Für Mercedes-Benz könnte es am Ende des Jahres empfindlich teuer werden. Beziffert wird der zu erwartende Schaden auf fünf bis sieben Milliarden Euro. Der Verkauf des GLC, die meistverkaufte Baureihe von Mercedes, ist bereits um 17 Prozent eingebrochen. Ein Lieferengpass bei 48-Volt-Batterien für die GLC und E-Klasse ist schuld daran. Die Batterien kommen von Bosch, produziert werden sie in Eisenach, doch dort gibt es Schwierigkeiten bei der Entwicklung der Akkus.
Immer wieder führt das Thema Lieferkettenschwierigkeiten dazu, dass zwei von fünf Unternehmen bereits ihre Lagerhaltung erhöhen, laut einem Bericht der DIHK. Insgesamt gaben 56 Prozent der befragten Unternehmen an, 2023 eine Zunahme von Hemmnissen bisher bei ihren internationalen Geschäften zu spüren. Insbesondere die bis Jahresende andauernde Null-Covid-Politik Chinas wurde zur Herausforderung bei den globalen Lieferketten. Aufgrund der blockierenden Haltung Chinas konnten viele Lieferteile oder Komponenten gar nicht oder nur mit großer Verzögerung geliefert werden. Dies hat dazu geführt, dass insbesondere in der Automobilindustrie, die für ihre „Just-in-time“ -Produktion bekannt ist, eine Tendenz zu regionalen Akquisitionen im EU- und US-Raum erkennbar wurden.
Lokale Zertifizierungs- und Sicherheitsanforderungen werden zur Herausforderung
Weiterhin gehören lokale Zertifizierungs- und Sicherheitsanforderungen zu den zentralen Handelshemmnissen, die bereits in den Vorjahren den Unternehmen zu schaffen machten. So müssen bspw. seit dem 1. Januar 2022 Hersteller von Lebensmitteln, die ihre Ware nach China verkaufen, beim chinesischen Zoll registriert sein. Das gilt auch für Firmen, die diese Waren verarbeiten oder lagern. Allein ein 11-seitiges chinesisches Dokument regelt, für welche Waren bei der Einfuhr in die VR China Lizenzen erforderlich sind. Die Liste ist lang und betrifft unter anderem Elektrotechnik, Baumaschinen, Erzeugnisse des Maschinenbaus, Hebe- und Transportgeräte, Anlagen zur Papierherstellung, Elektrotechnik, Landwirtschaftliche Maschinen, Druckmaschinen, Maschinen zur Bearbeitung von Leder und Textilien, Schiffe, Tonerkartuschen und Röntgengeräte.
China rangiert nach Russland und Großbritannien auf Platz drei bei den Nennungen der Länder, bei der Zunahme der Handelshemmnisse. Vor allem Local-Content-Vorschriften und Vorgaben zum Technologietransfer erschweren die Geschäftsbeziehungen zwischen chinesischen und deutschen Unternehmen. Daher planen bereits viele deutsche Unternehmen ein weiteres Standbein außerhalb Chinas aufzubauen.
Auch die indische Regierung hatte jüngst Einfuhrbeschränkungen für Laptops, Tablets und PCs verhängt, um die inländische Produktion anzukurbeln und die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten zu verringern. Doch die
Zusatzanforderungen und Beschränkungen bei der Einfuhr von Produkten, die über internationale Standards hinausgehen, benachteiligen ausländische Unternehmen. Beinahe jedes zweite der betroffenen Unternehmen (47 Prozent) benennt lokale Zertifizierungsanforderungen als zentrale Barriere in seinem internationalen Geschäft, welches zudem die Kosten und Bürokratie erhöhe.
Die Auswirkungen sind gravierend. Die Automobilzulieferindustrie, eines der stärksten Industriezweige Deutschlands, zeigte sich 2022 als Schlusslicht beim Umsatzwachstum und Profitabilität. Insbesondere deutsche Zulieferer wachsen langsamer als die ausländische Konkurrenz. Vor allem asiatische Zulieferer haben an Weltmarktanteilen hinzugewonnen, wie zwei (neue südkoreanische Batteriehersteller, die bereits unter den Top 30 zu finden sind. Ein chinesischer Batteriehersteller befindet sich bereits unter den Top 10. Und sie haben noch größeres vor. So plant der koreanische Batterie-Hersteller Samsung SDI im Jahr 2027 mit dem kommerziellen Verkauf von Festkörper-Batterien zu starten. Mit diesem Batterietyp wird der Ladeprozess verkürzt und gleichzeitig die Reichweite erhöht. Die Kundenliste ist bereits gut gefüllt.
Doch auch die Geschäftsbeziehungen in Ost- und Südosteuropa außerhalb der EU sind getrübt. In der Türkei haben 17 Prozent der befragten Unternehmen eine Zunahme an Handelshemmnissen insbesondere beim Thema Anti-Dumping-Zölle seitens der Türkei auf Textileinfuhren aus Drittstaaten registriert. Auch die USA bereitet deutschen Unternehmen Schwierigkeiten. Hier sind es vor allem die Local-Content-Vorschriften des sogenannten Inflation Reduction Act (IRA), die zum Teil gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) verstoßen, außerdem die „Buy-American-Klauseln“, die amerikanische Unternehmen bevorzugen. Es geht um Protektionismus, der mehr und mehr zunimmt. Das rund 400 Milliarden Dollar schwere IRA-Vorhaben der USA führe zu "Wettbewerbsverzerrungen", so Kritiker. Denn, so die Vorwürfe, nur ein kleiner Teil des IRA-Volumens würde zur Reduktion der Inflation eingesetzt werden. Der Großteil entfiele auf Subventionen an Privatleute und Unternehmen in Form von Zuschüssen und Steuervorteilen. Steuererleichterungen gibt es beispielsweise, wenn amerikanische Unternehmen einen Anteil von Stahl, Eisen oder anderen Vorprodukten aus den USA beziehen.
Dennoch bewerten die deutschen befragten Unternehmen ihre derzeitige Geschäftssituation in der Eurozone und den USA noch am besten. Die Vereinigten Staaten gewinnen trotz der Hemmnisse weiterhin an Bedeutung für Investitionen der deutschen Unternehmen und bleiben ein wichtiger Absatzmarkt.
Anpassungsfähigkeit der Unternehmen und Reformen sind gefragt
Die geopolitischen Herausforderungen stellen das Auslandsgeschäft von deutschen Unternehmen mehr und mehr auf den Prüfstand. Eine gute Strategie, die richtigen Entscheidungen sowie mehr Flexibilität sind mehr denn je gefordert. Mehr als jedes zweite befragte Unternehmen plant die Erschließung neuer Märkte, gesucht werden dabei insbesondere neue Absatzmärkte für Dienstleistungen und Produkte. Die Erhöhung der Lagerhaltung ist wieder mehr in den Fokus der Unternehmen gerückt, um Störungen in internationalen Lieferketten länger vorbeugen zu können. Die hohen Energiekosten im Land führen bei einigen Unternehmen zu der Überlegung, die Produktion ins Ausland zu verlagern, um die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte gewährleisten zu können. Auch über eine Rückverlagerung von Produktion aus dem Ausland ziehen Unternehmen in Erwägung, um Lieferanten näher an Produktionsstätten oder Absatzmärkten zu haben. Mittelfristig sehen deutsche Unternehmen eine Zunahme in der Bedeutung der Eurozone für ihre Geschäfte, neben dem weiteren EU-Binnenmarkt oder Länder wie die Schweiz und Norwegen. Die große Mehrheit der befragten Unternehmen (70 Prozent) wünscht sich einen stärkeren Einsatz der Politik beim Abbau von Handelshemmnissen. Eine offene EU-Handelspolitik, die souveräne EU-Interessen vertritt ist für die deutsche Wirtschaft zum Beispiel von großer Bedeutung. Volker Treier, DIHK-Außenwirtschaftschef, hat zum Jahresbericht über die Freihandelsabkommen der EU deutliche Forderungen gestellt: Europäische Unternehmen sollten im Ausland dieselben Zugänge haben wie ausländische Unternehmen hierzulande. In der anstehenden EU-Zollreform sieht er eine große Chance, um kleinen und mittelständischen Unternehmen die Geschäfte zu erleichtern.