Jamie Dimon, Vorsitzender der größten US-Bank J.P. Morgan Chase, hat Enteignungen von Landbesitzern zur Bekämpfung des Klimawandels ins Spiel gebracht. Die kontroversen Aussagen entstammen dem jährlichen Brief an die Aktionäre der Bank.
Nachdem er zuvor vor allem das geopolitische Umfeld und die Entwicklung von J.P. Morgan im vergangenen Jahr beschrieben hatte, überraschte Dimon die Aktionäre im Kontext eines Updates „zu spezifischen Themen, mit denen unser Unternehmen konfrontiert ist“ unter dem Abschnitt „Klimakomplexität und Planung“ mit der Erwähnung von Enteignungen.
Dimon: „Wir müssen handeln, und zwar sofort“
Wörtlich heißt es zunächst: „Das Zeitfenster für Maßnahmen zur Abwendung der kostspieligsten Auswirkungen des globalen Klimawandels schließt sich. [...] Die Notwendigkeit, Energie für heute erschwinglich und zuverlässig bereitzustellen und die notwendigen Investitionen zur Dekarbonisierung für morgen zu tätigen, unterstreicht den untrennbaren Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum, Energiesicherheit und Klimawandel.“
Aus Dimons Sicht sollte die Menschheit umgehend mehr Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung ergreifen. Um den Fortschritt zu beschleunigen, müssten sich Regierungen, Unternehmen und NGOs auf zahlreiche „praktische politische Änderungen“ einigen. Verschiedene Interessensgruppen müssten in diesem Punkt über etwaige Differenzen hinwegsehen und eng zusammenarbeiten. Zudem müsse Jahr für Jahr kontinuierlich mehr Geld in den Ausbau Erneuerbarer Energien investiert werden.
Der Hammer folgt dann im nächsten Absatz: „Gleichzeitig sind Reformen bei den Genehmigungen dringend erforderlich, damit die Investitionen überhaupt zeitnah getätigt werden können. Möglicherweise müssen wir sogar Enteignungen vornehmen - wir bekommen einfach nicht schnell genug die entsprechenden Kapitalmittel zusammen.“ Dimon meint also, dass es womöglich von gesellschaftlichem Vorteil wäre, Grundbesitzer zu enteignen um dort stattdessen Wind- und Solarparks zu errichten.
Planwirtschaftliche Worte eines radikalen Marktanhängers?
Dabei dürften gesellschaftliche Polarisierung, politische Hindernisse und ein „grundlegender Mangel an Analysen“ kein Grund dafür sein, diese komplexe Herausforderung anzugehen. Die Einhaltung wissenschaftlich fundierter Klimaziele für künftige Generationen sei genauso wichtig wie die Förderung des Wirtschaftswachstums.
Die amerikanische Wirtschaft sieht er hier in einer Schlüsselrolle. „Während in den letzten Jahren große Fortschritte in der Technologie gemacht wurden, um diese Sache zu unterstützen, hoffen wir, dass die große amerikanische Innovationsmaschine (die meisten Fortschritte werden letztendlich von den enormen Fähigkeiten und dem Kapital der größten US-Unternehmen kommen) die zusätzlichen Technologien finden wird, die dringend benötigt werden.“
Der einflussreiche Banker glaubt demnach an eine US-dominierte, institutionelle Lösung der Klimawandel-Problematik. Dimons Ansichten sind nicht nur in Bezug auf die Enteignungs-Andeutungen bemerkenswert. Auch der Glaube an die Effektivität staatlicher Maßnahmen ist für einen Banker nicht gerade selbstverständlich. Finanzleute sind knallharte Anhänger des Marktes, würde man meinen. Einige von Dimons Aussagen hingegen lesen sich fast eins-zu-eins wie die Forderungen der (Klima-)Planwirtschaftler unserer aktuellen Bundesregierung.
Noch im Herbst letzten Jahres hatte sich Jamie Dimon laut New York Post mit einer Ansprache an seine Großkunden gerichtet, wonach sich “einige Investoren eben einen Dreck um ESG“ scheren würden. ESG ist im Finanzwesen der Überbegriff für umweltbewusstes Investieren. Im selben Kontext hatte der einflussreiche Banker die Bedeutung konventioneller Energiequellen betont und Teilnehmern einer kleinen Gesprächsrunde erklärt, dass es für die USA entscheidend sei, mehr Öl und Gas zu fördern.
Den Quellen der Post zufolge schimpfte Dimon damals auch über Unternehmen, die sich zu stark an ESG-Kriterien orientieren und deshalb „die Unternehmensführung an Gutmenschen in einem Komitee abtreten“ würden.
Jamie Dimon scheint seine Meinung in wenigen Monaten drastisch geändert zu haben. Oder aber er steht irgendwo zwischen beiden Extremen. Der Chef von J.P. Morgan ist sich der Ambivalenz seiner Ausführungen durchaus bewusst, wenn er weiter unten im Aktionärsbrief schreibt: „Die Kehrseite der Medaille ist eine massive, ineffiziente Fehlinvestition von Kapital.“
Energiewende verursacht gigantische Fehlinvestitionen
Fehlallokation von Kapital ist ein gutes Stichwort. Als vielleicht mächtigster Banker der Welt kann Dimon mit Sicherheit gut mit Zahlen umgehen. Bestimmt weiß er von der astronomischen – im aktuellen Zinsumfeld vollkommen weltfernen – Summe von 4,5 Billionen (4.500 Milliarden) Dollar, die laut internationaler Energieagentur weltweit bis 2030 investiert werden müsste, um die Netto-Null-Emissionsziele zu erreichen. Sicherlich ist Dimon auch mit den Analysen von Kollegen der Investmentbank Goldman Sachs vertraut, wonach schon in den letzten zehn Jahren 3,8 Billionen Dollar in den Ausbau Erneuerbarer Energien geflossen ist – und zwar ergebnislos. Denn der Anteil fossiler Energieträger am Energiemix ist nahezu konstant geblieben.
Der Industrie-Verbrauch fossiler Brennstoffe (und damit auch die damit verbundenen Kohlendioxid-Emissionen) haben sich einfach nur von Westen nach Asien verlagert. Nicht die ganze Welt praktiziert die Energiewende so ernst wie Europa und zunehmend auch die USA. Zudem übernehmen Erneuerbare Energien zwar eine immer wichtigere Rolle bei der Stromerzeugung, aber der viel größere Posten beim Energieverbrauch ist die Heizung und hier sind Öl und Gas weiterhin dominant – auch im Westen. Hinzu kommt noch Treibstoff im Automobilverkehr, wo Elektroautos zwar politisch fleißig propagiert, aber von den meisten Verbrauchern konsequent ignoriert werden. Dimon werden diese Zusammenhänge bekannt sein.
Eine „existentielle Bedrohung für die Mittelschicht“
Land- und Immobilienbesitzer enteignen, um dort Solar- und Windparks bauen zu können. Wer ein wenig um die Ecke denkt, findet in dieser Forderung gewisse Motive des Great Resets wieder. J.P. Morgan ist Partner des Weltwirtschaftsforums (WEF) und der bestens vernetzte Jamie Dimon war auch schon als Redner auf Veranstaltungen des WEF geladen. Treibt der mächtige Banker bewusst die Great-Reset-Agenda voran?
Einer der Werbesprüche des Forums für die vermeintlich idyllische Welt der Zukunft lautet: „Du wirst nichts besitzen und du wirst glücklich sein.“ Die „große Umgestaltung“ der Gesellschaft strebt ja auch in letzter Konsequenz eine Ausdünnung des unternehmerischen und bürgerlichen Mittelstandes zugunsten großer Konzerne und Superreicher an. J.P. Morgan als größte Bank in den USA ist ein natürlicher Nutznießer einer solchen Entwicklung. Schon in der aktuellen Bankenkrise profitiert Morgan in gewisser Weise, weil die Kunden kleinerer Banken ihre Einlagen zu den Schwergewichten umschichten.
Der Schatzmeister des Bundesstaates West Virginia, Riley Moore, wies via Twitter auf die verheerenden Folgen hin, wenn die US-Regierung einfach persönliches Eigentum beschlagnahmen würde: „Der CEO von J.P. Morgan will Enteignungen nutzen, um mehr Wind- und Solarparks zu bauen. Wenn Sie glauben, dass die Lebensmittel- und Energiepreise jetzt schlimm sind, dann warten Sie nur, bis die Regierung beginnt, Ackerland zu beschlagnahmen, um Solaranlagen zu bauen. Diese Art des Denkens stellt eine existenzielle Bedrohung für die Mittelschicht dar.“
Dimon hatte zuletzt mehrfach Schlagzeilen gemacht. So wurde er jüngst im Rahmen des Epstein-Skandals in den Zeugenstand geladen. Die Anwälte von Missbrauchsopfern werfen dem Banker vor, von den Kinderhandels-Aktivitäten seines damaligen Klienten Epstein auf Virgin Islands gewusst zu haben. Der Chef von J.P. Morgan bestreitet die Vorwürfe.