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Inflation in Deutschland bleibt überraschend hoch

Lesezeit: 4 min
01.03.2023 14:23  Aktualisiert: 01.03.2023 14:23
Die deutsche Inflation bleibt im Februar hartnäckig hoch. Erst für März, wenn sich der Schock des Krieges jährt, wird ein Abflauen der Teuerungsrate erwartet.
Inflation in Deutschland bleibt überraschend hoch
Auch für Übernachtungen in Hotels sowie für das Essen in Gaststätten mussten die Bürger deutlich mehr ausgeben. (Foto: dpa)

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--- UPDATE --- Der erwartete Rückgang der Inflation in Deutschland ist im Februar ausgeblieben. Waren und Dienstleistungen verteuerten sich wie schon im Januar um durchschnittlich 8,7 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch nach seiner ersten Schätzung mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten einen Rückgang auf 8,5 Prozent vorausgesagt. --- ENDE UPDATE ---

Waren und Dienstleistungen verteuerten sich in einigen für die erste Berechnung der bundesweiten Inflationsrate maßgeblichen Bundesländer oder stagnierten auf hohem Niveau, wie aus den am Mittwoch veröffentlichten Daten der Statistischen Landesämter hervorging. In Nordrhein-Westfalen etwa stieg sie von 8,3 auf 8,5 Prozent, in Baden-Württemberg von 8,5 auf 8,7 Prozent. In Sachsen verharrte sie bei 9,2 Prozent, ebenso in Brandenburg mit 8,7 Prozent und in Bayern mit 8,8 Prozent. Lediglich in Hessen ging die Teuerungsrate zurück, und zwar von 8,5 auf 8,3 Prozent.

Das Statistische Bundesamt will am Nachmittag eine erste Schätzung für die bundesweite Inflationsrate veröffentlichen, die auf den Daten dieser sechs Länder fußt. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Banken-Ökonomen haben einen Rückgang von 8,7 auf 8,5 Prozent vorausgesagt. Spätestens ab März rechnen sie nun mit einer Wende zum Besseren. "Da ab März der explosionsartige Anstieg der Energie- und Nahrungsmittelpreise nach Kriegsbeginn im späten Februar 2022 aus dem Vorjahresvergleich herausfällt, dürfte die Inflationsrate insgesamt ab März spürbar zurückgehen", sagte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding.

Zwar stiegen in etlichen Bundesländern Kraftstoffe und leichtes Heizöl im Februar nicht mehr ganz so stark. "Diese erfreulichen Nachrichten werden aber mehr als ausgeglichen durch höhere Priese in anderen Bereichen", sagte Schmieding. So dürfte die zunehmende Reiselust der Bürger dazu beigetragen haben, dass Pauschalreisen im Februar etwa in Nordrhein-Westfalen 8,1 Prozent mehr kosten als im Vorjahr nach einer Rate von 6,2 Prozent im Januar. Auch für Übernachtungen in Hotels sowie für das Essen in Gaststätten mussten die Bürger deutlich mehr ausgeben. "Hohe Heizkosten, teure Lebensmittel und der Mangel an Kellnern und anderem Personal macht sich hier wohl bemerkbar", sagte Schmieding.

Für ein Abflauen der Inflation spricht auch eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts. Demnach wollen deutlich weniger deutsche Unternehmen in den kommenden drei Monaten ihre Preise erhöhen. Das Barometer für die Preiserwartungen in der Gesamtwirtschaft sank im Februar auf 29,1 Punkte, nach 35,2 Zählern im Januar. Das war bereits der fünfte Rückgang in Folge. "Die Unternehmen haben einen Großteil der gestiegenen Kosten bereits an ihre Kunden weitergegeben, gleichzeitig lässt die Nachfrage in nahezu allen Wirtschaftsbereichen nach", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. "Damit dürfte der Inflationsdruck in den kommenden Monaten abnehmen."

Erste Reaktionen von Ökonomen zur deutschen Inflation von 8,7 Prozent

JÖRG ZEUNER, CHEFÖKONOM UNION INVESTMENT:

"Die Teuerung geht nicht so rasch zurück wie erhofft. Anders als die vor der Statistik-Umstellung gemeldeten Inflationszahlen annehmen ließen, stagniert die Inflation seit September auf stark erhöhtem Niveau. Die aktuellen Teuerungsdaten geben dementsprechend keinen Anlass zum Aufatmen. Sie vertiefen zusammen mit den höher ausgefallenen Zahlen aus Frankreich und Spanien vielmehr die Sorgenfalten der Europäische Zentralbank. Denn auch in Deutschland sendet die weniger schwankungsanfällige Kernrate keine wirklichen Entspannungszeichen aus. Und im Monatsvergleich zeigt sich ebenso eine deutlich zu hohe Dynamik. Das liegt an der widerstandsfähigeren Wirtschaft und an den aktuell anziehenden Preisen im Dienstleistungssektor.

Der geldpolitische Druck steigt also. Wir gehen davon aus, dass die Inflation im ersten Halbjahr weiter deutlich zu hoch bleiben wird und die Geldpolitik an ihrem Straffungskurs festhält. Je restriktiver die Notenbanken aber agieren, desto größer wird das Risiko, dass die Bremswirkung auf das Wachstum womöglich zu groß wird. Die Kapitalmärkte dürften darum schwankungsanfällig bleiben."

MICHAEL HEISE, CHEFVOLKSWIRT HQ TRUST:

"Die Verbraucher müssen immer tiefer in die Tasche greifen. Gegenüber Januar sind die Preise weiter gestiegen, gegenüber dem Vorjahr bleibt die Teuerung bei deutlich über acht Prozent. Im März ist zwar mit einem Rückgang in Richtung sieben Prozent zu rechnen. In den Monaten danach dürfte die Inflation dann allerdings nur recht langsam zurückgehen und auch am Jahresende noch bei rund vier Prozent liegen. Die in Deutschland, aber auch in anderen Ländern der Euro-Zone hohe Inflation dürfte die im Grundsatz schon angekündigte nächste Zinserhöhung um 50 Basispunkte besiegeln."

SEBASTIAN DULLIEN, GEWERKSCHAFTSNAHES IMK-INSTITUT:

"Der anhaltend hohe Inflationsdruck bei Lebensmitteln und Dienstleistungen dürfte vor allem auf indirekte Inflationseffekte durch die teure Energie zurückzuführen sein: Wenn etwa die Preise in der Gastronomie erhöht werden, weil Kosten für Heizung oder Kochenergie gestiegen sind oder wenn Bäckereien ihre Preise erhöhen, weil das Erdgas für das Backen teurer geworden ist. Mit dem Abklingen der Energieinflation dürfte in den kommenden Monaten mit etwas Verzögerung auch der Druck von diesen indirekten Effekten abnehmen. Im weiteren Jahresverlauf dürfte die Inflation kontinuierlich fallen, auch wenn die Kernrate absehbar noch unangenehm hoch bleiben dürfte. Aus diesem Grund dürfte die EZB auch durch die deutschen Inflationszahlen weiter beunruhigt sein. Es besteht das Risiko, dass die Notenbank zu lange und zu stark die Zinsen weiter erhöht, obwohl die Inflation bereits wieder abklingt."

FRITZI KÖHLER-GEIB, KFW-CHEFÖKONOMIN:

"Die heute veröffentlichten Inflationszahlen machen eins deutlich: Den Hochpunkt der Teuerung dürften wir im vergangenen Herbst hinter uns gelassen haben. Die Dynamik der Energiepreisinflation war zuletzt deutlich rückläufig und auch bei den Nahrungsmitteln zeichnet sich eine gewisse Plateaubildung sowie schwächeres Momentum ab. Die Preise für Waren und Dienstleistungen haben hingegen noch Luft nach oben, denn bei ihnen schlagen höhere Energiekosten, die Unternehmen auf Verbraucher überwälzen, noch weiter durch. Es dürfte noch eine Weile dauern, bis sie nachgeben. Deshalb bleibt das Gebot der Stunde für die EZB, Kurs zu halten trotz konjunktureller Eintrübung."

FRIEDRICH HEINEMANN, ZEW-INSTITUT:

"Nach dem Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine wird die Inflation von jetzt an deutlicher fallen. In der Statistik steht der Jahrestag für den Basiseffekt. Künftig wird das aktuelle Preisniveau mit dem bereits durch den Kriegsausbruch beeinflussten Vorjahresniveau verglichen. Der im März mit Sicherheit beginnende Abwärtstrend hat wenig Aussagekraft in Bezug auf die langfristige Dynamik der Inflation – und ist damit wenig informativ. Wichtiger sind fortan die Trends bei den Inflationserwartungen. Und die liegen auch auf Sicht von zwei Jahren immer noch deutlich über dem Vorkriegsniveau. Das Vertrauen in eine preisstabile Zukunft der Euro-Zone bleibt erschüttert."

RALF UMLAUF, HELABA:

"Die Inflationsentwicklung überrascht in Deutschland auf der Oberseite, wie zuvor bereits in Frankreich und Spanien. Dies dürfte die Leitzinserwartungen weiter unterstützen und die Europäische Zentralbank steht unter Druck, den Zinserhöhungszyklus im März nicht zu beenden. Die dann anstehenden Projektionen des EZB-Stabes zu Wachstum und Inflation dürften für dieses Jahr wohl nach oben angepasst und so der Weg für weitere Zinserhöhungen geebnet werden. Auch in den kommenden Monaten wird es wohl eine geldpolitische Gratwanderung bleiben, denn die schwachen Daten zu Geld- und Kreditmengenwachstum mahnen zur Vorsicht. Das Risiko einer geldpolitischen Übersteuerung nimmt zu."

JÖRG KRÄMER, CHEFÖKONOM COMMERZBANK:

"Es ist beunruhigend, dass die Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel nach unserer Schätzung im Februar weiter von 5,6 auf 5,8 Prozent gestiegen ist. Die unterliegende Teuerung ist viel zu hoch. Die Inflation ist noch lange nicht besiegt. Die heutigen Inflationsdaten sollten für die EZB ein Warnsignal sein. Es braucht weitere, kräftige Leitzinserhöhungen, um das Inflationsproblem mittelfristig zu lösen." (Reuters)


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