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Fondsrating: Stiftung Warentest mit fragwürdigen Tipps

Lesezeit: 6 min
06.10.2023 16:52  Aktualisiert: 06.10.2023 16:52
Stiftung Warentest empfiehlt nicht bloß passive ETFs, sondern auch aktive Fonds. Experten halten das für fragwürdig.
Fondsrating: Stiftung Warentest mit fragwürdigen Tipps
Stiftung Warentest bewertet aktive Fonds mit bis zu fünf Sternen. (Foto: iStock.com/marchmeena29)
Foto: marchmeena29

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Laut einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2018 kennen 96 Prozent der Deutschen die Stiftung Warentest. 80 Prozent haben starkes oder sehr starkes Vertrauen in die Produkttester.

Der Einfluss der Stiftung dürfte enorm sein. Etwa hat die Finanzzeitschrift Finanztest eine Auflage von über 200.000 Exemplaren. Eine Heftausgabe erreichte im Jahr 2022 knapp 1,3 Millionen Leser, wie Stiftung Warentest im Jahresbericht unter Berufung auf eine Allensbach-Umfrage erklärt.

Doch an den Fondsempfehlungen von Finanztest entzündet sich Kritik. Die Redakteure empfehlen nicht bloß passive ETFs, sondern auch aktive Fonds. Diese sind wesentlich teurer als ETFs und über 80 Prozent rentieren langfristig schlechter.

Finanztest schreibt in der Juni-Ausgabe zwar, ETFs seien „ideal“ als Basisanlagen und „1. Wahl“. Aber gleichzeitig stellen die Redakteure höhere Renditen mit aktiven Fonds in Aussicht, wenn die Leser den Finanztest-Empfehlungen folgen.

„Traumrenditen“ seien mit aktiven Fonds möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich, schreiben die Redakteure. „Wenn Sie das Maximum herausholen wollen, sind die Fünf-Punkte-Fonds aus unserem Dauertest für Sie die passende Wahl. Eine Erfolgsgarantie, dass diese besser laufen als der breite Markt, gibt es allerdings nicht.“

Finanzprofessoren üben Kritik

Grundlage der Empfehlungen ist ein Fondstest, der die Vergangenheitsperformance der aktiven Fonds untersucht und je nach Wertentwicklung und Kursschwankung bis zu fünf Sterne vergibt.

Experten sehen das Fondsrating kritisch. Etwa hält der Kapitalmarktforscher Hartmut Walz die Fondsempfehlungen nicht durch die Wissenschaft gedeckt. Aus der vergangenen Kursentwicklung lasse sich nicht auf die Zukunft schließen, schreibt der Professor auf DWN-Anfrage. „Gleich mehrere Nobelpreisträger (insbesondere Fama und Sharpe) sowie andere renommierte Kapitalmarktforscher haben durchgängig das Gegenteil bewiesen. Vergangenheitsperformance ist absolut sinnlos und hat keinerlei Vorhersagekraft.“

Olaf Stotz von der Frankfurt School of Finance & Management hält es für vernünftig und durch wissenschaftliche Studien begründbar, in ETFs zu investieren. Einen einzelnen aktiven Fonds zu empfehlen sei aber „weniger wissenschaftlich gestützt“, erklärt der Professor für Asset Management und Pension Economics. Etwa hätten die Finanzökonomen Fama und French im Aufsatz „Luck versus Skill“ aus dem Jahr 2010 berichtet, dass es zwar überdurchschnittlich gute Fondsmanager in einem Zeitraum gebe, aber sich die Outperformance hauptsächlich auf den Zufall zurückführen lasse.

Im Voraus einen Top-Fonds zu identifizieren sei daher „sehr schwierig“. „Das ist ähnlich wie bei Roulettespielern: Da gibt es zwar auch Gewinner, aber diese gewinnen aufgrund des Zufalls und sind vorab kaum zu bestimmen“, erklärt Stotz.

Stotz bemängelt vor allem eine Empfehlung aus der Juni-Ausgabe. In dieser vergibt Finanztest die Top-Note von fünf Sternen an einen einzigen Fonds, der den MSCI World seit der Auflage im Jahr 2015 deutlich outperformt hat. Stotz vermutet hinter der starken Wertentwicklung eher Zufall denn Können des Fondsmanagers.

„Sieht man sich die Performance seit Auflage an, dann ist die Outperformance zwar noch da, aber nicht mehr so ausgeprägt“, erklärt er. „Zudem hat sich die Outperformance in einem relativ kurzen Zeitraum aufgebaut, was die These von Fama und French ,Outperformance ist meist das Ergebnis von Zufall’ unterstützt.“

Was sagt Stiftung Warentest dazu?

Stiftung Warentest erklärt auf Anfrage, man empfehle zuallererst markttypische ETFs. Das seien entweder klassische marktbreite oder nachhaltige marktähnliche ETFs. Diese seien mit dem Prädikat „1. Wahl“ ausgezeichnet und seien dauerhaft gut.

„Für Anleger, die unbedingt auf aktiv gemanagte Fonds setzen wollen, beispielsweise weil sie in der Beratung ihrer Filialbank bleiben möchten, empfehlen wir als zweitbeste Option stabile, aktiv gemanagte Fonds“, schreibt die Stiftung. „Diese Fonds kommen den marktbreiten ETF noch am nächsten, sind meistens aber allein schon wegen ihrer höheren Kosten langfristig nicht so gut wie diese.“

Finanztest begründet die Empfehlungen in der Juni-Ausgabe zudem mit einem Backtest. Demnach hätten Fünf-Punkte-Fonds in den vergangenen zehn Jahren passive Welt-ETFs deutlich geschlagen. Die Outperformance lag bei 1,4 Prozentpunkten pro Jahr (11,7 versus 10,3 Prozent pro Jahr). Allerdings handelt es sich um im Nachhinein ausgewählte Fonds und nicht um die tatsächlich ausgesprochenen Empfehlungen der vergangenen zehn Jahre. Stiftung Warentest veränderte nach eigenen Angaben das Auswahlverfahren erst im Juni und zuvor im Jahr 2019.

Die Produkttester schlagen dann auf Basis des Backtests eine sogenannte Fünf-Punkte-Strategie vor. Erfahrene Anleger sollen mehrere Fünf-Punkte-Fonds kaufen oder einen einzigen Fünf-Punkte-Fonds einem ETF-Portfolio beimischen. Sobald Finanztest die Bestnote zurückziehe, sollen die Verbraucher den jeweiligen Fonds wieder verkaufen.

Olaf Stotz sieht aber auch diesen Ratschlag kritisch. Die Fünf-Punkte-Strategie dürfte zu häufigem Kaufen und Verkaufen von Fondsanteilen führen, erklärt er. Das verursache höhere Transaktionskosten und sei steuerlich nicht optimal.

Wer ETFs sehr lange halte, der spare Transaktionskosten und profitiere von einem Steuerstundungseffekt. „In der Praxis dürfte aus dem Plus von 1,4 Prozentpunkten pro Jahr schnell eine deutlich kleinere, sehr wahrscheinlich auch eine negative Zahl werden“, schätzt er.

Stiftung Warentest gibt denn auch in der Juni-Ausgabe zu, dass die Überrendite von 1,4 Prozentpunkten mit Vorsicht zu genießen sei. Anleger sollten beachten, dass die Fünf-Punkte-Strategie häufiges Umschichten erfordere, schreiben die Redakteure. „Werden dabei hohe Handelskosten fällig, ist der Renditevorsprung schnell weg.“

„Irreführung der Verbraucher“

Die Kritik an dem Fondstest ist nicht neu: Der Honorarberater Michael Ritzau übte schon im Jahr 2016 in seinem Buch „Die große Fondslüge“ scharfe Kritik. Er sieht in dem Fondstest eine „Irreführung der Verbraucher“, wie er gegenüber DWN erklärt. „Die Empfehlungen widersprechen den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Finanzwissenschaft und führen die Finanztest-Leser weg von einer evidenzbasierten Anlagestrategie.“

Stiftung Warentest habe die Testmethodik seit Erscheinen seines Buches weiter verfeinert und sei dabei immer mehr vom rechten Weg abgekommen, anstatt das Fondsrating nach Vergangenheitsperformance ganz einzustellen.

Ritzau interviewte im Rahmen seines Buches auch die Nobelpreisträger Eugene Fama und William Sharpe, die sich ablehnend über Fondsratings äußerten. Sharpe erachte es gegenüber Ritzau sogar als „sehr deprimierend“, dass eine von der Regierung geförderte Verbraucherorganisation Monat für Monat Listen mit den bestperformenden aktiven Fonds veröffentlicht.

Stiftung Warentest erklärte auf DWN-Anfrage, man sehe Ritzaus Buch „kritisch“. Viele der Aussagen seien nicht haltbar, schreibt die Stiftung, ohne weitere Details zu nennen. Den Fondstest habe man im Jahr 2019 und zuletzt im Juni auf Basis der Ergebnisse des Backtests überarbeitet. Unter anderem habe man die Kriterien für fünf Punkte verschärft. „Rückwirkend würden nach der neuen Ratingmethode weniger Fonds fünf Punkte erhalten als in der Vergangenheit veröffentlicht.“

Die Fondsbewertung beruhe hauptsächlich auf Modifikationen des in der Fachliteratur bekannten Chance-Risiko-Maßes Omega. Dieses berücksichtige asymmetrische Chance- und Risikomaße, sogenannte partielle Momente. Der wissenschaftliche Ansatz sei in einem Fachbeirat bestehend aus Vertretern aktiver Fonds, ETF, Verbraucherschützern und Finanzwissenschaftlern diskutiert und bestätigt worden.

Olaf Stotz erklärt hierzu, Omega sei „ein nicht so gängiges Performancemaß“, das er als Ergänzung möglicherweise heranziehen würde. In der Regel seien aber Maße wie Sharpe Ratio, Information Ratio und risikoadjustiertes Alpha ausreichend.

Stiftung Warentest vermarktet die Fondsbewertungen

Manche Nachfragen lässt Stiftung Warentest unbeantwortet. Etwa fragte DWN nach einer Mitgliederliste und Tätigkeitsberichten des Fachbeirats. Auch die Einnahmen aus dem Fondstest und die Zahl der Zugriffe wollte die teils steuerfinanzierte Stiftung nicht beziffern.

Stiftung Warentest vermarktet die Fondsbewertungen kostenpflichtig an Endverbraucher und Kapitalverwaltungsgesellschaften. Letztere können über Logolizenzverträge ein Siegel nutzen. Das komme aber so gut wie nie vor, erklärt Stiftung Warentest. „In diesem Jahr zum Beispiel kein einziges Mal.“

Verbraucher können die Bewertungen über die Online-Datenbank Fondsfinder und über die Printausgabe von Finanztest einsehen. Die Zahl der Verbraucher, die den Fondstest kostenpflichtig nutzen, lässt sich laut Stiftung Warentest nicht beziffern. Kostenpflichtige Zugriffe auf test.de erfolgten nicht nur per Einzelabruf, sondern auch über eine Flatrate, die auch andere Inhalte der Internetseite test.de zugänglich mache. Nachfragen zur Höhe der Einnahmen im Fondsfinder über Einzelabrufe und zur Zahl der Zugriffe auf die Fondsbewertungen hinter der Paywall lässt Stiftung Warentest unbeantwortet.

Hintergrund ist, dass Stiftung Warentest zu einem kleinen Teil steuerfinanziert ist. 1,5 Prozent der Gesamteinnahmen waren im Jahr 2022 Staatszuschüsse (knapp eine Million Euro). Das ist deutlich weniger als in früheren Jahren, weil der Bund das Stiftungskapital auf insgesamt 180 Millionen Euro aufgestockt hat. Im Jahr 2009 beschloss der Bund, das Stiftungskapital um 50 Millionen Euro zu erhöhen, und im Jahr 2016 um weitere 100 Millionen Euro.

Finanztest ist neben der Zeitschrift Test das Flaggschiff der Stiftung Warentest. Das Finanzmedium steht laut dem Jahresbericht 2022 für knapp ein Viertel der Einnahmen von 57 Millionen Euro. In einer Antwort erklärt die Stiftung, der Fondstest sei „stark nachgefragt“ und der Fondsfinder sei bei Flatrate-Kunden „sehr beliebt“. Um den sehr aufwendigen Fondstest zu finanzieren, sei der Test auf test.de kostenpflichtig. Das garantiere die Werbefreiheit und Unabhängigkeit der Stiftung Warentest.

Können lässt sich kaum von Glück unterscheiden

Kritische Vermögensberater warnen vor Performance Chasing, also dem Kaufen von Fonds, die in der Vergangenheit besonders gut gelaufen sind. Solches Anlageverhalten sei renditeschädlich, erklären sie. Aktienmarktrenditen würden um den historischen Mittelwert schwanken. Nach guten Börsenjahren kämen eher wieder schwache Jahre.

Die meisten aktiven Fonds schaffen es langfristig nicht, nach Abzug der Kosten einen Vergleichsindex oder einen passiven ETF zu schlagen. Etwa sind auf 15-Jahressicht bloß knapp 20 Prozent der aktiven Fonds besser als ein passiver ETF, wie aus dem Aktiv-Passiv-Barometer der Ratingagentur Morningstar hervorgeht, die knapp 30.000 Fonds untersucht hat.

Selbst die wenigen Outperformer schlagen den Index meist nicht dauerhaft nach Abzug der Kosten. Das geht aus der Spiva-Studie des Indexanbieters S&P hervor. Demnach war kein einziger der Aktienfonds mit Anlagefokus Europa oder USA, der in der jeweiligen Regionenkategorie zu den besten 25 Prozent der Performer im Jahr 2020 gehörte, in den nächsten beiden Jahren ebenfalls im obersten Viertel.

Über einen Fünf-Jahreszeitraum sei es über alle Fondskategorien „nahezu unmöglich“, einen beständigen Outperformer zu finden. Von den 1102 aktiven Fonds, die im Kalenderjahr 2018 outperformten, waren demnach bloß zwei in jedem der nachfolgenden vier Kalenderjahre bis Ende 2022 erneut unter den besten 25 Prozent.

Zudem braucht es laut wahrscheinlichkeitstheoretischen Berechnungen sehr lange, um einen Fondsmanager mit Können zu identifizieren. US-Forscher berechneten in einer Studie, dass fünf oder zehn Jahre Vergangenheitsperformance in der Regel nicht ausreichen.

Demnach sind 38 Jahre nötig, um mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit einen Fondsmanager mit Können unter 20 untalentierten Fondsmanagern zu erkennen (54 Jahre mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit). Dabei nahmen die Autoren an, dass der Fondsmanager mit Können eine sehr hohe und stetige Outperformance erzielt (3 Prozent pro Jahr bei einem Tracking Error von 3 Prozent).

Dennoch liegt die Wahrscheinlichkeit, dass der talentierte Fondsmanager alle 20 Kollegen innerhalb der ersten fünf Jahre schlägt, bei gerade einmal 14,8 Prozent (35,5 Prozent in den ersten zehn Jahren). Viel wahrscheinlicher sei es, dass ein untalentierter Manager durch Glück eine höhere Überrendite erziele, berichten die Forscher.

                                                                            ***

Elias Huber arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und schreibt vor allem über Konjunktur, Edelmetalle und ETFs sowie die ökonomische Lehre der Österreichischen Schule. 

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

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