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Wie China von westlichen Halbleitersubventionen profitiert

Lesezeit: 3 min
19.01.2024 16:34  Aktualisiert: 19.01.2024 16:34
Europa muss sich im globalen Wettbewerb behaupten, sowohl volkswirtschaftlich als auch politisch und militärisch. Was das konkret bedeutet und welche zentrale Rolle dabei die Halbleiterindustrie spielt, erfahren Sie im Folgenden.

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Wenn es 2024 überhaupt eine Sicherheit gibt, dann die, dass die geopolitischen Rivalitäten weitergehen. Für die Europäische Union bedeutet das, dass sie sich um Unabhängigkeit von ausländischen Lieferanten bemühen muss – insbesondere bei Waren ist das von entscheidender Bedeutung. Und die Vereinigten Staaten werden sich darauf konzentrieren, ihre militärische Vorherrschaft zu sichern, indem sie möglichen Gegnern – insbesondere China – den Zugang zu relevanten Technologien verwehren. Beide Ansätze überschneiden sich in einem wichtigen Bereich: der Halbleiterindustrie.

Da fortschrittliche Halbleiter oder Mikrochips für viele hochwertige Waffensysteme entscheidend sind und Wohlstand sowie wirtschaftliche Sicherheit garantieren, ist der Sektor heute zu einem Hauptschauplatz des geopolitischen Wettbewerbs geworden. Um ihre Chancen im „Chipkrieg“ zu verbessern, haben alle wichtigen Wirtschaftsmächte große Programme zur Unterstützung ihrer eigenen Halbleiterindustrien beschlossen.

Die USA haben 2022 den CHIPS and Science Act verabschiedet. Im Rahmen dieses Gesetzes stellt das Handelsministerium 50 Milliarden Dollar an Direktfinanzierungen, Staatskrediten und Kreditgarantien bereit, um die Erforschung und Herstellung von Halbleitern zu unterstützen sowie die Arbeitskräfte in diesem Sektor fortzubilden.

Die EU, deren Anteil an der globalen Halbleiterproduktion rückläufig ist, hat das Europäische Chip-Gesetz verabschiedet, mit dem Milliarden von Euro mobilisiert werden sollen, um die „Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz“ bei Halbleitertechnologien und -anwendungen zu fördern. Da der EU-Haushalt wenig Spielraum bietet, hat die Europäische Kommission auch ihre Staatshilferegeln gelockert und damit einigen großen Ländern wie Frankreich und insbesondere Deutschland ermöglicht, enorme Subventionen – insgesamt 20 Milliarden Euro – für den Bau von Halbleiterfabriken zu versprechen. Im Verhältnis zum BIP sind die deutschen Subventionen damit sogar höher als die der USA.

In Asien wiederum haben Japan und Südkorea Multi-Milliarden-Dollar-Pläne zur Unterstützung ihrer Halbleiterindustrie vorgestellt. Und China schnürt, um nicht abgehängt zu werden, ein massives Unterstützungspaket für seine Chipindustrie, das Berichten zufolge über 140 Milliarden Dollar umfassen soll.

Ein gemeinsames Element all dieser Pläne ist, dass die größten Summen für den Bau so genannter „Fabs“ eingesetzt werden sollen – Fabriken, in denen die Chips hergestellt werden. Dies ist sehr kurzsichtig. Da die Fabriken sehr spezielle Ausrüstung und eine absolut saubere Atmosphäre benötigen, sind sie extrem teuer. Dabei sind sie nur die am stärksten sichtbare Stufe eines mehrstufigen Herstellungsprozesses, der an vielen Orten stattfindet.

Dieser Prozess beginnt mit Silizium, das gereinigt, in Scheiben geschnitten und poliert wird, bis es extrem glatt ist. Die Scheiben werden dann mit einer dünnen Lage Halbleitermaterial beschichtet, bevor daraus in den Fabriken mit hochspezialisierten Maschinen komplexe Schaltkreismuster geätzt werden. So können über eine Milliarde Datenverarbeitungselemente integriert werden, mit denen die Chips dann funktionieren.

Die größten und saubersten der „Fabs“ befinden sich derzeit in Asien, die fortschrittlichsten Maschinen (beispielsweise für die Ätztechnik) werden in Europa hergestellt, und die beste Software (für die Organisation der Muster auf den Chips) kommt aus den USA. Um bei Halbleitern wirklich autark zu werden, müsste einer dieser Standorte alle Stufen des Herstellungsprozesses auf sich vereinen.

Dies ist einfacher gesagt als getan. Dass die Chips – gemäß Moores Gesetz – immer kleiner und schneller werden, spiegelt das hochspezialisierte Wissen einer begrenzten Anzahl von Firmen wider, die zur Herstellung der modernsten Halbleiter die wichtigsten Komponenten beitragen. Dieses Wissen ist so umfangreich, spezifisch und komplex, dass die Technologien hinter der Chipherstellung nicht so einfach importiert oder kopiert werden können. In der dazu nötigen Zeit hätte die Technologie fast sicher bereits Fortschritte gemacht, weswegen die Kopierer immer eine Generation im Rückstand wären.

Dies erklärt, warum China im Chipbereich bislang nicht wettbewerbsfähig werden konnte, obwohl das Land den Sektor bereits mit Milliarden subventioniert hat. Durch die 2015 vorgestellte „Made in China“-Strategie sollte eigentlich gewährleistet werden, dass bis 2025 70% des chinesischen Halbleiterbedarfs im Inland hergestellt wird. Aber ein Jahr vor diesem Termin ist die inländische Produktion immer noch sehr begrenzt.

Stattdessen ist China mit über 400 Milliarden Dollar jährlich der weltweit größte Importeur integrierter Schaltkreise – mehr als die Rohölimporte des Landes. Die EU hingegen importiert lediglich Chips im Wert von 50 Milliarden Euro pro Jahr – ähnlich viel wie die USA.

Dies deutet auf eine grundlegende Asymmetrie hin: Ohne ausländische Halbleiter wäre die chinesische Wirtschaft nicht lebensfähig, während die USA und die EU nur in Sektoren Probleme bekämen, die auf ältere, in China produzierte Chips angewiesen sind. Außerdem stellt China die meisten hochwertigen Maschinen zur Chipproduktion nicht selbst her, während die EU so viele dieser Maschinen exportiert, dass der Erlös alle Halbleiterimporte aufwiegt.

Daraus können zwei Schlussfolgerungen gezogen werden: Erstens konnte China zwar in weniger spezialisierten, älteren Sektoren wie der Elektromobilität dominant werden, aber eine sofortige chinesische Übernahme der Halbleiterindustrie ist nicht zu befürchten. Und zweitens verstärkt ein unkoordinierter Subventionswettlauf die Konkurrenz zwischen unterschiedlichen westlichen Lieferanten, und wenn all diese subventionierten Fabriken mit der Produktion beginnen, werden die Preise für Halbleiter wahrscheinlich sinken.

Als bislang mit Abstand größter Chipimporteur würde China von einer solchen Entwicklung am stärksten profitieren. Sinken die Halbleiterpreise um 20%, muss das Reich der Mitte jährlich 80 Milliarden Dollar weniger für seine Importe ausgeben. Da ein großer Teil der von China importierten Chips als Vorprodukte für den Export elektronischer Güter (wie Smartphones) verwendet werden, bedeutet die Subventionierung der Halbleiterherstellung in den USA, der EU und anderswo eine implizite Unterstützung chinesischer Exporte, die mit westlichem Geld bezahlt wird.

Der unkoordinierte Subventionswettlauf im Westen ist nicht nötig. Und darüber hinaus ist er kontraproduktiv, da er letztlich hauptsächlich China zugute kommt.

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Daniel Gros ist Direktor des europapolitischen Instituts der Università Commerciale Luigi Bocconi.


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