In den USA braut sich etwas zusammen: Die Einlagen bei den US-Banken verringern sich kontinuierlich und die Kreditvergabe ist so stark gesunken wie seit fast zwei Jahren nicht mehr. All das passiert inmitten großer finanzieller Turbulenzen, die durch den Zusammenbruch beziehungsweise die Rettung mehrerer Banken in den USA (SVB, Signature Bank, First Republic) und Europa (Credit Suisse) ausgelöst wurden.
Die Einlagen der Geschäftsbanken sanken in der Woche bis zum 22. März um knapp 126 Milliarden Dollar und waren damit zum neunten Mal in Folge rückläufig, wie aus Daten der US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) hervorgeht. Mittlerweile nähern sich die gemeldeten Kundeneinlagen der Marke von 17 Billionen (17.000 Milliarden) Dollar.
Noch reicht das nicht aus, um von einem dramatischen Bankansturm zu sprechen. Zumal die Gelder größtenteils in höher verzinste Geldmarktfonds umgeschichtet wurden, welche inzwischen ein Rekordvolumen von mehr als fünf Billionen Dollar verwalten. Aber die stetige Natur der Abflüsse gibt Anlass zur Sorge, weswegen man in Finanzkreisen nicht zu Unrecht einen langsamen Vertrauensverlust in das Bankensystem und demnach einen „Bankrun in Zeitlupe“ sieht.
Die Kreditvergabe der Finanzhäuser sank im selben Zeitraum um 20 Milliarden Dollar, so stark wie seit Juni 2021 nicht mehr. Dies lag in erster Linie an einem erheblichen Rückgang der Unternehmens-Kredite.
Der Bloomberg-Ökonom Stuart Paul meint dazu: „Eine weitere Woche mit großen Abflüssen aus dem Bankensystem spiegelt wahrscheinlich die Vorliebe der Finanzabteilungen der Unternehmen für Geldmarktfonds mit höherer Rendite wider und nicht die Angst vor dem Zusammenbruch regionaler Banken. Die Fragilität des Bankensystems scheint sich in Grenzen zu halten – die Inanspruchnahme der Kreditfazilitäten der Fed ging zwischen dem 22. und 29. März zurück – aber wir erwarten weiterhin eine Verschärfung der Kreditbedingungen.“
Zuletzt sanken auch die Einlagen bei den 25 größten Instituten enorm, während die kleinen Banken nach dem Minus von 200 Milliarden Dollar aus der Vorwoche nun ein geringes Plus verzeichnen konnten. Lediglich absolute Schwergewichte wie J.P. Morgan und Bank of America gelten noch als sicherere Häfen und steigern trotz Bankenkrise weiter ihre Kundeneinlagen. Zudem profitieren die Platzhirsche als Großanbieter vom neuen Hype um Geldmarktfonds.
In Deutschland kann man in den Daten übrigens noch keinen Bank Run erkennen. Die Bankeinlagen steigen hierzulande trotz Krisenumfeld weiter, zuletzt um 281 Millionen auf 2,7 Billionen Euro.
Schon jetzt sind große Rettungsmaßnahmen notwendig
In den USA mussten zuletzt schon großzügige Stützungsmaßnahmen ergriffen werden, um einen Bank Run historischen Ausmaßes zu verhindern. Sämtliche Einlagen bei den drei Pleitebanken werden garantiert – auch über der Obergrenze von 250.000 Dollar. Die Fed hat dazu Kredite in Höhe von 142 Milliarden Dollar an die neu eingerichteten Banken des Einlagensicherungsfonds FDIC vergeben. Diese FDIC-eigenen Banken sollen alle Einleger der beiden zusammengebrochenen Kreditinstitute Signature Bank und Silicon Valley Bank schützen. Ein von J.P. Morgan angeführtes Konsortium von Großbanken stellte derweil der angeschlagenen First Republic Bank 30 Milliarden Dollar an Einlagen zur Verfügung.
Währenddessen verfolgt die Fed durch die Hintertür eine Rückkehr zur geldpolitischen Lockerung. Zwar kauft die US-Zentralbank keine Anleihen auf und senkt zunächst auch nicht die Zinsen. Aber die US-Finanzhäuser können im Rahmen des „BTFP-Programms“ festverzinsliche Wertpapiere zum Nennwert an die Zentralbank verpfänden und erhalten dafür frische Kredite mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr, die sie unter anderem zur Deckung der potentiellen Einlagenabflüsse verwenden können. Stand April haben die Banken auf diesem Weg 80 Milliarden Dollar an neu gedruckten Geldmitteln aufgenommen.
Über 300 Milliarden sind auf klassischem Weg über Primärkredite (auch Diskont-Kredite genannt) ins Bankensystem geflossen. Auch hier müssen der Zentralbank Sicherheiten gestellt werden, allerdings zum Marktwert und die variablen Zinskosten von – nach der jüngsten Zinserhöhung – fünf Prozent sind sehr happig. Die BTFP-Kredite haben einen geringeren und fixen Zinssatz.
Zuletzt sank die teure Schuldenaufnahme über das Diskont-Fenster enorm, während die BTFP-Kredite weiter anwachsen.
Der Finanzblog Wolfstreet kommentiert das Ganze wenig wohlwollend: „Es scheint – und wir kennen keine Namen – als würden einige Banken ihre Diskont-Kredite mit Geldern aus dem neuen BTFP-Liquiditätsprogramm zurückzahlen.“
Bankensystem ist wackelig
Seit Beginn der quantitativen Straffung vor grob einem Jahr haben US-Banken Daten von Bloomberg zufolge 825 Milliarden Dollar an Kundeneinlagen verloren und zugleich über 1.000 Milliarden Dollar an Krediten aufgenommen. Ein gesundes und stabiles Bankensystem sieht anders aus.
Alleine die aus der historisch auffällig schnellen Zinswende hervorgegangenen (unrealisierten) Verluste des Anleihe-Portfolios haben dazu ausgereicht, Bank Runs und eine neue Bankenkrise hervorzubringen. Laut Einlagensicherungsbehörde FDIC haben US-Banken unrealisierte Verluste in Höhe von 620 Milliarden Dollar in ihren Büchern – ein Großteil davon im Portfolio der festverzinslichen Wertpapiere, die durch die Zinswende massiv an Wert verloren. Vor der Zinswende waren es gerade mal 8 Milliarden an nicht sichtbaren Verlusten.
Finanzhäuser müssen Zinspapiere nicht zum Marktwert („mark to market“) bilanzieren, solange sie diese theoretisch bis zum Laufzeitende halten könnten („held to maturity“). Je nachdem, wie gut das Zinsrisiko in der Vergangenheit abgesichert wurde, könnten die unrealisierten Verluste auch vernachlässigbar sein, An die Oberfläche schwappt es in aller Regel erst, wenn die jeweiligen Banken dringend Liquidität benötigen und in Ermangelung besserer Optionen Anleihen am Markt verkaufen müssen.
Die vier größten amerikanischen Banken J.P. Morgan (37 Milliarden), Bank of America (110 Milliarden), Wells Fargo (41 Milliarden) und Citigroup (25 Milliaden) repräsentieren mehr als 200 Milliarden Dollar dieser nicht bilanziell sichtbaren Buchverluste. Es sind aber die kleineren Banken, die Grund zur Sorge bieten. Sie sind viel mehr auf Kunden-Einlagen angewiesen, haben nicht dieselben Finanzierungsmöglichkeiten über Derivatemärkte und können im schlimmsten Fall eben nicht hundertprozentig darauf bauen, gerettet zu werden.
(Insolvenz-)Risiken, die jahrelang durch die niedrig verzinste Kreditvergabe an Unternehmen verschleiert wurden und jetzt mit höheren Zinsen an die Oberfläche sprudeln dürften, sind hingegen noch gar nicht wirklich im Markt präsent. Unterdessen wird das Finanzierungsumfeld alleine durch die Zinswende immer schwieriger und nun durch die Vertrauenskrise noch mehr eingeengt.
Zuletzt wurde vermehrt über Turbulenzen am fast 3 Billionen Dollar schweren Gewerbeimmobilien-Markt berichtet, der zu 70 Prozent von kleineren US-Banken beherrscht wird. In diesem Segment herrscht aktuell eine bedrohliche Leerstandsquote von rund 20 Prozent. Fast noch wichtiger wird die Entwicklung bei den sogenannten „Leveraged Loans“ sein. Unter diesem Überbegriff werden Kredite an überschuldete Kreditnehmer zusammengefasst. Der Markt ist grob eine Billion Dollar schwer und bei einer Refinanzierung zu massiv höheren Zinsen droht dieses Kartenhaus in sich zusammenzufallen.
Fazit: Die Bankenkrise steht aller Wahrscheinlichkeit nach erst am Anfang und die Finanzspritzen der Federal Reserve scheinen für die Stabilität des Systems unabdingbar zu sein. Es ist damit zu rechnen, dass es nicht mehr allzu lange dauern wird, bis die quantitative Straffung offiziell beendet wird und Zinssenkungen sowie Stützungskäufe von Anleihen wieder Normalität sind.