Angesichts der jüngsten US-Konjunkturdaten und der Erwartung, dass sich der weltweite Zinserhöhungszyklus seinem Ende nähert, haben sich die Rezessionsängste verflüchtigt. Starke Aktien- und Rohstoffmärkte bestätigen die verbesserte wirtschaftliche Stimmung. Vor diesem Hintergrund erwies sich die Fed-Pressekonferenz vom vergangenen Mittwoch als eine der ruhigsten seit langem, mit nur minimalen Marktreaktionen. Nachdem die US-Notenbank angekündigt hatte, dass sie die Zinssätze im Juli wahrscheinlich wieder anheben würde – dank eben jener soliden wirtschaftlichen Erholung und einer weiterhin zu hohen zugrunde liegenden Inflation – setzten die Entscheidungsträger dies mit einem Viertelpunkt-Schritt um. Damit liegt der US-Leitzins mit nun 5,5% so hoch, wie seit 22-Jahren nicht mehr.
Märkte sehen Ende des US-Straffungszyklus erreicht
Dies war die elfte Zinserhöhung seit März letzten Jahres und eine einstimmige Entscheidung des Gremiums, nach einer vorangegangenen Pause im Vormonat. Für die Zukunft ließ Fed-Chef Jerome Powell die Möglichkeit weiterer Erhöhungen zwar offen und betonte abermals, dass der weitere Weg von den eingehenden Wirtschaftsdaten abhängig sein würde. Die offizielle Erklärung im Verlauf der auf die Zinssatzentscheidung folgenden Presseerklärung blieb jedoch praktisch identisch mit der vorherigen vom Juni. Auch am vergangenen Mittwoch fehlten, wie so oft bei Jerome Powell, die ganz klaren Worte. Was er für den Rest des Jahres erwarte, sagt er nicht, Zinssenkungen jedoch schloss er jedoch im Wesentlichen aus. Eine aggressivere Haltung der Fed war nicht zu erkennen, womit die Prognosen wieder an der ursprünglichen Hochzinserwartung sowie dem dazugehörigen Zeitplan angelangt sind. Und so spekulieren die Marktteilnehmer bereits darauf, dass die Fed das Ende ihres 16-monatigen geldpolitischen Straffungszyklus erreicht hat und reduzieren die Wetten auf weitere Erhöhungen in diesem Jahr. Entscheidend werden die kommenden Datenpunkte. Bis zum nächsten Treffen Mitte September werden beispielsweise Verbraucherpreis- und Arbeitsmarktdaten aus zwei Monaten zu bewerten sein und Aufschluss darüber geben, ob die im Juni verzeichnete Verbesserung der Inflation nur ein einmaliges Ereignis war.
Der September wird umso lebhafter, da es sich, wie im Juni, um eine der Sitzungen handelt, bei denen die Entscheidungsträger ihre Leitzins- und Wirtschaftsprognosen aktualisieren müssen. Diese gehen aktuell davon aus, dass die Inflation voraussichtlich erst etwa im Jahr 2025 die 2%-Marke erreichen wird. Darüber hinaus deuten derzeit die Prognosen der einzelnen Fed-Beamten nicht mehr auf eine bevorstehende Rezession hin. Zinssenkungen sieht der Markt momentan ab März 2024, und Fed-Chef Powell bestätigte, dass die Fed bereits mit Zinssenkungen beginnen könnte, bevor die Inflation das angepeilte Ziel von 2% erreicht hat. Die Reaktionen der Märkte auf Powells Pressekonferenz waren gemischt. Die Anleiherenditen fielen leicht, und die Aktienmärkte erholten sich vorübergehend, schlossen aber schließlich leicht im Minus. Das Fed-Watch-Tool der US-Terminbörse CME stuft die Wahrscheinlichkeit einer im September unveränderten Haltung der Fed auf 80% und die Aussichten auf eine Anhebung um 25 Basispunkte auf 20% ein.
Bank of Japan schockt die Märkte
Im fernen Asien verblüffte die BOJ die Märkte, indem sie ihren Griff auf die Anleiherenditen lockerte. Sie behielt das Ziel für die 10-jährigen Renditen bei etwa 0%, sagte aber, dass die Obergrenze von 0,5% nun ein Referenzpunkt sei und keine starre Grenze mehr. Dies kommt faktisch einer sehr überraschenden – und zudem umfassenden - Zinserhöhung gleich, nach der vorangegangenen Niedrigzinsära. Die Japanische Notenbank wird die Kurve "flexibel steuern“ was in der Praxis bedeutet, dass sie nun Renditen von bis zu 1% tolerieren wird, das Doppelte der bisherigen Grenze. Dies war ein drastischer Schritt, den niemand kommen sah. Als Reaktion darauf – es handelte sich zunächst immerhin lediglich um einen Artikel des Mediendienstes „The Nikkei“, noch dazu ohne Quellenangabe – wurden die Tagesgewinne an den US-Aktienmärkten wieder weitgehend zunichte gemacht, die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen stieg wieder auf über 4%, ein Niveau, das sie erst Anfang Juli durchbrochen hatte, der Dollar verlor an Wert (vs. JPY), Euro und Britisches Pfund brachen ihrerseits ein (gegenüber USD und YPY) ein und insbesondere der Edelmetallsektor kam unter die Räder. Dass ein Artikel ohne Quellenangabe, in dem lediglich angedeutet wurde, dass der BOJ-Vorstand eine Politik erörtern würde, die ohnehin auf seiner Tagesordnung stehen sollte, eine solche Wirkung haben konnte, zeigt, dass die Angst vor höheren Zinsen nach wie vor groß ist.
Korrekturpotenzial im Rohstoffsektor
Der Rohstoffsektor konnte sich mittlerweile, über die breiten Indizes betrachtet, aus seiner dreimonatigen Bodenbildungsphase deutlich nach oben absetzten. Allerdings zeigt die erwähnte Episode aus Japan, wie bedrohlich die Märkte das Zinsthema empfinden. Die Fed ist weiterhin auf Preissteigerungssignale fixiert, und wenn das Wachstum stark genug bleibt, dürfte sie auch einen zusätzlichen Schritt unternehmen, um sicherzustellen, dass die Inflation endlich nachhaltig abgewürgt wird. Dadurch bliebe der Dollar der attraktivste und renditestärkste Standort für globale Fonds, und dies könnte in Verbindung mit mittlerweile überkauften Preisen im Agrarsektor, bei Rohöl, Benzin und verschiedenen Softcommodities zu einer Korrektur führen, insbesondere wenn die globale Einschätzung der chinesischen Erholung negativ bleibt. Ebenso wie die Aktienmärkte, die sehr früh eine robuste US-Wirtschaft und das Ende der Zinserhöhungsserie erkannt haben, dürfte auch der sehr dollar- und anleiherenditesensible Rohstoffsektor zügig von einem Meinungsumschwung getroffen werden, bei dem dann nicht mehr die Mehrheit mit einer Pause der Fed auf ihrer nächsten Sitzung rechnet, sondern dieses Pendel in die andere Richtung ausschlägt.