Deutschland

Deutsche Industrie meldet überraschend großen Zuwachs der Aufträge

Die deutsche Industrie meldet einen überraschenden Zuwachs der Aufträge. Doch Ökonomen warnen: „Es dürfte nicht der Beginn eines klassischen Aufschwungs sein.“
05.04.2023 09:19
Aktualisiert: 05.04.2023 09:19
Lesezeit: 2 min

Die Auftragsbücher der deutschen Industrie haben sich im Februar wegen der starken Nachfrage aus dem Inland und der Euro-Zone so kräftig gefüllt wie seit über anderthalb Jahren nicht mehr. Das Neugeschäft wuchs um 4,8 Prozent zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Das war bereits der dritte Zuwachs in Folge und zugleich der stärkste seit Juni 2021. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Plus von 0,3 Prozent gerechnet, nach einem Anstieg von 0,5 Prozent im Januar und von 1,9 Prozent im Dezember. Im Vergleich zum Februar 2022 lag das Niveau allerdings kalenderbereinigt um 5,7 Prozent niedriger.

"Die Auftragseingänge befinden sich damit in vielen Branchen der deutschen Industrie weiter auf Erholungskurs", erklärte das Bundeswirtschaftsministerium. Die positive Entwicklung passe zur verbesserten Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft. "Insgesamt zeichnet sich nach dem schwachen Jahresendquartal 2022 zu Jahresbeginn 2023 eine konjunkturelle Erholung ab", so das Ministerium. Das sehen auch Ökonomen so. "Eine kräftige Auftragsspritze für die deutsche Konjunktur", kommentierte LBBW-Volkswirt Jens-Oliver Niklasch die Entwicklung. "Der Erholungstrend in der Industrie ist inzwischen unverkennbar." Zuvor waren bereits die Exporte im Februar so stark gestiegen wie seit zehn Monaten nicht mehr.

Hohe Leitzinsen könnten belasten

Einen Boom erwarten Analysten aber ungeachtet der zuletzt positiven Nachrichten nicht. "Allerdings dürfte das nicht der Beginn eines klassischen Aufschwungs sein", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Vielmehr dürfte die deutsche Wirtschaft wegen des weltweit starken Anstiegs der Leitzinsen in der zweiten Jahreshälfte etwas schrumpfen." Dadurch werden Kredite für Investitionen teurer. Wahrscheinlich werde es im nächsten Monat eine Gegenbewegung geben, sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. Abnehmende Materialengpässe dürften es jedoch ermöglichen, Aufträge vermehrt abzuarbeiten. "Die Weichen für mehr Produktion bleiben gestellt", sagte Krüger.

Die Bestellungen aus dem Inland nahmen diesmal um 5,6 Prozent zum Vormonat zu. Die Auslandsaufträge wuchsen mit 4,2 Prozent etwas schwächer. Dabei legte das Neugeschäft mit der Euro-Zone um 8,9 Prozent zu, das mit dem restlichen Ausland dagegen nur um 1,4 Prozent. Sowohl die Kfz-Branche (+3,7 Prozent) als auch die Maschinenbauer (+2,8 Prozent) und die Chemieindustrie (+2,1 Prozent) meldeten Zuwächse. Ohne Großaufträge wäre das Plus insgesamt mit 1,2 Prozent deutlich geringer ausgefallen.

Das Statistikamt veröffentlichte zudem Zahlen zum Umsatz des Verarbeitenden Gewerbes. Inflationsbereinigt legte dieser im Februar um 1,5 Prozent zum Vormonat zu. Im Januar hatte es noch einen Rückgang von 0,6 Prozent gegeben. (Reuters)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Berkshire Hathaway-Aktie: Warren Buffetts Abgang belastet – wie viel Substanz bleibt?
22.06.2025

Berkshire Hathaway verliert nach Buffetts Rückzug an Kurswert. Die Aktie steht unter Druck – und der Markt stellt die Zukunft des...

DWN
Technologie
Technologie Lebensmittel aus dem 3D-Drucker: Revolution am Esstisch und in der Lebensmittelproduktion?
22.06.2025

Gedrucktes Essen statt Herd und Pfanne? Der 3D-Lebensmitteldruck wächst rasant – zwischen nachhaltiger Vision, Gastronomietrend und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Die Deutschen und ihr Bargeld: Wie sich das Bezahlverhalten entwickelt
22.06.2025

Obwohl die Deutschen nach eigenen Aussagen ihr Bargeld lieben, gewinnt das bargeldlose Bezahlen auch hierzulande an Bedeutung. Das...

DWN
Technologie
Technologie Schwedische Innovation soll Wasserkrise in der Ukraine lösen
21.06.2025

Während Europa über Hilfspakete debattiert, liefern schwedische Firmen sauberes Wasser in eine vom Krieg verwüstete Region. Ist Hightech...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Afrikas Migrationspotenzial: Die globale Ordnung steht vor einer tektonischen Verschiebung
21.06.2025

Afrikas Bevölkerung wächst, während der Westen altert. Millionen gut ausgebildeter Migranten verändern schon heute globale...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlands stille Stärke: Wie Rechtsstaat und Verwaltung zum unterschätzten Standortvorteil werden
21.06.2025

Als Max Weber 1922 mit seiner Bürokratie-Theorie die Basis für die deutsche Verwaltung legte, galt sie weltweit als innovatives Vorbild....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Rückschlag für Elektroautos – kommt das Ende wie vor 100 Jahren?
21.06.2025

Vor 100 Jahren verschwanden Elektroautos wegen politischer Entscheidungen von den Straßen. Heute wiederholt sich die Geschichte: Donald...

DWN
Politik
Politik Wie der Westen seine Werte in der Wüste verrät: Big Tech versteckt die Probleme unter glänzenden Fassaden
21.06.2025

Big Tech hofiert autoritäre Regime vom Golf – im Tausch gegen Milliarden, Macht und Rechenzentren. Doch hinter der glitzernden Fassade...