Politik

Gegen die USA: Opec schockt mit Kürzung der Öl-Förderung

Lesezeit: 5 min
08.04.2023 16:17  Aktualisiert: 08.04.2023 16:17
Der geopolitische Aufstieg Saudi-Arabiens ermöglicht es dem Königreich, eine von den USA unabhängige Energiepolitik zu betreiben. Dies zeigt die jüngste Kürzung der Öl-Förderung.

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Mit der jüngsten Kürzung des Angebots wollen die Erzeuger die Ölpreise nachhaltig stützen. Doch von hohen Ölpreisen profitiert auch Russland. Die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) unter Führung von Saudi-Arabien beeinträchtigt daher die Bemühungen der Westens im Ukraine-Konflikt, die russischen Einnahmen zu begrenzen. Aber auch die Risiken für die Opec selbst sowie für die Weltwirtschaft insgesamt sind hoch.

Im vergangenen Jahr haben die steigenden Rohölpreise das Zerwürfnis zwischen Saudi-Arabien und den USA für alle sichtbar an die Oberfläche gebracht. US-Präsident Joe Biden bemühte sich immer wieder vergeblich darum, Riyadh zu einer stärkeren Öl-Förderung zu bewegen. Doch die Opec+ kürzte die Fördermenge sogar. In der Folge beschuldigte das Weiße Haus das Staatenbündnis im Oktober, sich mit Russland verbündet zu haben.

Auch Russland ist ein wichtiges Mitglied von Opec+, einer Kooperation der Opec-Staaten mit weiteren Öl-Erzeugern wie Russland, Kasachstan, Mexiko und Oman, die insgesamt 40 Prozent des weltweiten Rohöls produziert und bereits im Oktober eine Drosselung der Produktion um 2 Millionen Barrel pro Tag beschlossen hatte, um einen weiteren Rückgang des Ölpreises zu verhindern.

Förder-Kürzungen sind geopolitischer Schachzug

Diese Woche zeigte sich das Zerwürfnis zwischen Saudi-Arabien und den USA erneut, als Riad und seine Opec+-Verbündeten den Ölmarkt mit der Zusage schockierten, dass sie die Öl-Fördermenge noch weiter kürzen wollen. Dieser überraschende Schritt ist ein Versuch, die Ölpreise vor dem Hintergrund wachsender Sorgen im Hinblick auf die globale Konjunktur zu stützen.

Die Förder-Kürzungen der Opec+ kommen meist nach stunden- oder gar tagelangen Verhandlungen zustande. Doch diese Woche kamen sie gänzlich überraschend. Saudi-Arabiens Energieminister Abdulaziz bin Salman, ein Halbbruder von Kronprinz Mohammed bin Salman, schockierte all jene Spekulanten, die auf fallende Ölpreise gewettet hatten, nachdem die jüngste Bankenkrise neue Ängste um die Weltwirtschaft und um die Nachfrage nach Öl ausgelöst hatte.

Vor allem aber verdeutlichen die jüngsten Förder-Kürzungen die wachsenden Macht und das neue Selbstbewusstsein Saudi-Arabiens gegenüber den USA. "Saudi-Arabien ist jetzt bereit, im eigenen wirtschaftlichen Interesse Spannungen mit Washington auszuhalten", zitiert die Financial Times Helima Croft, Leiterin der Rohstoffabteilung bei RBC Capital Markets. "Die Opec ist wieder am Ruder. Sie ist auf einen Markt eingestellt, in dem die Saudis das Sagen haben."

Nachdem Saudi-Arabien und seine Verbündeten, darunter die Vereinigten Arabischen Emirate, der Irak und Kuwait, Förder-Kürzungen um insgesamt mehr als eine Million Barrel pro Tag oder etwa ein Prozent der weltweiten Nachfrage angekündigt hatten, stiegen die Ölpreise sprunghaft an - von 79 Dollar pro Barrel vor der Ankündigung auf über 85 Dollar pro Barrel nach der Ankündigung.

Denn schon vor der Ankündigung der deutlichen Förder-Kürzungen hatten Analysten an der Wall Street und Prognostiker wie die Internationale Energieagentur und die Opec selbst damit gerechnet, dass das bestehende Angebot bis zum Sommer nicht ausreichen würde, um die rasant steigende globale Nachfrage nach Öl zu befriedigen, und dass die Ölpreise in der zweiten Jahreshälfte steigen würden.

Die überraschende Kürzung der Öl-Förderung durch die Opec stellt sicherlich eine Belastung für fragile Weltwirtschaft dar, die Energie in möglichst großen Mengen benötigt, zumal das weltweite Ende der lockeren Geldpolitik bereits massiv belastet. Doch offenbar setzt Opec darauf, dass die Weltwirtschaft die höheren Ölpreise verkraften kann, vor allem Chinas wieder angesprungene Wirtschaft.

Saudi-Arabien ist sich der Tatsache bewusst, dass es die Nachfrage drosselt, hält aber einen Preis von bis zu 120 Dollar für vertretbar, zitiert die Financial Times Amrita Sen, Forschungsleiterin bei Energy Aspects. Der Preisanstieg in dieser Woche ist ihrer Ansicht vor vor allem auf Händler zurückzuführen, die ihre Short-Positionen ausgleichen wollen, ein wesentlich stärkerer Preisanstieg im weiteren Verlauf des Jahres sei nicht zu erwarten.

Inflation verursacht höhere Ölpreise, nicht umgekehrt

Die Förderländer haben die Auswirkungen der höheren Inflation zu spüren bekommen, da sie für ihre Importe mehr zahlen müssen. In der Folge wollen sie nun ihre Einnahmen steigern, sagt Pierre Andurand, Manager eines Öl-Hedgefonds. Außerdem sei Rohöl nach wie vor relativ billig, zitiert ihn die FT. Inflationsbereinigt entspräche der Preis der Sorte Brent vom Donnerstag mit 85,12 Dollar nur etwa 73 Dollar vor fünf Jahren.

"Wenn man sich die Opec-Länder ansieht, leiden sie wie alle anderen unter der Inflation - ihre Importe sind in Dollar ausgedrückt stark gestiegen", sagt Andurand, der voraussagt, dass der Ölpreis in diesem Jahr 140 Dollar pro Barrel erreichen könnte. "Sie sagen eindeutig, dass 80 oder 90 Dollar pro Barrel zu niedrig sind. Es ist wahrscheinlich, dass der Preis viel höher als 100 Dollar liegen wird, bevor sie reagieren und die Produktion erhöhen."

Saudi-Arabien erklärte am vergangenen Sonntag, dass die Förderkürzungen von 500.000 Barrel pro Tag "darauf abzielen, die Stabilität des Ölmarktes zu unterstützen". Das Königreich braucht aber auch mehr Geld, um das Prestige-Projekt Vision 2030 des Kronprinzen und seine so genannten "Gigaprojekte" zu finanzieren, wie etwa die Entwicklung der futuristischen Stadt Neom am Roten Meer.

In der Vergangenheit hätten höhere Ölpreise zu staatlichen Großzügigkeiten geführt. Aber Riad hat in den letzten Jahren die Subventionen gekürzt und zudem eine Verdreifachung der Mehrwertsteuer auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie nicht wieder rückgängig gemacht, obwohl die Steuererhöhung als vorübergehende Maßnahme angekündigt worden war.

"Die Aufgabe von [Energieminister] Abdulaziz ist es, Bargeld zu generieren - um sicherzustellen, dass Saudi-Arabien die höchste Rendite für seine Investitionen erhält, auch aus der heimischen Ölproduktion", zitiert die Financial Times Raad Alkadiri von der Beratungsfirma Eurasia Group. "Unter MBS [Kronprinz Mohammed bin Salman] sind seine innenpolitischen Ambitionen wichtiger als alles andere."

Saudi-Arabien bricht mit USA, kooperiert mit Russland

Die Preise für russische Öl-Exporte auf dem Seeweg könnte deutlich über die von den G7-Staaten verhängte Preisobergrenze von 60 Dollar pro Barrel steigen. "Das ist ein Riesengeschenk an Putin, denn Russland ist wirtschaftlich und militärisch ausgeblutet, und plötzlich gibt man ihm 10 Dollar pro Barrel mehr auf den Ölpreis", zitiert die Financial Times Imsirovic von OIES.

Die jüngsten saudischen Kürzungen sind ein weiterer Beweis für den Bruch mit den USA und für die verstärkte Partnerschaft mit Russland. Da die Saudis und andere Produzenten ihre Rohölexporte zwischen Mai und Ende des Jahres drosseln, wird die Nachfrage nach der Art von Öl, die Russland verkauft, steigen, zitiert die FT Roger Diwan, einen erfahrenen Opec-Beobachter bei S&P Global Commodity Insights.

"Die Saudis verfolgen politisch einen viel unabhängigeren Kurs", sagt Diwan. Der Einfluss der USA auf die saudische Ölpolitik ist jetzt "weg", sagt er. Da die Schieferrevolution in den USA ausläuft, fürchtet die Opec+ nicht länger einen Produktionsanstieg in Texas, wenn die Preise steigen. Dies gibt dem Öl-Kartell die nötige Freiheit, um seine Förderung zu kürzen, sagen Analysten.

Saudi-Arabien könnte das Gefühl haben, dass es die USA in die Enge getrieben hat. Denn auch wenn im Oktober hochrangige Demokraten dem Königreich Konsequenzen angedroht hatten, nachdem es seine Öllieferungen gekürzt hatte, war dies letztlich vor allem heiße Luft. Zudem wies der saudische Energieminister Abdulaziz in den folgenden Monaten wiederholt darauf hin, dass die USA mit ihren Prognosen eines Ölpreisanstiegs Unrecht hatten.

"Die USA haben die Saudis im Oktober mit Samthandschuhen angefasst, was wirklich nicht nötig gewesen wäre", zitiert die Financial Times Greg Priddy, einen Berater bei der Washingtoner Beratungsfirma Spout Run Advisory. "Die Saudis haben F-15-Flugzeuge, die ohne US-Techniker nicht in der Luft gehalten werden können. Hinter verschlossenen Türen brauchen wir [die USA] da nicht höflich zu sein."

Auch wenn die Reaktion der US-Regierung auf die jüngsten Kürzungen zurückhaltend ausfiel, könnten die Spannungen wieder sichtbarer werden, wenn die Ölpreise in Richtung 100 Dollar pro Barrel steigen oder die Wirtschaft in eine Rezession abrutschen sollte. Denn die US-Regierung ist sich sehr wohl bewusst, dass hohe Ölpreise ein Problem für die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr darstellen würden.


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