Politik

Nach Abfuhr für Wilders: Wie geht es weiter und was heißt das für Deutschland?

Der Rechtspopulist Geert Wilders hat eine Abfuhr erhalten, seine Koalitionsverhandlungen sind gescheitert. Ist eine Wilders-Regierung damit völlig ausgeschlossen? Und ist ein “Nexit” dennoch denkbar? 
Autor
08.02.2024 13:11
Lesezeit: 3 min
Nach Abfuhr für Wilders: Wie geht es weiter und was heißt das für Deutschland?
Rechtspopulist Geert Wilders, Vorsitzender von "Partij voor de Vrijheid", ist mit den Koalitionsverhandlungen gescheitert. (Foto: dpa) Foto: Koen Van Weel

Die Wahl der Partij voor de Vrijheid (PVV) unter Geert Wilders wurde im November 2023 zur stärksten im niederländischen Parlament gewählt, das ist bekannt. Die weitreichenden Implikationen für Europa und insbesondere für Deutschland standen dagegen bisher kaum im Fokus.

Wilders rechtspopulistische Partei erhielt 23,5 Prozent der Stimmen und zog mit 37 Sitzen in das niederländische Parlament ein. Die Koalitionsbildung gestaltet sich schwierig, und es bleibt ungewiss, ob Wilders eine regierungsfähige Mehrheit erreichen kann. Gespräche mit Mark Ruttes Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD), dem Nieuwe Sociale Verbond (NSC) und der BoerBurgerBeweging (BBB) dauerten zwei Monate – und sind letztlich gescheitert​​. Was bedeutet das jetzt?

Nexit: Folgen für Deutschland und die EU

Der „Nexit“, also der Austritt der Niederlande aus der EU, war ein zentrales Thema in Wilders' Wahlkampf. Würde er Realität, würde mit den Niederlanden einer der Nettozahler in der Europäischen Union wegbrechen. Laut Berechnungen des IW Köln gehörte das Land mit einem Haushaltssaldo von 3,2 Milliarden Euro zu den größten Einzahlern in den EU-Haushalt.

Doch ein Nexit hätte noch weitere Folgen: Die Handelsbeschränkungen, die zwischen dem dann Nicht-EU-Land Niederlande und den übrig gebliebenen EU-Staaten herrschen würden, würden die Wirtschaft auf beiden Seiten belasten – vergleichbar mit den Handelsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit. Die Warenimporte und -exporte gingen laut Statistischem Bundesamt zwischen 2015, dem Jahr vor dem Austrittsreferendum, und 2022 von rund 130 Milliarden Euro auf weniger als 110 Milliarden Euro – ein Rückgang von mehr als 15 Prozent.

Doch angesichts der aktuellen Entwicklungen scheint ein Nexit für Wilders kaum umsetzbar. Die Realisierung eines solchen Vorhabens wäre komplex. Ein entsprechender Antrag müsste zunächst eine Mehrheit im Parlament finden, was angesichts der fragmentierten politischen Landschaft eine Herausforderung darstellt. Selbst wenn ein solcher Antrag angenommen würde, müsste ein Referendum unter den niederländischen Bürgern durchgeführt werden. Angesichts der Tatsache, dass die Niederlande zu den Gründungsmitgliedern der EU gehören und die EU-Mitgliedschaft in der Bevölkerung breite Unterstützung genießt, erscheint ein Nexit derzeit als eher unwahrscheinlich.

Auch ohne Nexit: Deutsche Wirtschaft würde leiden

Eine Regierung unter Wilders könnte jedoch auch ohne Nexit Probleme für die deutsche Wirtschaft darstellen. Jüngere Beispiele in Europa zeigen, dass die Wahl rechtspopulistischer Parteien zu einer Verschlechterung von Handelsbeziehungen führen kann. In Italien beispielsweise führte der Aufstieg der Lega Nord und der Fünf-Sterne-Bewegung zu politischen Spannungen mit der EU, die sich negativ auf das Investitionsklima und die Handelsbeziehungen auswirkten. Ähnlich könnte eine von Wilders geführte Regierung durch ihre euroskeptische und protektionistische Haltung das Vertrauen in stabile Handelsbeziehungen untergraben.

Die Folgen für die deutschen Exporte könnten vielfältig sein. Die Niederlande sind ein wichtiger Abnehmer deutscher Produkte, insbesondere in den Bereichen Fahrzeugbau, chemische Industrie und Maschinenbau. Deutsche Unternehmen wie Volkswagen, BASF und Siemens haben erhebliche Exportvolumina in die Niederlande und könnten von Handelsbarrieren oder politischen Spannungen direkt betroffen sein. Darüber hinaus sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die auf den niederländischen Markt angewiesen sind, besonders anfällig für Veränderungen in der Handelspolitik.

Enge Zusammenarbeit gefährdet

Momentan arbeiten die Niederlande und Deutschland eng an gemeinsamen Projekten. So verfügen die beiden Länder bereits über drei gemeinsame Militärdivisionen und arbeiten zusammen verstärkt an Wasserstoffanlagen. Erst im vergangenen November besuchte König Willem-Alexander zu diesem Zweck das Ruhrgebiet. Es sind auch die geteilten Werte des Königreiches und der Bundesrepublik, die zu einer solch holistisch integrierten Wirtschaftsstruktur führen.

Während der Präsidentschaft von Donald Trump beklagten deutsche Politiker und Geschäftsleute einen deutlich distanzierteren Umgang zwischen Vertretern der USA und der Bundesrepublik. Es stellt sich also auch die Frage, ob eine von Wilders regierte Niederlande weiterhin mit deutschen Investoren und Betrieben auf der – wie bisher – außerordentlich freundschaftlichen und vertrauensvollen Ebene umgehen wird.

Die Auswirkungen der niederländischen Wahlen auf die deutsche Wirtschaft sind noch unklar, eine Regierung wird nach wie vor gesucht. Es bleibt abzuwarten, wie sich die politische Situation in den Niederlanden entwickelt und welche Auswirkungen dies auf die Handelsbeziehungen mit Deutschland haben wird. Die meisten Analysten erwarteten übrigens direkt nach der Wahl die Bildung einer Minderheitsregierung. Welche Parteien genau daran teilhaben werden und wann diese gebildet wird, bleibt ungewiss. Inmitten dieser Ungewissheit zeichnet sich jedoch eine Erkenntnis ab: Die politischen Wellen, die Wilders‘ Wahlerfolg geschlagen hat, könnten weit über die niederländischen Grenzen hinaus spürbar werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Russlands Desinformationskampagnen: Wie Europa gegen Putins Trolle kämpft
06.12.2025

Europe wird zunehmend Ziel digitaler Einflussoperationen, die gesellschaftliche Stabilität, politische Prozesse und wirtschaftliche...

DWN
Immobilien
Immobilien Baufinanzierung Zinsen: Entwicklung des Bauzinses 2025 - und wie es 2026 weitergeht
06.12.2025

Nachdem die Zinsen – darunter der Bauzins – in Deutschland seit 2019 eine gewisse Schieflage erreicht haben, scheint nun Ruhe...

DWN
Finanzen
Finanzen Marktausblick 2026: Internationale Aktien und Small-Cap-Aktien sind am besten positioniert
06.12.2025

KI treibt Teile der Weltwirtschaft nach vorn, während andere Branchen stolpern. Gleichzeitig locken Staaten mit neuen Ausgabenprogrammen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schiene unter Druck: Expertenrunde soll Bahnverkehr stabilisieren
06.12.2025

Wegen anhaltender Probleme im Zugverkehr arbeitet eine neue Taskforce an kurzfristigen Lösungen für mehr Pünktlichkeit und Stabilität...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Automobilindustrie erholt sich: Nachfrage kehrt zurück
06.12.2025

Die europäischen Neuzulassungen ziehen spürbar an und signalisieren eine langsame, aber stabile Erholung der Automobilindustrie. Doch...

DWN
Technologie
Technologie Bidirektionales Laden in Schweden: E-Autos und Solaranlagen bieten neue Energie für Haushalte
06.12.2025

In Schweden entwickelt sich eine neue Form der dezentralen Energieversorgung, bei der Haushalte Strom selbst erzeugen und intelligent...

DWN
Politik
Politik Benelux-Einigung: Wie ein radikaler Zusammenschluss Europa herausfordern würde
06.12.2025

Mitten in einer Phase wachsender geopolitischer Spannungen nehmen belgische Politiker eine Vision wieder auf, die lange undenkbar schien...

DWN
Politik
Politik Trumps US-Sicherheitsstrategie und die Folgen für Europa
05.12.2025

Donald Trumps neue US-Sicherheitsstrategie rückt Europa ins Zentrum – allerdings als Risiko. Das 33-seitige Papier attackiert...