Wirtschaft

Unser neues Magazin ist da: Energie im Umbruch – zwischen teurem Kraftakt und politischem Kursverlust

Die Energienutzung in Deutschland war einst selbstverständlich. Heute ist sie Streitfall, Risiko und Chance zugleich. Der Wandel im Energiesektor ist unausweichlich, doch der Weg zu einer klimaneutralen oder zumindest CO2-armen Energieversorgung bleibt umstritten. Welche Technologien sichern unsere Zukunft, wer trägt die Verantwortung – und wie gelingt ein Energieumbruch, der verbindet statt spaltet?
20.08.2025 16:08
Aktualisiert: 01.01.2030 11:20
Lesezeit: 4 min
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Unser neues Magazin ist da: Energie im Umbruch – zwischen teurem Kraftakt und politischem Kursverlust
Energienutzung in Deutschland: Welche Technologien sichern unsere Zukunft und wie gelingt die Energiewende? (Foto: ChatGPT)

Liebe Leserinnen und Leser,

es gibt Zeiten, in denen das Fundament einer Gesellschaft ins Wanken gerät. Zeiten, in denen die Selbstverständlichkeiten unserer Lebensweise nicht mehr selbstverständlich sind. Wo früher Strom einfach aus der Steckdose kam und Energiepreise bestenfalls eine Zeile in der Nebenkostenabrechnung waren, dominiert heute Unsicherheit in Vorstandsetagen, Handwerksbetrieben und privaten Haushalten gleichermaßen. Deutschland erlebt eine Zeitenwende. Nicht nur in der Außenpolitik, wie oft beschworen, sondern tief in der Struktur seiner Wirtschaft. Und im Herzen dieser Transformation steht die Energiefrage. Nicht abstrakt, nicht theoretisch, sondern konkret: Wie sichern wir unsere Versorgung nachhaltig? Wie erhalten wir unsere industrielle Leistungsfähigkeit? Und wie gestalten wir die Energiewende, ohne dabei unseren Wohlstand und unsere Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren?

In diesem August-Magazin suchen wir nach Antworten – technologieoffen und ideologieoffen.

Energieumbruch: Der Preis der Transformation

Die Energieversorgung war einst die stille Infrastruktur des Wohlstands. Sie lief – zuverlässig, planbar, günstig. Heute ist sie zum Politikum geworden. Zur Reizfigur. Zur Projektionsfläche für Hoffnung und Frustration. Es ist kein Zufall, dass Energiefragen die Menschen emotional berühren: Denn sie betreffen jeden Einzelnen jeden Tag. Die Tankrechnung, die Nebenkosten, die Wettbewerbsfähigkeit der Firma – all das hängt an der Energie. Und doch, trotz dieser unmittelbaren Betroffenheit, entsteht der Eindruck: Die Debatte driftet ab. Weg von Sachlichkeit, hin zu Symbolik. Weg von Lösungen, hin zu Lagerdenken.

Dabei bräuchte dieses Land nichts so sehr wie eine neue Nüchternheit. Einen Blick, der Chancen erkennt, ohne Risiken zu verdrängen. Der Ideologien durch Realität prüft. Der die Komplexität des Problems nicht auf ein einziges Dogma reduziert, sondern Vielfalt zulässt – technologisch wie politisch. Denn klar ist: Die Transformation kommt, sie muss kommen und sie ist nicht mehr aufzuhalten. Aber sie ist nicht nur eine riskante Herausforderung, sie ist auch eine chancenreiche Zukunftsinvestition. Und ihr Erfolg hängt davon ab, wie wir sie gestalten. Ob wir sie mutig, intelligent und offen denken – oder ob wir uns von Ängsten, Ressentiments und falschen Versprechungen lähmen lassen.

Der Mittelstand als Taktgeber der Energiewende

Inmitten dieses Großexperiments zeigt sich einmal mehr die stille Kraft unseres Landes: der Mittelstand. Familienunternehmen, Handwerksbetriebe, industrielle Nischenchampions – sie alle suchen ihre eigenen Antworten auf die Energiekrise. Nicht durch Protest, sondern durch Tatkraft. Nicht durch Lamentieren, sondern durch Investitionen und Innovationen.

Eigenstromlösungen, Lastmanagement, Solardächer, Speichertechnik – was früher ein Nebenschauplatz der Unternehmensstrategie war, wird heute zur Kernfrage unternehmerischer Resilienz. Und genau hier zeigt sich, was Deutschland immer stark gemacht hat: die Fähigkeit, auf Herausforderungen mit Anpassung zu reagieren – pragmatisch, effizient, ergebnisorientiert.

Doch dieser unternehmerische Mut braucht Luft zum Atmen. Braucht politische Unterstützung, nicht regulatorische Gängelung. Braucht Anreize statt Bürokratie. Denn es sind nicht die Großkonzerne, die stillschweigend die Struktur dieses Landes sichern. Es sind die Mittelständler, die jetzt neue Wege beschreiten – in Eigenverantwortung, aber mit dem berechtigten Anspruch, dabei nicht im Dickicht von Vorschriften und Ideologie zu versinken.

Klimaneutralität: Technologie als Hoffnung – oder Ausrede?

Gleichzeitig stehen neue technologische Möglichkeiten im Raum, die einst in Science-Fiction-Romanen verortet waren und heute real diskutiert werden: die Transmutation von Atommüll. Eine Technik, die das ungelöste Problem der Endlagerung nicht nur entschärfen, sondern in einen strategischen Vorteil verwandeln könnte. Energie gewinnen, wo früher nur Gefahr lauerte – das ist nicht nur technisch faszinierend, sondern potenziell ein Quantensprung für das Narrativ der Kernenergie. Aber auch hier gilt: Faszination ersetzt nicht Verantwortung. Was heute im Laborversuch gelingt, ist noch lange keine Antwort auf die Herausforderungen der nächsten Jahre. Und doch: Es zeigt, dass Technologie nie stillsteht. Dass Zukunft nicht Verzicht bedeuten muss, sondern neue Horizonte eröffnen kann. Wer sich dieser Entwicklung verweigert, blockiert nicht nur Technik, sondern auch technologieoffenes und ideologieoffenes Denken.

Das gilt insbesondere für die Frage der Kernenergie. Wenige Themen sind in Deutschland so stark emotional aufgeladen, so ideologisch besetzt, so tief verwurzelt in einem kulturellen Narrativ. Der „Ausstieg“ war für viele ein Symbol des Fortschritts, ein Befreiungsschlag. Und doch: Die Realität bleibt hartnäckig. Strombedarf, Grundlast, Preisstabilität – sie alle ignorieren keine Ideologie. Es braucht daher die Debatte. Nicht als Rückfall in alte Konzepte, sondern als Fortschreibung dessen, was moderne Energiepolitik sein kann: technologieoffen, verantwortungsvoll, sachlich. Kernenergie ist kein Allheilmittel. Aber sie ist vielleicht Teil der Lösung. Zumindest so lange, wie CO2-neutrale Alternativen noch nicht alleine tragfähig sind.

Energie im Umbruch: Chancenreich – nicht nur für Investoren

Wer über Energie spricht, darf über Kapital nicht schweigen. Denn die Transformation wird nicht nur politisch entschieden, sondern finanziert durch Investitionen, durch Märkte, durch Anleger. Was früher als exotisches Nischenthema galt, ist heute Teil solider Portfolios: grüne ETFs, Versorgeraktien, Rohstofffonds. Die Energiewende ist auch ein Anlagethema – und damit ein Hebel für Veränderung. Privatanleger, die die sogenannten ESG-Kriterien nicht als Dogma, sondern als Orientierung verstehen, können hier echten Einfluss nehmen.

ESG steht für Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und gute Unternehmensführung (Governance) – Maßstäbe, die helfen sollen, nachhaltige und verantwortungsvolle Investitionen zu bewerten. Wer diese nicht ignoriert und gezielt investiert, kann die Energiewende beschleunigen und sogar daran partizipieren. Doch nicht alles, was als „grün“ bezeichnet wird, ist nachhaltig und eine erfolgreiche Geldanlage.

Ein neuer Gesellschaftsvertrag? Der Umbruch ist real – die Richtung offen

All diese Entwicklungen, Debatten, Technologien und Investitionen führen uns zu einer zentralen Frage: Vertrauen wir noch? In unsere Institutionen, in unsere Technologien, in unsere politischen Prozesse? Die Energiewende ist kein rein technisches Projekt – sie ist ein gesellschaftlicher Prozess. Und dieser steht und fällt mit Vertrauen.

Vielleicht braucht es einen neuen Gesellschaftsvertrag für die Energiezukunft. Einen Vertrag, der nicht nur Versorgungssicherheit garantiert, sondern Beteiligung. Der Bürger nicht nur als Konsumenten sieht, sondern als Mitgestalter. Der Innovation nicht als Risiko begreift, sondern als Chance. Der nicht zwischen Stadt und Land, Arm und Reich, Jung und Alt spaltet, sondern verbindet – durch ein gemeinsames Ziel: ein stabiles, bezahlbares, nachhaltiges Energiesystem. Diesen Vertrag kann niemand allein schließen. Er ist ein demokratischer Kraftakt. Aber einer, der sich lohnt.

Ihr Markus Gentner

DWN-Chefredakteur

 

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Markus Gentner

Zum Autor:

Markus Gentner ist seit 1. Januar 2024 Chefredakteur bei den Deutschen Wirtschaftsnachrichten. Zuvor war er zwölf Jahre lang für Deutschlands größtes Börsenportal finanzen.net tätig, unter anderem als Redaktionsleiter des Ratgeber-Bereichs sowie als Online-Redakteur in der News-Redaktion. Er arbeitete außerdem für das Deutsche Anlegerfernsehen (DAF), für die Tageszeitung Rheinpfalz und für die Burda-Tochter Stegenwaller, bei der er auch volontierte. Markus Gentner ist studierter Journalist und besitzt einen Master-Abschluss in Germanistik.

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