Politik

Wirtschaftsweise lehnen Habeck-Pläne ab

Bundeswirtschaftsminister Habeck kann es zurzeit kaum einem recht machen. Nun haben vier von fünf Wirtschaftsweise seine Pläne zur Einführung eines Industriestrompreises eine klare Absage erteilt.
Autor
26.05.2023 15:35
Aktualisiert: 26.05.2023 15:35
Lesezeit: 3 min
Wirtschaftsweise lehnen Habeck-Pläne ab
Habecks Ideen zum Industriestrompreis werden von Experten abgelehnt. (Foto: dpa) Foto: Christian Charisius

In einem sechsseitigen Arbeitspapier hatte das Bundeswirtschaftsministerium seine Pläne dargelegt, mit einem subventionierten Industriestrompreis der energieintensiven Industrie unter die Arme zu greifen. Ziel müsse es sein, so das Ministerium, diese Industrien in Deutschland zu halten. Zu diesem Zweck solle der Preis für einen „klar definierten Empfängerkreis“ auf sechs Cent pro Kilowattstunde begrenzt werden.

Die Pläne des Habeck-Ministeriums stießen bei der Großindustrie und ihnen nahestehenden Verbänden auf lebhafte Zustimmung, auch weite Teile der SPD und der Gewerkschaften sprachen sich für die Einführung einer solchen Subvention aus. Jedoch stieß das Vorhaben Habecks sogleich auch auf entschiedene Ablehnung des Mittelstandes. So hatte der Vorsitzende des Bundesverbands der Mittelständischen Wirtschaft, Markus Jerger, eindringlich vor der Einführung eines solchen Industriestrompreises gewarnt, wie die Deutschen Wirtschaftsnachrichten berichteten. Jerger hatte geltend gemacht, dass die Einführung einer solchen Subvention zu massiven Wettbewerbsnachteilen für den Mittelstand führen würden. Zudem wird die Befürchtung geäußert, dass mit der Gewährung eines verbilligten Strompreises an die Industrie der Mittelstand einen Wettbewerbsnachteil erleide.

Nun bekommen die Vertreter des Mittelstands argumentative Unterstützung – und den Anfang machte nun die Vorsitzende des Sachverständigenrats der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer: „Einen Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen halte ich nicht für den richtigen Weg", sagte Schnitzer. Dieser verteile Steuergelder von weniger energieintensiven Branchen in energieintensive Branchen um. "Das bremst den Strukturwandel, der aber dringend notwendig ist", so Schnitzer. Es sei sinnvoller, wenn bestimmte Grundstoffe in Zukunft aus Ländern mit günstigeren Energiepreisen kämen und Deutschland sich auf Technologie-Produkte konzentriere, bei denen die deutsche Wirtschaft einen Wettbewerbsvorteil habe.

Auch die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier lehnt das Konzept Habecks ab. „Eine solche Preisverzerrung führt bloß dazu, dass die Wirtschaft bei Produktionsweisen hängen bleibt, in denen wir einen strategischen Nachteil haben", sagte sie. Es sei „kein Argument, dass bestimmte Industrien hier schon seit Jahrzehnten präsent sind".

Ebenfalls skeptisch ist der Wirtschaftsweise Martin Werding. "Ein Industriestrompreis ist viel zu wenig zielgenau und auch zu rückwärtsgewandt." Ratsmitglied Veronika Grimm hatte einen Industriestrompreis bereits zuvor abgelehnt. Allein der Wirtschaftsweise Achim Truger spricht sich im fünfköpfigen Sachverständigenrat für das Konzept aus: „Es ist weitgehender Konsens, dass es strategisch wichtige Branchen und Unternehmen gibt, die man im Inland oder in der EU halten möchte“, so seine Begründung Die Stellungnahme Trugers gilt indes in Fachkreisen als wenig überraschend, da dieser von den Gewerkschaften in das Gremium berufen worden ist und die Gewerkschaften sich zuvor für die Einführung eines Industriestrompreises ausgesprochen hatten.

Der Rat der Sachverständigen zur Begutachtung der wirtschaftlichen Lage, auch Wirtschaftsweise genannt, ist das höchste und renommierteste Gremium, das die Bundesregierung in allen wesentlichen volkswirtschaftlichen Fragen berät. Das Gremium wurde 1963 von dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard nach dem amerikanischen Vorbild des Council of Economic Advisors, das den amerikanischen Präsidenten berät, gebildet.

Mit der ablehnenden Stellungnahme von vier der fünf Wirtschaftsweisen haben die Pläne Habecks zur Einführung eines Industriestrompreises nun einen herben Dämpfer erhalten, aber auch in der Ampelregierung selbst hat sich Widerstand formiert. Denn inzwischen stößt das Vorhaben auf die entschiedene Ablehnung der FDP. Zum einen, weil die Liberalen mit der Einführung eines subventionierten Preises den Eintritt in einen neuen Subventionswettlauf befürchten, zum anderen aber stößt es bei ihnen auf, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vermeintliche Wohltaten in Form neuer Subventionen in Aussicht stellt, der Bundesfinanzminister aber zusehen darf, wie er diese finanzieren soll.

Zweideutig ist die Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser Frage. Als Gastredner sagte er auf dem Wirtschaftsrat der CDU, dass er sich zwar einen Industriestrompreis – ähnlich wie Habeck auch – als eine Übergangslösung vorstellen könne. Sogleich warnte der Bundeskanzler aber, dass die Energiewirtschaft kein Dauersubventionsfall für die Bundesrepublik Deutschland werden könne: „Das kann in keinem Land gutgehen, und das würde auch bei uns nicht funktionieren.“ Seine Regierung verfolge das Ziel, dass „wir ausreichend Strom-Produktionskapazitäten für unser Land haben, die aber dann eben subventionsfrei billig sein müssen“.

Und so könnte Bundeswirtschaftsminister Habeck nun auch mit der Einführung eines Industriestrompreises auf erhebliche Widerstände in weiten Teilen der mittelständischen Wirtschaft, der Wissenschaft und nun auch innerhalb der Ampel-Regierung stoßen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nvidia-Aktie mit Rekordhoch: Geht die Aufwärtsrally weiter?
27.06.2025

Trotz Handelskrieg und wachsender Konkurrenz feiert die Nvidia-Aktie ein Rekordhoch nach dem anderen. Experten sprechen von einer...

DWN
Politik
Politik Bas überzeugt, Klingbeil verliert Ansehen: SPD-Parteitag bestimmt neues Führungsduo
27.06.2025

Auf dem SPD-Parteitag wurde nicht nur gewählt, sondern auch abgerechnet. Während Bärbel Bas glänzt, kämpft Lars Klingbeil mit einem...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Neobroker Trade Republic: Wie ein Berliner Fintech den Kapitalmarkt für alle geöffnet hat
27.06.2025

Büroräume in Berlin-Kreuzberg, drei Gründer mit einer Vision und eine App, die Europas Sparer an die Börse gebracht hat: Trade Republic...

DWN
Politik
Politik Bundestag stellt Weichen neu: Familiennachzug vorerst gestoppt
27.06.2025

Der Bundestag hat den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte gestoppt – ein umstrittener Schritt in der deutschen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Occidental Petroleum-Aktie: Warren Buffett setzt auf US-Ölgiganten – Risiko oder Chance?
27.06.2025

Warren Buffett stockt seine Beteiligung an der Occidental Petroleum-Aktie weiter auf – während grüne Fonds schließen. DWN zeigt, was...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn 2026: Anstieg bis 2027 auf 14,60 Euro geplant
27.06.2025

Der Mindestlohn in Deutschland soll in zwei Schritten weiter steigen – doch der Weg dorthin war steinig. Arbeitgeber, Gewerkschaften und...

DWN
Politik
Politik Bundeskabinett: Bauturbo, Bahnflächen, Mietpreisbremse und was sonst noch kommt
27.06.2025

Im Juni 2025 hat sich das Bundeskabinett getroffen, um Parameter für die kommende Legislaturperiode festzulegen – ganz sportlich einen...

DWN
Politik
Politik Von der Leyens Plan: EU will neuen globalen Handelsblock ohne die USA gründen
27.06.2025

Die EU will ein globales Handelsbündnis ohne die USA aufbauen – mitten im eskalierenden Konflikt mit Donald Trump. Bringt von der Leyens...