Deutschland

Biontech muss sich erstem Impfschaden-Prozess stellen

Die Klägerin will nachweisen, dass der Corona-Impfstoff Comirnaty von Biontech im Vergleich zum möglichen Nutzen einen unverhältnismäßig großen Schaden verursacht.
11.06.2023 14:35
Aktualisiert: 11.06.2023 14:35
Lesezeit: 2 min
Biontech muss sich erstem Impfschaden-Prozess stellen
Biontech muss sich in Hamburg einem Prozess gegen seinen Impfstoff Corminaty stellen. (Foto: dpa) Foto: Michael Matthey

Das Biotechunternehmen Biontech muss sich am Montag in Hamburg dem ersten Zivilprozess wegen möglicher Schäden durch seinen Corona-Impfstoff Comirnaty stellen. Eine Klägerin fordere wegen eines mutmaßlichen Impfschadens ein Schmerzensgeld von mindestens 150.000 Euro, teilte das Landgericht Hamburg mit. Die Frau, die nicht namentlich genannt werden möchte, leide nach eigenen Angaben seit der Covid-19-Impfung unter anderem an Schmerzen im Oberkörper, Schwellungen der Extremitäten sowie Erschöpfung, Müdigkeit und Schlafstörungen.

Biontech weist die Vorwürfe zurück. "Wir haben die von der Klägerin dargestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf der Grundlage aller zur Verfügung gestellten Informationen sorgfältig geprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klage unbegründet ist", erklärte das Mainzer Unternehmen.

In den kommenden Wochen und Monate stehen in Deutschland potenziell Hunderte solche Klagen gegen verschiedene Impfstoffhersteller an. Zu den Beklagten gehören neben Biontech auch Hersteller wie Moderna. Bisher seien von seiner Kanzlei in 250 Fällen Klagen vor Gericht eingereicht worden, sagte der Anwalt der Klägerin, Tobias Ulbrich, von der Kanzlei Rogert & Ulbrich. Die Anwaltskanzlei Cäsar-Preller vertritt nach eigenen Angaben 100 ähnliche Fälle. Damit sei der Großteil der Kläger in diesem Themenkomplex durch einer der beiden Kanzleien vertreten, teilten die beiden Kanzleien mit.

In Deutschland sind Hersteller von Medikamenten oder Impfstoffen laut Gesetz dann für Nebenwirkungen schadensersatzpflichtig, wenn wissenschaftlich belegt wird, dass die entsprechende Produkte im Vergleich zu ihrem Nutzen einen unverhältnismäßig großen Schaden verursachen. Genau dies solle vor Gericht dargestellt werden, sagte Ulbrich.

Konkret wolle er die Einschätzung der deutschen Behörden und der Europäischen Union (EU) anfechten, dass die Biontech-Impfung ein positives Nutzen-Risiko-Profil aufweise. Zu diesem Zweck sollten Gutachten vorgelegt werden, die die lebensrettende Wirkung sowie die positive Sicherheitsbeurteilung der Impfkampagne in Zweifel ziehen. Mit einer Entscheidung in der kommenden Woche rechne er nicht, sagte Ulbrich. Zweck der mündlichen Anhörung sei unter anderem die Erörterung der Rechtslage.

Biontech erklärte, bei den bisher durch das Unternehmen geprüften Fällen gehe es um gesundheitliche Beeinträchtigungen, bei denen es sich entweder um bekannte in den Fach- und Gebrauchsinformationen angegebene mögliche Nebenwirkungen handelt – vornehmlich temporäre Impfreaktionen wie Kopfschmerzen oder Fieber. Oder es handele sich um gesundheitliche Beeinträchtigungen, für die nach dem Stand der Wissenschaft und im Austausch mit den zuständigen Behörden bis dato kein impfstoffassoziierter Zusammenhang festgestellt wurde.

UNKLAR, OB BIONTECH BEI VERURTEILUNG FINANZIELL HAFTEN MUSS

Selbst wenn Biontech vor Gericht verliert, könnte der Konzern Schadenersatzzahlungen wohl vermeiden. So sollen Impfstoffhersteller mehreren Insidern zufolge zu Beginn der Pandemie mit der EU vereinbart haben, dass die EU-Staaten und nicht sie für die finanzielle Entschädigung bei möglichen Nebenwirkungen aufkommen. Auch Biontech und Pfizer, die bei der Herstellung des Comirnaty-Impfstoffs außerhalb Chinas zusammenarbeiten, gehören den Insidern zufolge zu diesen Firmen. Unklar bleibt, ob die anhängigen Kosten vollständig oder teilweise übernommen werden sollen.

Nach einer Comirnaty-Impfung bestehe vor allem bei jungen Männern ein sehr seltenes Risiko von Herzmuskelentzündungen (Myokarditis) und Herzbeutelentzündungen (Perikarditis), hatte die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) festgestellt. Der Nutzen aller von ihr zugelassenen Corona-Impfstoffe, zu denen auch das Biontech-Pfizer-Präparat gehört, bekräftigte die EMA. So seien im ersten Jahr der Pandemie schätzungsweise fast 20 Millionen Menschenleben weltweit durch Corona-Impfstoffe gerettet worden. (Reuters)

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Was sind alternative Investments? Whisky, Windpark, Private Equity – wie Sie abseits der Börse Rendite machen
16.05.2025

Alternative Investments gelten als Baustein für resiliente Portfolios. Doch was genau verbirgt sich hinter dieser Anlageklasse? Warum sie...

DWN
Politik
Politik Dobrindt: Grenzkontrollen markieren den Beginn eines Kurswechsels
16.05.2025

Innenminister Dobrindt setzt auf strengere Maßnahmen und schärfere Grenzkontrollen – ein klarer Kurswechsel in der Migrationspolitik....

DWN
Politik
Politik Grüne kritisieren Wadephuls Aussage zu Verteidigungsausgaben als "naiv"
16.05.2025

Verteidigungsausgaben sollen auf fünf Prozent steigen – ein Vorschlag, der Deutschland spaltet. Doch wie realistisch ist dieses Ziel?...

DWN
Politik
Politik Merz warnt vor Wiederbelebung von Nordstream 2 – Geheimgespräche zwischen USA und Russland
16.05.2025

Geheimgespräche zwischen Washington und Moskau über Nordstream 2 alarmieren Berlin. CDU-Chef Friedrich Merz warnt vor einer...

DWN
Politik
Politik Fünf Prozent für Verteidigung: Welche Kosten kämen auf Deutschland zu?
16.05.2025

Die Debatte um höhere Verteidigungsausgaben nimmt Fahrt auf: Fünf Prozent des BIP stehen im Raum. Doch was würde das konkret für...

DWN
Politik
Politik Russland-Ukraine-Friedensverhandlungen: Was kann in Istanbul erreicht werden?
16.05.2025

Russland und Ukraine starten in Istanbul neue Friedensverhandlungen – doch wie realistisch sind Fortschritte? Welche Rolle spielen...

DWN
Politik
Politik Die Macht der Herausforderung: Putin hat gekniffen
16.05.2025

Man möchte den wenigstens etwas ernstzunehmenden Menschen sehen, der geglaubt hat, Wladimir Putin würde die Herausforderung des...

DWN
Unternehmen
Unternehmen DAX-Konzerne verzeichnen deutlichen Rückgang bei Gewinnen
16.05.2025

Geringere Gewinne, schrumpfende Belegschaften und globale Unsicherheiten: Deutschlands DAX-Konzerne stehen unter Druck. Doch wie...