Stress, zu viel Arbeit und erhöhte Anforderungen im Lob. Die Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer (61 Prozent) schätzen sich selbst als Burnout-gefährdet ein, zeigt eine Studie der Krankenkasse Pronova BKK. 21 Prozent halten ihr Burnout-Risiko für hoch, 40 Prozent für mäßig.
Hauptursachen für den Stress sind Überstunden (34 Prozent), Termindruck (32 Prozent), ungleiche Arbeitslast-Verteilung (35 Prozent), permanente Erreichbarkeit (27 Prozent) und Bürokratie (26 Prozent). Moderne Kommunikationsprogramme und Technikprobleme belasten 21 Prozent der Befragten. Zudem berichteten 48 Prozent von psychischen Belastungen wie Mobbing und jeder Fünfte von „Quiet firing“. Unterforderung und Langeweile sind mit elf Prozent deutlich seltener.
Ein Dialog ist immer die beste Lösung, um Probleme zu verhindern oder zu lösen. Doch nicht alle Mitarbeiter trauen sich, mit dem Arbeitgeber zu sprechen und greifen zu Methoden wie einer Überlastungsanzeige. Was kann ein Arbeitgeber machen, wenn eine solche Anzeige gegen ihn erstellt wurde? Das erfahren Sie in diesem Artikel. Lesen Sie exklusive Kommentare von dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und dem Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht Jens Usebach.
Überlastungsanzeige: Was ist das?
Eine Überlastungsanzeige ist ein wichtiger Hinweis eines Arbeitnehmers an seinen Arbeitgeber, dass die aktuelle Arbeitsbelastung seine physischen oder psychischen Grenzen überschreitet. Sie dient als formelle Mitteilung des Arbeitnehmers, dass seine Gesundheit gefährdet ist, und verpflichtet den Arbeitgeber zum Handeln. Die Anzeige kann auf eine Vielzahl von Ursachen zurückführen, wie zum Beispiel zu hohe Arbeitsanforderungen, unzureichende Pausen oder ein belastendes Arbeitsumfeld.
Der Begriff „Überlastungsanzeige“ kann negativ wirken, da er ein Eingeständnis von Überforderung implizieren könnte. „Gefährdungsanzeige“ ist daher vorzuziehen, weist die Gewerkschaft Ver.di Rhein-Neckar hin.
Diese Anzeige ist weder gesetzlich noch tarifvertraglich geregelt, gewinnt aber durch zunehmende Arbeitsbelastung an Bedeutung.
Interessant! Das Wort „Überlastungsanzeige“ wird oft im Zusammenhang mit Kitas, Pflege, dem öffentlichen Dienst und Beamten gesucht.
Überlastungsanzeige: Was muss der Arbeitgeber nach Erhalt tun?
Nach Erhalt einer Überlastungsanzeige hat der Arbeitgeber eine Reihe von Pflichten, um sicherzustellen, dass die Gesundheit und Sicherheit des Arbeitnehmers gewährleistet bleiben. Beim DGB heißt es:
„Der Arbeitgeber ist nach einer Gefährdungsanzeige zum angemessenen Handeln verpflichtet. Das heißt er muss selber prüfen, ob tatsächlich eine Gefahrenlage vorliegt. Wenn dem so ist muss er Maßnahmen ergreifen, die die Gefahrenlage beseitigten. Tut er hingegen einfach nichts, dann verstößt er gegen seine Fürsorgepflicht. Wie genau er die Gefährdung beseitig obliegt hierbei jedoch dem Arbeitgeber“.
1. Prüfung der Gefahrenlage
Nach Erhalt einer Überlastungsanzeige muss ein Arbeitgeber diese ernst nehmen und angemessen reagieren, betont Rechtsanwalt Jens Usebach. Dies beinhaltet:
- Nachvollziehen der geschilderten Überlastungssituation: Der Arbeitgeber sollte die in der Anzeige beschriebenen Umstände und Belastungen nachvollziehen und prüfen, ob diese tatsächlich vorliegen.
- Dialog mit dem betroffenen Arbeitnehmer: Ein persönliches Gespräch mit dem Arbeitnehmer ist notwendig, um die genaue Situation zu verstehen und weitere Details zu erfahren.
2. Ergreifen von Maßnahmen
Sollte sich herausstellen, dass tatsächlich eine Gefahrenlage besteht, ist der Arbeitgeber verpflichtet, geeignete Maßnahmen zur Beseitigung dieser Gefahren zu ergreifen. Dazu können gehören:
- Umverteilung von Aufgaben: Eine Neuverteilung der Arbeitsaufgaben kann helfen, die Belastung des betroffenen Arbeitnehmers zu reduzieren.
- Einleitung von Coaching oder Schulungsmaßnahmen: Durch gezielte Schulungen und Coaching kann die Arbeitsbelastung besser bewältigt werden.
- Sicherstellung der Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften: Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass alle relevanten Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden.
Jens Usebach unterstreicht: „Es ist wichtig, mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation zu ergreifen und die Arbeitsbelastung des betroffenen Arbeitnehmers zu reduzieren.“
3. Einbeziehung von Experten
In einigen Fällen kann es notwendig sein, Betriebsärzte oder externe Experten hinzuzuziehen, um eine objektive Bewertung der Überlastungssituation zu ermöglichen und geeignete Lösungen zu finden, weist Rechtsanwalt Jens Usebach hin.
4. Offene Kommunikation
Eine offene und respektvolle Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden und das Vertrauensverhältnis zu stärken. Eine transparente Kommunikation hilft, Konflikte zu lösen und gemeinsam an einer Verbesserung der Arbeitssituation zu arbeiten.
Jens Usebach betont: „Eine offene Kommunikation und ein respektvoller Umgang mit dem Arbeitnehmer sind entscheidend, um Konflikte zu lösen und das Vertrauensverhältnis zu stärken.“
Rechtliche Schutzmechanismen für Arbeitnehmer
1. Schutz vor Maßregelungen
Arbeitnehmer sind gesetzlich vor Maßregelungen geschützt, wenn sie eine Überlastungsanzeige einreichen. Dies ist ein Aspekt der zulässigen Ausübung ihrer Rechte.
„Immer wenn Arbeitnehmer ihre Rechte in Anspruch nehmen, sind sie vor einer Maßreglung durch das Gesetz geschützt. Arbeitnehmer dürfen nicht wegen der zulässigen Ausübung ihrer Rechte vom Arbeitgeber benachteiligt werden. Das Stellen von Gefährdungsanzeigen ist insoweit eine zulässige Rechte-Ausübung. Wie immer im Arbeitsverhältnis gilt: Mit Solidarität geht mehr. Deswegen empfiehlt es sich, sich mit dem Betriebsrat und den Kollegen abzusprechen“, kommentiert DGB.
2. Relevante Gesetzgebung
Rechtlich gesehen gibt es verschiedene Schutzmechanismen, die Arbeitnehmer in Anspruch nehmen können, erklärt Jens Usebach. Die Arbeitsmedizinische Vorsorgeverordnung (ArbMedVV) und das Arbeitszeitgesetz sichern den Gesundheitsschutz und die Rechte der Arbeitnehmer. Diese Gesetze verpflichten Arbeitgeber, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen und Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer zu treffen.
3. Einbindung des Betriebsrats
DGB empfiehlt, den Betriebsrat über die Überlastungsanzeige zu informieren, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und die Rechte der Arbeitnehmer besser zu schützen:
"Zum Schutz der Beschäftigten, die Überlastungsanzeigen stellen, sollten diese an die betriebliche Interessenvertretung gerichtet sein."
4. Kündigungsschutz
Arbeitgeber dürfen keine Kündigung aussprechen, weil ein Arbeitnehmer eine Überlastungsanzeige eingereicht hat. Das Kündigungsschutz-Gesetz bietet hier zusätzlichen Schutz.
„Eine Kündigung darf der Arbeitgeber nicht aussprechen, weil der Arbeitnehmer eine Überlastungsanzeige abgegeben hat“, verdeutlicht Jens Usebach.
Prävention: Vermeidung von Überlastungsanzeigen
1. Arbeitsschutzmanagementsysteme
Arbeitgeber sollten ein effektives Arbeitsschutz-Managementsystem einführen und die Gefährdungsbeurteilung wirksam umsetzen, um Überlastung zu verhindern.
„Arbeitgeber können ein gutes Arbeitsschutzmanagementsystem etablieren und das Instrument der Gefährdungsbeurteilung wirksam umsetzen“, empfiehlt DGB.
2. Regelmäßige Überprüfung der Arbeitsbelastung
Es ist wichtig, die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter regelmäßig zu überprüfen und realistische Arbeitszeiten festzulegen.
„Arbeitgeber sollten darauf achten, dass die Arbeitsbedingungen ergonomisch gestaltet sind, um körperliche Belastungen zu minimieren“, weist Rechtsanwalt Usebach hin.
3. Ausreichende Pausen und offene Kommunikation
Mitarbeiter sollten genügend Pausen erhalten, um Stress abzubauen, so Usebach. Eine offene Kommunikation kann dazu beitragen, Belastungen frühzeitig zu erkennen und anzugehen.
4. Betriebsklima und professionelle Unterstützung
Ein gutes Betriebsklima und professionelle Unterstützung durch Experten können ebenfalls dazu beitragen, Überlastung zu verhindern und die Arbeitnehmergesundheit zu schützen.
Erfolgreiche Beispiele aus der Praxis
1. Systemische Einbindung
Überlastungsanzeigen sind besonders erfolgreich, wenn sie systemisch eingebunden und durch Betriebsvereinbarungen geregelt sind.
„Überlastungsanzeigen sind immer da erfolgreich, wo sie systemisch eingebunden sind und über eine Betriebsvereinbarung geregelt werden.“ - DGB
2. Schutz der Beschäftigten
Überlastungsanzeigen sollten an die betriebliche Interessensvertretung gerichtet sein, um den Schutz der Beschäftigten zu gewährleisten.
„Zum Schutz der Beschäftigten, die Überlastungsanzeigen stellen, sollten diese an die betriebliche Interessenvertretung gerichtet sein und dort gebündelt und ausgewertet werden. Wenn die Überlastungsanzeige an den Betriebsrat gestellt wird, tritt jedoch die oben erwähnte Haftungserleichterung nicht ein.“ - DGB
Fallbeispiele
Die DWN haben den Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht, Jens Usebach, gebeten, Fälle aus seiner Praxis zu geben.
Bürokauffrau: Aufgrund von ständigen Überstunden und Arbeitsüberlastung litt sie an Burnout-Symptomen. Sie wandte sich an ihren Vorgesetzten und reichte eine schriftliche Überlastungsanzeige ein. Durch ihr rechtzeitiges Handeln konnte sie eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes verhindern und erhielt Unterstützung vom Arbeitgeber.
Pflegehelfer: Der Mitarbeiter stieß aufgrund von Personalmangel und unzureichender Arbeitsorganisation ständig an seine Belastungsgrenze. Nachdem er eine Überlastungsanzeige eingereicht hatte, wurden Maßnahmen ergriffen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und den Mitarbeiter zu entlasten.
Überlastungsanzeigen sind ein wichtiges Instrument, um unzumutbare Arbeitsbelastungen anzuzeigen und die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen. Arbeitgeber sind verpflichtet, angemessen auf solche Anzeigen zu reagieren und präventive Maßnahmen zu ergreifen, um Überlastung zu vermeiden. Arbeitnehmer sind rechtlich vor Maßregelungen geschützt und sollten bei der Einreichung einer Überlastungsanzeige den Betriebsrat einbeziehen. Erfolgreiche Beispiele aus der Praxis zeigen, dass Überlastungsanzeigen zu positiven Veränderungen und besseren Arbeitsbedingungen führen können, wenn sie systematisch eingebunden und unterstützt werden.