von 20 Prozent der Gesamtfläche der Sahara (was beinahe genau der Fläche Libyens entspricht) eine Rückkopplungsschleife in Gang gesetzt wird, die auf den ersten Blick geradezu segensreiche Auswirkungen hätte. Da dunkle Sonnenkollektoren weniger Wärme reflektieren als Sand, sondern diese stattdessen an den Wüstenboden abgeben, würde sich die Oberfläche erhitzen.

Der starke Temperaturunterschied zwischen dem Land und den umliegenden Ozeanen senkt letztlich den Luftdruck an der Oberfläche, lässt feuchte Luft aufsteigen, Wolken bilden und wieder abregnen. Je mehr Regen fällt, desto mehr Pflanzen wachsen, was dazu führt, dass die Wüste weniger Sonnenenergie reflektiert, da die Vegetation das Licht besser absorbiert als Sand und Erde. Je mehr Pflanzen vorhanden sind, desto mehr Wasser wird verdunstet, wodurch eine feuchtere Umgebung entsteht, in der sich die Vegetation ausbreiten kann. Eine riesige Solarfarm könnte die Wüste also in eine bewohnbare Oase verwandeln und gleichzeitig genug Energie erzeugen, um den weltweiten Bedarf zu decken. Aber selbstverständlich hat das ganze einen Haken.

Forscher sehen erhebliche Wechselwirkungen

Zweifellos böte eine solche Entwicklung regionale Vorteile, jedoch zeigen fortschrittliche Erdsystemmodelle, dass die erwähnten Rückkopplungen weitaus komplexer mit der Atmosphäre, dem Ozean, sowie dem Land und seinen Ökosystemen interagieren, als erwartet. Mögliche Vorteile würden dadurch nicht nur ausgeglichen, sondern es ergäben sich, ganz im Gegenteil, weitere klimatische Probleme. Eine solche massive neue Wärmequelle in der Sahara würde die globale Luft- und Ozeanzirkulation neu organisieren, was sich auf die Niederschlagsmuster in der ganzen Welt auswirken würde. Dies könnte dazu führen, dass das schmale Band starker Niederschläge in den Tropen, das für 30 Prozent der weltweiten Regenmengen verantwortlich ist und die Regenwälder Südamerikas und Afrikas mit Wasser versorgt, nach Norden verschoben wird, wodurch Dürren, zum Beispiel im Amazonasgebiet, drohen.

Häufigere tropische Wirbelstürme an nordamerikanischen und ostasiatischen Küsten wären erwartbar. Auch das Erreichen der Klimaziele geriete in noch weitere Ferne als ohnehin schon. Nicht nur, dass sich die Temperatur vor Ort nach jenem Modell erheblich erhöhen würde – bei 20 Prozent Abdeckung des Wüstenbodens mit Solarfarmen immerhin bereits um 1,5° Celsius – auch weltweit stiege die Durchschnittstemperatur an. Die lokale Erwärmung würde sich über die Atmosphäre und die Ozeane über den gesamten Erdball verteilen und dessen Durchschnittstemperatur um 0,16° Celsius steigern. Nimmt man eine Wüstenbodenabdeckung von 50 Prozent an, käme man auf plus 2,5° Celsius in der Sahara und eine Erhöhung um 0,39° Celsius weltweit.

Fatalerweise wäre eine solche Temperaturverschiebung nicht gleichmäßig, die Polargebiete würden sich stärker erwärmen als die Tropen. In Folge des abschmelzenden Meereises in der Arktis würde sich die Erderwärmung weiter beschleunigen, da das aus dem vormals weißen Eis entstandene dunkle Wasser seinerseits weniger Sonnenlicht reflektieren kann. Somit wäre es, paradoxerweise, die Solarenergie, welche in dieser Form die angestrebten Klimaziele torpediert. Andere bedeutende Faktoren, wie beispielsweise die mindestens Verringerung des verwehten Saharastaubs, der als wichtige Nährstoffquelle für den Atlantik und den Amazonas gilt, sind im zugrunde liegenden Modell außen vor gelassen. Der globale Effekt großer Solarparks könnte also noch erheblich größer sein.

Einfache Lösungen gibt es nicht

Sicher ist dies ein Extrembeispiel, und selbst wenn man wollte, könnte man ein derartiges Vorhaben bis auf weiteres nicht umsetzen. Für eine Vielzahl der damit verbundenen technischen Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich des Transports und der Speicherung des erzeugten Solarstroms, konnte bislang keine wirtschaftlich sinnvolle Lösung gefunden werden. Andere Fragen wurden noch gar nicht gestellt. Angefangen dabei, wer ein solches Weltprojekt eigentlich verantworten soll, bis hin zu der Frage, welche Vorstellungen die betroffenen Sahara-Staaten wohl hätten.

Man darf nicht vergessen, auch dort leben Menschen, kulturell und gesellschaftlich in dieser für uns harschen Landschaft verwurzelt. Und vielleicht möchte dort gar nicht jeder einen Palmenhain im Vorgarten haben? In jedem Fall fängt die Forschung gerade erst an, die potenziellen Folgen der Errichtung riesiger Solarparks in den Wüsten der Welt zu verstehen. Ideen wie diese können der Gesellschaft bei der Abkehr von fossilen Energien helfen, aber Studien wie die der schwedischen Forscher unterstreichen, wie wichtig es ist, die zahlreichen komplexen Wechselwirkungen angemessen zu berücksichtigen.

                                                                            ***

Markus Grüne (49) ist langjähriger professioneller Börsenhändler in den Bereichen Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 arbeitet er als freier Finanzmarkt-Journalist, wobei er unter anderem eigene Börsenbriefe und Marktanalysen mit Fokus auf Rohstoffe publiziert. 


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