In Ostdeutschland wurden nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) im vergangenen Jahr rund 294 000 E-Autos gebaut. Das war etwa jedes zweite in Deutschland produzierte reine E-Auto - obwohl in Ostdeutschland nur rund zehn Prozent der Beschäftigten der deutschen Automobilindustrie arbeiten. "Die neuen Bundesländer sind mit Blick auf die Transformation Spitzenreiter", sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller der Deutschen Presse-Agentur am Rande eines Unternehmenstreffens auf Schloss Molsdorf bei Erfurt.
"Aufgrund des starken Hochlaufs der Elektromobilität kann man davon ausgehen, dass dieses Jahr die Produktion von E-Fahrzeugen in den neuen Bundesländern überdurchschnittlich wachsen wird", so Müller. Trotzdem sei die Situation für viele Unternehmen der Branche, vor allem die Zulieferer, herausfordernd. Besonders der hohe Strompreis sei eine Belastung. "Die Stromsteuer muss endlich auf den europäischen Mindestsatz abgesenkt werden, die Konzessionsabgaben sollten gänzlich entfallen", forderte die VDA-Präsidentin.
Ostdeutschland sei nicht nur Produktionsstandort, es gehe auch darum, über Forschung und Entwicklung Trends mitzubestimmen. Für die automobile Forschung und Entwicklung in Ostdeutschland hätten die jährlichen Aufwendungen zuletzt rund 200 Millionen Euro betragen. Müller: "Damit werden zehn Prozent der F&E-Aufwendungen der ostdeutschen Industrie von der Automobilindustrie getätigt."
Müller sagte, dass die vielfach mittelständisch geprägten ostdeutschen Zulieferfirmen, von denen allein in Thüringen viele auf Zulieferteile für Verbrennungsmotoren spezialisiert sind, "wahrscheinlich vor ihrer bisher größten unternehmerischen Herausforderung" stünden. Viele müssten ein neues Geschäftsmodell entwickeln, während sie noch Komponenten für Verbrennungsmotoren bauten. "Diese Anstrengungen der Unternehmen muss die Politik besser als bisher unterstützen, sie muss die richtigen Rahmenbedingungen schaffen", so Müller.
Nach VDA-Angaben wurden im vergangenen Jahr in Ostdeutschland insgesamt 552 000 Autos produziert - ein Anteil von 16 Prozent an der deutschen Gesamtproduktion. Mehr als 75 000 Menschen arbeiteten dort in der Automobilindustrie. Dazu kämen viele Beschäftigte in anderen Wirtschaftszweigen, deren Arbeitsplatz mit dem Auto zusammenhänge. Vor zehn Jahren habe die Beschäftigtenzahl in der Ost-Autoindustrie noch bei rund 55 000 gelegen.
Den Jahresumsatz der Branche in den fünf ostdeutschen Bundesländern (ohne Berlin) bezifferte der Verband auf rund 31,0 Milliarden Euro. Das sei ein Umsatzanteil von sechs Prozent der deutschen Automobilindustrie und 14 Prozent am Gesamtumsatz der ostdeutschen Industrie.
Vor allem in Sachsen und Brandenburg bauen verschiedene große Hersteller Elektroautos. Auch das Opel-Werk im thüringischen Eisenach soll nach Angaben des Mutterkonzerns Stellantis als Standort für die Fertigung von E-Autos stärker profiliert werden. (dpa-AFX)