Millionen Berufspendler und Reisende müssen am Montag mit einem weitgehenden Zusammenbruch des Verkehrs in Deutschland rechnen. Sowohl der Bahn- und Busverkehr als auch Flughäfen sollen bundesweit zu großen Teilen lahmgelegt werden, wie die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sowie die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) am Donnerstag in Berlin ankündigten. Der Warnstreik soll sich von Sonntag-Mitternacht über den gesamten Montag hinziehen. Er trifft auch den Schiffsverkehr und Autobahnen sowie den öffentlichen Personennahverkehr in mehreren Bundesländern. Beide Gewerkschaften wollen damit Druck bei den bislang erfolglosen Tarifverhandlungen machen. Die Luftverkehrsbranche und die Flughäfen kritisierten den Ausstand als maßlos. Der Tarifstreit werde auf dem Rücken der Reisenden ausgetragen.
Man werde im Tarifkonflikt nun gemeinsam handeln, sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke. Verdi rufe rund 120.000 Beschäftigte im Verkehrs- und Infrastrukturbereich zum Arbeitskampf auf. Betroffen seien etwa Flughäfen sowie die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung und die Autobahngesellschaft. "Es wird umfassende Einschränkungen im Flugverkehrs geben", sagte Werneke.
Im Nahverkehr sind laut Werneke Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Rheinland-Pfalz und weite Teilen Bayerns von dem Warnstreik betroffen.
"Wir müssen feststellen, dass die Arbeitgeber nach wie vor sämtliche Augen verschließen vor den Nöten der Beschäftigten", erklärte EVG-Chef Martin Burkert. "Wir wollen keine weitere Eskalation. Wir wollen ein verhandlungsfähiges Angebot."
Verdi verhandelt für die etwa 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen, unter anderem auch für die Beschäftigten des Nahverkehrs und an Flughäfen. Die Gewerkschaft fordert 10,5 Prozent mehr, mindestens aber 500 Euro monatlich. Die EVG verhandelt für rund 230.000 Beschäftigte bei 50 Bahn- und Busunternehmen und pocht auf zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 650 Euro im Monat mehr.
Die Angebote von Deutscher Bahn oder den öffentlichen Arbeitgebern sind vergleichbar und umfassen fünf Prozent mehr Lohn und Einmalzahlungen von bis zu 2500 Euro. Beide Seiten machen sich gegenseitig für das Scheitern der Tarifgespräche im Februar und März verantwortlich.
Die Gewerkschaft Verdi will an dem groß angelegten Verkehrs-Warnstreik an diesem Montag auch Straßentunnel bestreiken. "Wir werden bestimmte Tunnel in den Blick nehmen", sagte Verdi-Vize Christine Behle am Donnerstag in Berlin. Verdi könne zunächst noch nicht konkret sagen, welche Tunnel betroffen seien. Es würden aber bestimmte Tunnel geschlossen, "durch die man dann faktisch nicht fahren kann, beispielsweise der Elbtunnel" in Hamburg.
Kritik von Kommunen und Verbänden
Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge, hat den Verkehrsstreik heftig kritisiert. "Ein solcher Streiktag ist nicht ok in einer Situation, in der Forderung und Angebot zwar noch auseinander liegen, aber die dritte Verhandlungsrunde unmittelbar ansteht", sagte Welge am Donnerstag in Berlin. "Die Gewerkschaften sollten aufpassen, dass sie nicht überziehen."
Welge sagte mit Blick auf die Verhandlungen: "Positiv gewendet könnte man sagen: Es ist die letzte große Inszenierung vor einem hoffentlich guten Ergebnis." Aber es bleibe unangemessen. "Es ist in Ordnung, seine Rechte in Anspruch zu nehmen, aber das Recht darf nicht überreizt werden."
Welge sagte weiter: "Die Gewerkschaften sollten in ihrer Dramaturgie nicht den Anschein erwecken, dass im öffentlichen Dienst unzumutbare Arbeitsbedingungen herrschen." Ausdrücklich wünschte sich die Verhandlungsführerin der Kommunen "ein deutliches Zeichen, dass wir in dieser Verhandlungsrunde zu einem guten Ergebnis kommen."
Auf die deutsche Luftfahrt kritisierte den Streik. "Die andauernde Kette sogenannter Warnstreiks an immer neuen Stellen unserer Flughäfen trifft den gesamten Flugbetrieb auch da, wo gar keine Tarifverhandlungen geführt werden", sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Jost Lammers. "Damit werden die intensiven Vorbereitungen auf den bevorstehenden Osterreiseverkehr massiv erschwert." Leidtragende seien die Reisenden und auch die Luftfahrt-Unternehmen, die sich nach den pandemiebedingten Reisebeschränkungen jetzt wieder für einen reibungslosen Flugbetrieb engagierten, sagte Lammers, der auch Chef des Münchner Airports ist.
Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) bezeichnete den Arbeitskampf als unverhältnismäßig und überzogen. "Das hat nichts mehr mit einem Warnstreik zu tun", sagte ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel. "Vielmehr ist es der Versuch, per Generalstreik französische Verhältnisse in Deutschland einziehen zu lassen."