Politik
Anzeige

Der Atom-Ausstieg – ein „deutscher Brexit“

Der Ausstieg aus der Atomkraft stellt eine tiefe Zäsur für Deutschland dar, sagt die Technik-Historikerin Anna Veronika Wendland im Interview. Noch viel schwerer als die Folgen für die Energieversorgung wiege die sozialpsychologische Bedeutung dieses „deutschen Brexit“.
26.11.2023 11:24
Lesezeit: 2 min
Der Atom-Ausstieg – ein „deutscher Brexit“
Wie hoch ist die Möglichkeit, dass uns ein „Fukushima der Erneuerbaren“ bevorsteht. (Foto: dpa) Foto: Frank Rumpenhorst

Die Geschichte hier ist faszinierend: Auf dem Papier sieht es so aus, als ob der Ersatz der Kernkraft durch erneuerbare Energien der richtige Schritt wäre. Doch wenn wir die Funktionalität des Stromnetzes betrachten, wird klar, dass es hier Probleme geben könnte.

Aus Sicht der Technik-Historikerin Anna Veronika Wendland ist der Ausstieg aus der Atom-Energie eine tiefe Zäsur - nicht nur, weil eine umweltfreundliche Technologie (Kernkraft) durch fossile Brennstoffe (Gas) ersetzt werden muss. Das Ganze wird noch komplizierter, wenn man bedenkt, dass Deutschland immer noch stark auf Kohlekraft angewiesen ist, besonders in den winterlichen Monaten.

Anna Veronika Wendland: Das bedeutet, dass wir derzeit de facto eine „Fossilisierung“ der deutschen Energieversorgung erleben. Passt das zu den erklärten Zielen der Bundesregierung? Das tut es definitiv nicht. Man kann der aktuellen Bundesregierung allenfalls zugutehalten, dass sie selbst nur für sechs dieser abgeschalteten Kernkraftwerke zuständig war, die sie aber auch alle vom Netz genommen hat.

Im Endeffekt gehören die Parteien, die jetzt die Regierung bilden, ja zu jener Koalition, die Anfang der Nullerjahre die Energiewende aufgegleist hat. Da der Atomausstieg aber der Kern der Energiewende war, da sie diesen erfunden und da sie ihn auch vollendet haben, sind sie aus meiner Sicht vollumfänglich verantwortlich für den Ausstieg.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welches ist der zweite Grund, warum der Atom-Ausstieg eine Zäsur für Deutschland darstellt?

Anna Veronika Wendland: Die zweite Zäsur ist eine soziale beziehungsweise kulturelle. Es ist eine Zäsur, die vielen Menschen überhaupt nicht bewusst ist. Als Technik-Historikerin erkenne ich sie, weil ich in dieser Funktion von einer höheren Warte auf das Geschehen blicke.

Die Zäsur, von der ich spreche, ist die Tatsache, dass es in der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt, einem Hochindustrieland, gelingt, mithilfe einer Angstkampagne eine Hochtechnologie zu liquidieren.

Ein gegenaufklärerisches Projekt

Und das ist für meine Begriffe beinahe noch die schlimmere Zäsur. Das ist ein im Kern gegenaufklärerisches Projekt, das also mit Angstpolitik und auch mit massiver Faktenverdrehung operiert hat, das erfolgreich ist und es schafft, eine ganze Industrie zur Strecke zu bringen. Wichtig bleibt festzuhalten: Es reicht nicht nur, den Leuten Angst zu machen, sondern man muss ihnen vorgaukeln, dass man über eine viel bessere Alternative verfüge, nämlich die Erneuerbaren. Und genau dieses Narrativ bricht gerade vor unseren Augen zusammen.

Wenn man sich also dann so festgelegt hat und dann die Brücken hinter sich verbrennt – und das hat man mit dem Atomausstieg getan – dann sitzt man irgendwann in der Falle. Und genau in dieser Situation befinden wir uns jetzt und es ist nicht von Ungefähr, dass Herrn Habeck jetzt die Muffe geht.


DWN
Finanzen
Finanzen Der S&P 500 steigt, doch Experten raten zum Verkauf - Ein Systemwechsel steht bevor
15.04.2025

Wall-Street-Legenden wie Steve Eisman, Bill Ackman und Ray Dalio schlagen Alarm: Der S&P 500 steigt – doch Experten raten zum Ausstieg....

DWN
Politik
Politik Koalitionsvertrag: Abstimmung in der SPD entscheidet über künftige Regierungsbildung
15.04.2025

Die SPD-Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag mit der Union ist angelaufen. Pünktlich um 8.00 Uhr wurde die Online-Plattform...

DWN
Finanzen
Finanzen BRICS will weltweite Zahlungsrevolution: Alternative zu SWIFT kommt
15.04.2025

Multipolare Weltordnung: Die BRICS-Länder sind weiter auf dem Weg zu einem unabhängigen Finanzsystem, das mit dem westlichen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Handelskrieg mit den USA: China zeigt sich unbeugsam – Experten warnen vor globaler Eskalation
15.04.2025

Während der Westen zunehmend unter den Folgen der globalen wirtschaftlichen Spannungen leidet, sendet China ein unmissverständliches...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kartellprozess gegen Meta: Facebook, Instagram und Whatsapp: Wird Zuckerbergs Imperium zerschlagen?
14.04.2025

Am Montag begann der aufsehenerregende Prozess gegen den Facebook-Mutterkonzern wegen des Kaufs von Instagram und WhatsApp vor mehr als...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzwelle bei Pflegeheimen: 1264 Pflegeeinrichtungen insolvent oder geschlossen
14.04.2025

Nach ausbleibender Pflegereform: In Deutschland geraten immer mehr Pflegeheime und -dienste in finanzielle Not. Und das Heimsterben geht...

DWN
Politik
Politik Nach Sumy-Angriff: Liefert Merz Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine? EU begrüßt Offenheit von Merz
14.04.2025

In der Opposition war Merz offen für eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Als voraussichtlicher Kanzler ist er das...

DWN
Politik
Politik Koalitionsvertrag mit Finanzierungsvorbehalt: Wackelt die Zustimmung der SPD-Mitglieder zu Schwarz-Rot?
14.04.2025

Dabei geht es um die Frage, wie fest die im Koalitionsvertrag genannten Vorhaben wirklich vereinbart sind. So steht in dem Dokument: „Wir...