Technologie

Entspannt in japanischen Zügen durch deutsche Mittelgebirge gleiten?

Lesezeit: 3 min
25.01.2024 12:00
Die Bahn muss dringend aufrüsten und will in den nächsten Jahren ihre Eisenbahnen verjüngen und aufstocken. Unter FDP-Verkehrsminister Volker Wissing soll endlich wieder investiert werden, nicht mehr auf Verschleiß gefahren werden. Der „ICE der Zukunft“ kommt ab dem Jahr 2025 Das eröffnet jetzt auch der Wirtschaft neue Chancen. Wer baut die neuen ICE-Züge?
Entspannt in japanischen Zügen durch deutsche Mittelgebirge gleiten?
In Italien hat Hitachi bereits mit dem „Blues Train" Fuß gefasst. Jetzt hoffen die Japaner auf Markteintritt in Deutschland - in Baden-Württemberg womöglich zuerst. (Foto: Hitachi Rail)

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Die Deutsche Bahn (DB) macht mobil. „Bei der Beschaffung der zukünftigen Zuggeneration geht die Bahn neue Wege“, bestätigte ein Bahnsprecher den Deutschen Wirtschaftsnachrichten. Die neuen ICE 5 sollen mindestens 300 Kilometer schnell fahren können - auf den dafür ausgelegten Strecken. Die Passagiere dürfen hoffen, künftig sogar stufenlos ein- und aussteigen zu können mit ihrem Gepäck. Die Bahn will ihr schlechtes Image abschütteln.

Passagiere hoffen inständig auf bessere Zeiten und moderne Technik

Der Streik der Lokführer Anfang des Jahres führt den Passagieren derzeit mal wieder vor Augen, was eigentlich alles am Bahnfahren in Deutschland nervt. Warum haben wir keine pünktlichen Züge wie in der Schweiz? Weshalb gibt es nur in tschechischen Zügen leckeres Essen im Speisewagen und nicht einfach nur Conveniende-Food aus dem Beutel? Vor allem denkt man bereits mit Bangen an den nächsten Sommer, wenn sicherlich wieder bei über 35 Grad die Air-Condition in den Waggons ausfällt und die technischen Mängel der abgerockten alten Züge der Deutschen Bahn offenkundig werden.

Schöne neue Eisenbahn. Mitte Dezember hat die DB angekündigt, 95 neue Züge anzuschaffen. In einer ersten Trance sollen 33 Fahrzeuge bestellt werden, jeweils 400 Meter lang mit 940 Sitzplätzen. Die Auftragsvergabe erfolgt nach Angaben der Bahn im Frühjahr 2025, um sukzessive die alten ICE1 und ICE 3 auszumustern. Wobei die Bahn diesmal nicht mehr allein auf die Erfahrungen der bisherigen Hersteller setzt, sondern sich bei der Entwicklung von vornherein mit einschaltet und Bedingungen formuliert - und zwar „herstellerneutral", wie es in den Erklärungen der DB heißt. Das lässt aufhorchen!

Bahn will 2025 neue ICE bestellen und schreibt herstellerneutral aus

In diesem Jahr geht es der Bahn darum, zunächst einmal um ihr Konzept und präzises Anforderungsprofil. Dass hat sie zwar mit Siemens und der französischen Alstom Transport Deutschland entwickelt - aus ganz pragmatischen Erwägungen. Eine Vorfestlegung ist dies freilich nicht, wird seitens der Bahn beteuert. „Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse nutzt die Bahn für die jetzt gestartete Ausschreibung, indem sie ambitionierte, aber gleichzeitig erfüllbare Anforderungen herstellerneutral an die neue Zug-Generation formuliert“, heißt es auf eine aktuelle Anfrage der DWN.

Wer also könnte bei den anstehenden Ausschreibungen den Zuschlag erhalten? Welche Hersteller dürfen die neuen Züge bauen? Der deutsche Platzhirsch Siemens bekommt dabei nun erstmals so richtig den weltweiten Wettbewerb zu spüren. Auch Hitachi, die den legendären japanischen Schnellzug Shinkansen bauen, hofft in den deutschen Markt einzudringen.

Unter Pufferküssern, wie Bahn-Fans liebevoll genannt werden, genießt das japanische Unternehmen einen legendären Ruf: Hitachis markanter pfeilschneller Shinkansen gilt ihnen als Hightech pur und Garant der Zuverlässigkeit. Als Konzern für Elektrotechnik vor 100 Jahren gegründet, hat sich das Unternehmen in Tokio zu einem der größten Mischkonzerne in Fernost entwickelt - mittlerweile weltweit 360.000 Mitarbeiter produzieren nicht nur Schnellzüge, sondern wie die Siemens AG auch Kernkraftwerke.

Die Bahn flirtet schon länger mit dem Shinkansen-Hersteller aus Tokio

In der Vergangenheit scheiterte der Versuch der Japaner in Europa Fuß zu fassen, bereits an den Zulassungsbedingungen. Diese hat die EU mit der European Train Agency inzwischen vereinheitlicht. Der Markt steht offen. Skoda aus Tschechien oder die spanische Talgo haben dies schon unter Beweise stellen können. Talgo liefert neuerdings sogar gerade die neuen ICE-L aus - erstmals anstelle von Siemens. Und auch Hitachi verweist mit Stolz darauf, gleichfalls von der Bahn als Zulieferer in Deutschland auditiert worden zu sein.

„Deutschland hat in den nächsten Jahren für uns absolute Priorität“, sagt Luca D’Aquila, bei Hitachi Rail für die Fahrzeugsparte verantwortlich. Vor einigen Tagen hat die italienische Tochter von Hitachi erste Dokumente für zwei Ausschreibungen für Regionalzüge in Baden-Württemberg und Bayern eingereicht. Erstmals versucht das Unternehmen damit um milliardenschwere Aufträge in Deutschland mitzubieten.

Auf der weltgrößten Schienenverkehrsmesse Innotrans in Berlin sind die Japaner längst keine Exoten mehr. In Italien und Spanien haben sie bereits mit dem „Blues Train“ eines der fortschrittlichsten Züge der Welt im Einsatz. Es handelt sich um hochmoderne Batterie-Hybrid-Züge mit sowohl Elektro-, Batterie und Dieselantrieb (Tri-Mode), die sich besonders für nicht elektrifizierte Abschnitte im Süden des Trenitalia-Netzes oder den Weiten Spaniens einsetzen lassen und dabei den Treibstoff und CO2-Ausstoß um gut die Hälfte reduzieren helfen.

Mit dem „Blues-Train“ ist Hitachi bereits in Italien unterwegs

Die Hoffnung, künftig auch die neuen ICE fertigen zu können, wird von der Europa-Zentrale zwar nicht weiter kommentiert. Unternehmenssprecher Ed Brown gibt sich lieber bedeckt und lässt seine Pressemitteilungen für ihn sprechen.

Dass die Bahn nicht abgeneigt wäre, mit Hitachi zusammenarbeiten, deutet sich freilich länger an. Seit 2015 flirten die Bahn bereits mit den Japanern, damals waren die Bahn-Manager vollkommen frustriert über die vielen technischen Pannen der etablierten ICE-Flotte. Zehn Jahre später hat Hitachi Europa, inzwischen mit Sitz in Großbritannien, die Vorbereitung und Marktanalyse abgeschlossen. Unlängst wurden erst 1000 Mitarbeiter vom französischen Konkurrenz-Betrieb Thales übernommen und im Bereich der Signaltechnik ins Unternehmen integriert hat. Wie Siemens und Alstom, neben Stadler aus der Schweiz, die großen europäischen Wettbewerber, bietet nun auch Hitachi sowohl Infrastruktur als auch die Zug-Fertigung an.

Damit soll der Markteintritt in Deutschland endlich gelingen. Die geplagten Passagiere im Lande würden Innovationen und Behaglichkeit bei ihrer Zugfahrt wahrscheinlich begrüßen.

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Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.


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