Finanzen

PIMCO: Optimistische Ratlosigkeit bei IWF und Weltbank

Eine PIMCO-Managerin schildert das Stimmungsbild der Frühlingstagungen von IWF und Weltbank.
20.04.2023 16:00
Aktualisiert: 20.04.2023 16:08
Lesezeit: 3 min
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Allison Boxer, Ökonomin beim Vermögensverwalter PIMCO, liefert eine interessante Einschätzung zu der jüngst stattgefundenen US- Frühjahrstagung von Weltbank und IWF:

In der vergangenen Woche fand die Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank statt. Unter Anlegern und politischen Entscheidungsträgern herrschte eine verbesserte Stimmung im Vergleich zur IWF-Herbsttagung aus dem Oktober 2022: Die Furcht vor einer bevorstehenden Rezession in Europa war gering, und die Wachstumsaussichten in China wurden geradezu enthusiastisch beurteilt.

Dennoch sorgten die restriktive Geldpolitik in den Industrieländern und die jüngsten Spannungen im Bankensektor für neuen Diskussionsstoff. Insgesamt schien Uneinigkeit über den Zeitpunkt und das Ausmaß der verschiedenen Querströmungen zu herrschen.

Hier sind unsere wichtigsten Erkenntnisse aus einer ereignisreichen Woche mit Sitzungen von Weltbank und des IWF.

Geldpolitik bremst: wie viel und wann?

Der IWF veröffentlichte weiterhin düstere Konjunkturprognosen und rechnete für 2023 mit einem weltweiten Wachstum von drei Prozent, dem langsamsten Tempo seit 1990. Es überrascht nicht, dass sich viele Teilnehmer in ihren Debatten auf die Aussichten für die USA konzentrierten, wobei Uneinigkeit über die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen des Leitzinsanstieges um fünf Prozentpunkte herrschte.

Viele sahen die Zusammenbrüche regionaler Banken als Symptom einer strafferen Geldpolitik und höherer Zinsen an; nicht einig war man sich darüber, ob es sich bei den Zusammenbrüchen um Einzelfälle handelte oder um Vorboten künftiger Belastungen im Bankensektor.

Noch größere Uneinigkeit herrschte über die potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen: Eine prominente Stimme vertrat die Ansicht, dass es, wenn überhaupt, nur geringe Auswirkungen geben werde. Andere thematisierten währenddessen das Risiko eines plötzlichen Einbruchs der Kreditvergabe und der Wirtschaftstätigkeit, falls sich die Aussichten für den Bankensektor verschlechtern sollten. Ähnlich unsicher waren die Inflationsaussichten, wobei Uneinigkeit darüber herrschte, wo sich die Inflation einpendeln wird und wie die Reaktionen der Zentralbanken aussehen werden.

Es wird mit einer strengeren Bankenaufsicht gerechnet

Dennoch waren sich viele Teilnehmer einig, dass aus den Bankenzusammenbrüchen eine verstärkte aufsichtsrechtliche Kontrolle als klare Konsequenz hervorgeht. Obwohl kaum mit regionalen Gesetzesänderungen gerechnet wurde, zeigten sich die Vertreter des BCBS/IOSCO (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht und die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden) sehr fokussiert auf regulatorische Verbesserungen, die außerhalb von Gesetzen erreicht werden können.

In der Diskussion wurde der internationale Druck (neben dem inländischen Druck) auf die US-Notenbank hervorgehoben, die Durchsetzung der Vorschriften strenger zu gestalten, was unserer Ansicht nach zu einer Verschärfung der Kreditbedingungen und einem langsameren Wachstum beitragen dürfte.

Langfristige Trends treffen auf zyklische Trends

Mehrere IWF-Sitzungen befassten sich mit dem Übergang von brauner zu grüner Energie, der Bedeutung von Infrastrukturinvestitionen und der sich verändernden Landschaft des Welthandels - alles wichtige Fragen, sowohl auf kurze als auch auf lange Sicht.

Was den konjunkturellen Horizont betrifft, so lag der Schwerpunkt vor allem auf den wirtschaftlichen Auswirkungen des U.S. Inflation Reduction Act (IRA). Während das U.S. Congressional Budget Office vorläufige Schätzungen veröffentlicht hat, argumentierten viele Teilnehmer, dass der erhöhte Enthusiasmus der Unternehmen (und das Interesse ausländischer Regierungen) für einen stärkeren und schnelleren Investitionsimpuls spreche.

Der erhöhte Enthusiasmus der Unternehmen könnte letztlich eine wichtige kurzfristige Stütze sein, da die US-Wirtschaft mit anderen Problemen konfrontiert sei, einschließlich gestiegener Zinsen.

Ängste vor politischen Fehltritten

Viele Teilnehmer äußerten sich besorgt über mögliche politische Fehlentscheidungen, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Schuldenobergrenze in den USA. Ein prominenter republikanischer Wirtschaftswissenschaftler bezifferte die Wahrscheinlichkeit eines technischen Zahlungsausfalls auf 35 Prozent.

Während andere argumentierten, dass eine Zahlungsunfähigkeit im politischen Interesse keiner Partei liege, war die allgemeine Besorgnis dennoch groß, insbesondere bei den nicht auf die USA ausgerichteten Portfoliomanagern. Wir hörten mehrere Schwellenländer-Investoren sagen, dass die Ungewissheit über die Schuldenobergrenze und die Auswirkungen auf die regionalen Banken dazu führte, dass sich die Treffen eher wie eine US-Konferenz anfühlten. Die Eigenheiten der Schwellenländer traten dabei etwas in den Hintergrund.

Sind die Probleme des letzten Jahres schon vergessen?

Wir waren erstaunt, wie schnell viele der Themen, die die Märkte und Volkswirtschaften im vergangenen Jahr bewegten, bei den Teilnehmern in den Hintergrund getreten zu sein scheinen. Die Inflation in den USA, die Wachstumssorgen in Europa und die wirtschaftlichen Risiken in China wurden auffallend wenig diskutiert.

Angesichts der etwas besseren US-Inflationsdaten für März (siehe den entsprechenden PIMCO-Blogbeitrag) schienen sich nur wenige Teilnehmer auf weitere Aufwärtsrisiken für die US-Inflation zu konzentrieren. Ebenso sprachen nur wenige über weitere Abwärtsrisiken für das europäische Wachstum, da die Europäische Zentralbank ihre Straffungskampagne fortsetzt. Viele hielten das relativ reibungslose Ankurbeln des chinesischen Marktes für einen wichtigen globalen Wachstumsmotor, aber nur wenige äußerten Bedenken hinsichtlich des potenziellen Inflationsimpulses im Vergleich zum letzten Jahr.

Unterm Strich

Die Frühjahrstagungen der Weltbank und des IWF haben uns deutlich gemacht, dass sowohl die Anleger als auch die politischen Entscheidungsträger damit zu kämpfen haben, die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der unterschiedlichen Strömungen zu verstehen: ein robuster Start ins Jahr 2023, getrübt durch eine restriktive Geldpolitik, Bankenzusammenbrüche und eine immer noch hohe Inflation.

Da die Uneinigkeit groß und die Überzeugung im Allgemeinen gering ist, werden diese Treffen möglicherweise nicht der Katalysator für richtungsweisende Marktumkehrungen und Spitzenwerte sein, wie es in der Vergangenheit manchmal der Fall war.

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