Politik

Präsidentschaftswahl USA: Wie Robert F. Kennedy das Rennen aufwirbelt

Es gibt bei der Präsidentschaftswahl in den USA am 5. November nicht nur Blau gegen Rot, Esel oder Elefanten, Demokraten gegen Republikaner. Joe Biden und Donald Trump treten zwar wohl tatsächlich wieder gegeneinander an. Doch es gibt immer wieder unabhängige Kandidaten, die mit ihren Anhängern das Gesamtergebnis auf den Kopf stellen können. Diesmal ist es der 70-jährige Robert F. Kennedy junior. Alle, die weder für Trump noch Biden stimmen wollen, haben plötzlich eine überraschende Alternative. Die Zustimmungswerte steigen.
10.06.2024 12:00
Lesezeit: 5 min
Präsidentschaftswahl USA: Wie Robert F. Kennedy das Rennen aufwirbelt
Der unabhängige Bewerber auf die Präsidentschaftskandidatur Robert F. Kennedy Jr. spricht während einer Wählerkundgebung. (Foto: dpa) Foto: Nasa

Können sie sich noch an den texanischen Öl-Milliardär Ross Perot erinnern? Er heimste 1992 so viele konservative Wählerstimmen ein, dass ziemlich überraschend Bill Clinton von den Demokraten gegen den amtierenden US-Präsidenten George Bush senior von den Republikanern gewann - Perot holte 18,86 Prozent der Wählerstimmen. Außergewöhnlich viel für einen störrischen „Maverick“, wie wild laufende Pferde in der texanischen Prärie genannt werden. Bei der Wahl 196 waren es erneut acht Prozent, für Perot, die gleichfalls wohl dem damals republikanischen Herausforderer Bob Dole fehlten und ihn den Sieg kosteten.

Auch Richard „Tricky Dick“ Nixon musste im Rennen gegen Hubert Humphrey 1968 mehr als 13 Prozent an einen dritten Kandidaten abgeben und wurde mit nicht mehr als einem Prozentpunkt Präsident. Der Grund war ein gewisser George Wallace, der als Independent gewissermaßen als Vertreter der Südstaaten agierte. Nominell ein Demokrat war er jedoch vehementer Verfechter der Rassentrennung.

Diesmal könnte es wieder eine faustdicke Überraschung geben. Denn der Neffe des legendären US-Präsidenten John F. Kennedy, der 1963 einem Attentat in Dallas/Texas zum Opfer fiel, und Sohn von dessen Bruder Bobby Kennedy (1968 in Los Angeles erschossen) ist so etwas wie ein „Household brand“, bei dem allein der Klang seines berühmten Namens zu Stimmen führen könnte.

Diesmal vermutlich schon deshalb, weil die Amerikaner zwar politisch uneins und häufig sogar zerstritten in Sachthemen sind. Gleichwohl neigen sie zur selben Meinung, dass Biden und Trump nicht nochmals antreten sollten. Es könnten letztlich dermaßen viele abweichende Stimmen ausgezählt werden, dass die Arithmetik in einigen der sogenannten Battleground-States wie Michigan oder Pennsylvania durcheinander gerät. Ein Upset ist denkbar!

Die Wahlen in den USA bleiben so trotz des schlichten Entweder oder der beiden Spitzenkandidaten wohl bis zum Schluss der Auszählung spannungsgeladen. Die Quoten von CNN, CNBC und Fox News werden durch die Decke gehen wie sonst nur beim Superbowl im American Football. Das Rennen ist offen.

Kennedy möchte sich als Versöhner in Szene setzen

Wer ist dieser Robert F. Kennedy, der sich als „Versöhner des Landes“ in Szene zu setzen versucht und als aufrechter Kämpfer für den Mittelstand des Landes kämpfen will. Gut ausgebildet und zahlungskräftig bilden sie das vernunftbegabte Amerika ab, das vom bereits voll entbrannten Wahlkampf zerrieben wird zwischen den beiden als extrem empfundenen Lagern. Sowohl von Trump Lügen haben die „Average Joes“ in den USA genauso die Nase voll wie von Bidens leichtfertiger Verschwendung von Steuergeldern. Und nun plötzlich eine Kennedy im Rennen.

Als Independent irritiert er das Land derzeit in vielerlei Hinsicht. Sein Geisteszustand wird hinterfragt, nachdem der überzeugte Impfgegner und Intimfeind des berühmten US-Immunologen Anthony Fauci einmal von sich selbst erzählt hatte, dass Maden sein Gehirn angeknabbert hätten.

Ihn für verrückt zu erklären, dafür reicht es freilich nicht. Kennedy ist beileibe kein Spinner, sondern ein veritabler Umweltanwalt und Buchautor - und er ist „no dummy“! Donald Trump, der stets einen guten Riecher für die Stimmungen im Lande hat, überlegte bereits, ihn als künftigen Vize-Präsident auf das republikanische Ticket zu setzen. Jetzt muss er ihn bekämpfen und einen unerwarteten Zwei-Fronten-Krieg führen - unklar, ob das wirklich für Donald Trump zum erhofften Selbstläufer wird.

Zur Erinnerung: Bei der letzten Wahl vor vier Jahren wurde die Wahl in nur drei Bundesstaaten mit einem Prozentpunkt mehr oder weniger zugunsten Bidens entschieden. Was die „Make America Great Again“-Repuplikaner vom rechten Flügel bis heute nicht wahrhaben wollen und deshalb auch versuchten, den US-Kongress im Januar 2021 zu stürmen.

Robert Kennedy war neun Jahre alt, als „JFK“ ermordet wurde und 14 Jahre als dann auch sein Vater zum Opfer eines Attentäters wurde. Nach langen Jahren und weiteren Unglücksfällen in der Familie Kennedy sieht es Kennedy junior nun als seine heilige Aufgabe an, das „Familienvermächtnis“ hochzuhalten und m Lande zur Versöhnung beizutragen. Er betont die moralischen Werte, für die Amerika einst auf der Welt eingestanden hätten. Er erinnert an Zeiten, als die Regierung die Verfassungstreue über alles stellten und gegen niemanden Zensur ausübten. Die guten alten Zeiten Amerikas sind noch sehr mit dem Namen Kennedy verknüpft, ein Schalter in den Köpfen, den er umlegen möchte.

Familie Kennedy nicht geschlossen in Unterstützung

In der Kennedy-Familie sind nicht alle überzeugt, ob er tatsächlich in einem der Kennedy-Anwesen in Bundesstaat Massachusetts irgendwo den „Kompass von JFK“ gefunden habe. Selbst seine Schwester Kerry betonte, dass „es nur zwei Kandidaten mit Chancen auf einen Sieg“ gebe. Sie spricht sich dezidiert für Joe Biden aus. Die Fantasie lässt sich freilich nicht zäumen.

Dass Kandidat Kennedy vor allem die Wiederwahl Bidens gefährdet, ist jedenfalls längst nicht ausgemacht. Zuletzt tauchte er immer wieder bei Fox News oder gar Tucker Carlson in dessen Talkshow auf und durfte sich als Impfgegner an die Zigtausenden Verschwörungstheoretikern im Lande wenden. Selbst die Sache mit der Mauer nach Mexiko versucht Kennedy zu seiner zu machen. Ganz klar, dass er versucht, im Lager der Trump-Anhänger zu wildern, jedoch inhaltlich im Gegensatz zu Trump für Kompromisse und Augenmaß zu werben.

Für wen ist Kennedy also die größere Bedrohung? „Er ist der Parkplatz für alle, die ihre Auswahlmöglichkeiten nicht mögen“, sagt Kyle Kondik vom University of Virginia Center of Politics. Dass Trump die Unberechenbarkeit Kennedy zu schaffen macht, kann man daran sehen, dass das Trump-Team inzwischen bereits in Werbespots gegen ihn zu Felde zieht und ihn zum „Werk der Demokraten“ stilisiert. Trump beschimpft Kennedy neuerdings als „einen radikal linken Liberalen, der eingesetzt wurde, damit der Schurke Biden wiedergewählt wird, der schlechteste Präsident aller Zeiten.“ Hat er Angst?

Tatsächlich gibt es auch so manche Konservativen oder gar Evangelisten, die Trump eher zähneknirschend wählen und ihm seine vermeintliche Gottesfürchtigkeit nicht abkaufen. Die Kennedys sind immerhin Katholiken, was schon bei der Wahl von John F. Kennedy zum Wahlkampf-Thema wurde. Ein Katholik gilt weiten Teilen der Bevölkerung vertrauenswürdiger als ein Atheist.

Wenn es nach Kennedy geht, könnten sogar die Umstürzler vom Januar 2021 mit Gnade vor Recht rechnen. Er fordert einen Sonderermittler, um juristische Ermessensspielräume auszuloten und die bürgerkriegsähnlichen zwei Lager zu befrieden. Immerhin wurden bereits über 500 Amerikaner verurteilt, die von vielen Bürgern eher als Patrioten und Bauernopfer erachtet werden, denn als Staatsfeinde.

Grass Roots: Die ehrenamtliche Unterstützung wächst

Das größte Problem Kennedys ist freilich das liebe Geld. Gegen die Spendenmaschine der beiden großen Parteien wird er nur wenig ausrichten können, dafür reicht selbst das Vermögen der Famile Kennedy nicht aus. Angeblich läuft die Unterstützung im Kleinen nicht schlecht - es entwickelt sich allmählich ein breiteres Lager von Anhängern und Unterstützern. Es könnte dennoch sein, dass er sich beim Wahlkampf auf Schlüsselstaaten konzentrieren muss, um dort sicher auf die Wahlscheine zu kommen. Dafür kommt es zunächst mal auf möglichst viele Unterschriften an, die auf den Straßen im mittleren Westen gesammelt werden müssen, bevor Geld für Anzeigen vergeudet wird. Ehrenamtliche Helfer gilt es rekrutieren, in den USA werden so erfolgreiche Kampagnen geführt.

Wir werden sehen, wer sonst noch alles im November 2024 auf den Ballots der US-Wahlen auftaucht. Erinnert sei noch mal, an den spektakulären Wahlausgang 2016, als Trump für alle Experten überraschend Hillary Clinton schlug, obwohl diese in absoluten Zahlen mit 65.844.954 Stimmen deutlich vor Donald Trump mit 62.979.879 Stimmen nach der Auszählung lag. Weil in den USA sogenannte Wahlmänner den Ausschlag geben, kommt es im Ergebnis immer wieder vor, dass die Anzahl kleinerer Staaten im Verhältnis zu den Stimmen großer US-Staaten wie Kalifornien und New York überbewertet scheinen. Obwohl die meisten Wähler im Lande eindeutig pro Clinton abgestimmt hatten, standen deshalb letztlich doch nicht genug der 50 Bundesstaaten in Clintons Kolumne.

Clinton verlor Stimmen an Johnson und Stein

Völlig übersehen wird freilich zumeist, dass Hillary Clinton aber darüber hinaus auch 4.443.505 Stimmen an den libertären Kandidaten Gary Johnson abgeben musste und weitere 1.457.218 Stimmen an Jil Stein von den US-Grünen. Es ist müßig darüber zu diskutieren, was oder wer Clinton die sicher geglaubte Wahl gekostet hat. Immer wieder wird von Auguren gemutmaßt, dass allein Johnsons und Steins Stimmen den einen oder anderen Staat gekippt haben könnten oder die Verhältnisse (und Anzahl) der Wahlmänner verschoben hat. Auch Hillary Clinton hätte jedenfalls allen Grund der Welt gehabt, über eine gestohlene Wahl zu hadern. Sie hat es stets akzeptiert, während Trump noch heute von Betrug spricht, weil Joe Biden ihn nach denselben Regeln geschlagen hat. Die US-Wahlen bergen stets Anlass für Überraschungen - sicherlich auch in diesem Jahr.

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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