DWN: Herr Pakleppa, nach den Konjunkturzahlen Ihres Verbandes wird sich der Nachfrageeinbruch in der Bauwirtschaft in diesem Jahr fortsetzen. 30.000 Beschäftigten droht der Verlust des Arbeitsplatzes. Gleichzeitig gibt es einen Fachkräftemangel im Hoch- und Tiefbau. Wie würden Sie den Zustand der Branche im Jahr 2024 beschreiben?
Felix Pakleppa: Der deutliche Nachfrageeinbruch im Wohnungsbau und die daraus resultierende Unterauslastung der Kapazitäten bleiben per Saldo auch für die Beschäftigung nicht ohne Folgen. Nach einem Jahrzehnt des Beschäftigungsaufbaus von plus 220.000 Beschäftigten auf 926.700 (2022), rechnen wir 2023 mit einem leichten Rückgang auf 920.000 Beschäftigte.
Für 2024 erwarten wir einem deutlichen Rückgang um 30.000 Beschäftigte, bei weiterem Abwärtspotenzial. Anders ist die Situation in den Ausbaubereichen und im Ingenieur- und Tiefbau, wo weiter Fachkräfte gesucht werden. Es ist ein echtes Dilemma: Das Bauhauptgewerbe bewegt sich zwischen Fachkräftesuche einerseits und drohender Kurzarbeit und Kündigungen andererseits. Dabei mangelt es nicht an Aufgaben, sondern an Aufträgen.
DWN: Im Jahr 2018 wollte die damalige Bundesregierung im Rahmen der sogenannten "Wohnraumoffensive" 400.000 Wohnungen pro Jahr bauen. Seitdem wurde das Ziel - wie von vielen Experten vorhergesagt - jedes Jahr verfehlt. Wie sieht Ihre Prognose für das laufende Jahr aus?
Felix Pakleppa: Der Giftmix aus stark gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten hat wie erwartet vor allem im Wohnungsbau seine Spuren hinterlassen. Für 2023 rechnen wir mit einer Fertigstellung von 271.000 Wohneinheiten (WE). In diesem Jahr werden sich die Zahlen deutlich verschlechtern. Wir erwarten nur noch die Fertigstellungen von 235.000 WE. Damit rückt das unstrittige Ziel der Ampel von 400.000 WE pro Jahr in weite Ferne.
DWN: Angesichts des prognostizierten Rückgangs der Baukonjunktur und des Umsatzrückgangs im Wohnungsbau: Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht unnötige Vorschriften, die die Bauwirtschaft belasten
Felix Pakleppa: Viele Vorschriften sind wahre Bürokratiemonster, die die Wirtschaft lähmen. Darunter leiden auch unsere Bauunternehmerinnen und Bauunternehmer tagtäglich. Von der Tachographenpflicht über diverse Dokumentations- und Informationspflichten bis hin zu 16 unterschiedlichen Landesbauordnungen - es muss hier endlich entrümpelt und harmonisiert werden! Gerade die Wohnungsbauunternehmen kämpfen derzeit um jeden Auftrag und haben keine Zeit für sinnlose Bürokratie. Daher unsere Empfehlung für das neue Jahr: Endlich Bürokratie abspecken!
DWN: Die ZDB-Herbstumfrage zeigt, dass fehlende Aufträge für viele Unternehmen das größte Hemmnis sind. Welche Veränderungen wären aus Ihrer Sicht notwendig, um die Auftragslage zu verbessern?
Felix Pakleppa: Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Es mangelt nicht an Aufgaben, es mangelt an Aufträgen – insbesondere im Wohnungsbau. Dass bei der Haushaltsplanung 2024 auf den letzten Metern noch zusätzlich Fördermittel offensichtlich für den Mehrfamilienhausbau eingestellt wurden, ist ein Lichtblick. Für potenzielle Eigenheimbauer, deren Umsatzanteil den Wohnungsneubau dominiert, bleiben die Impulse allerdings zu schwach.
DWN: Was fordern Sie vor diesem Hintergrund von der Ampelregierung?
Felix Pakleppa: Vor allem brauchen wir dringend eine temporäre Entlastung für den privaten Wohnungsbau. Hier sollte der Bund mit Förderkonzepten auf dem Niveau der Effizienzhausstufe 55 helfen. Die Länder bleiben gefordert, die Grunderwerbsteuer abzusenken. Nur wenn wir die Beschäftigten in der Branche halten können, werden wir perspektivisch die benötigten mindestens 400.000 Wohnungen pro Jahr auch bauen.
DWN: Wie bewerten Sie die vom Statistischen Bundesamt kürzlich veröffentlichten Baugenehmigungszahlen?
Felix Pakleppa: Die neuen Baugenehmigungszahlen läuten erneut keine Trendwende ein, auch wenn die Veränderungsraten zum Vorjahr nicht mehr so hoch ausfallen. Das Genehmigungsverlangen ist nach 18 Monaten im Rückgang auf einem sehr niedrigen Niveau angekommen. Von Januar bis November 2023 wurden 238.500 Wohnungen genehmigt. Das waren 83.200 Wohnungen weniger genehmigt als im Vorjahr. Bei den Mehrfamilienhäusern sank die Genehmigungsquote um 23,8 Prozent. Bei den Einfamilienhäusern waren es minus 38,6 Prozent. Die Trendwende fehlt nach wie vor und das bei größter Wohnungsnot in Deutschland.
DWN: Was heißt das für den Wohnungsbau?
Felix Pakleppa: Dass weiterhin die höchste Alarmstufe im Wohnungsbau gilt. Für die Wohnungsbauunternehmen wird es immer schwieriger, ihre Beschäftigten zu halten. Die Bundesregierung muss dem Wohnungsbau Priorität einräumen, um die Wohnungsnot in den Griff zu bekommen! Politisches Hick-Hack können wir uns in dieser Situation nicht mehr leisten. Handeln statt Reden muss die Devise im neuen Jahr lauten. Wir brauchen die degressive Afa und eine temporäre EH-55-Förderung im privaten Wohnungsbau.
DWN: Herr Pakleppa, vielen Dank für das Interview.
Zur Person: Felix Pakleppa, Jahrgang 1966, ist seit 2011 Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe e.V., des größten und ältesten Bauverbandes in Deutschland. Gleichzeitig ist er Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Bauwirtschaft und ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU). Darüber hinaus ist er Vorstandsmitglied des Vereins für die Präqualifikation in der Bauwirtschaft e.V. und des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses e.V. (DVA).