Derivate sind aus dem globalen Finanzmarkt nicht mehr wegzudenken. Zu den am meisten gehandelten Derivaten gehören Terminkontrakte (Futures), Optionen, Differenzkontrakte (CFDs) und Swaps. Speziell in Deutschland erfreuen sich Zertifikate und Optionsscheine großer Beliebtheit.
Über den Nutzen von Derivaten gibt es unterschiedliche Ansichten. Befürworter sehen darin wichtige Absicherungsinstrumente für die Realwirtschaft. Die komplexen Finanz-Instrumente sind dennoch seit Jahrzehnten heftig umstritten. In den Augen der Skeptiker sind Derivate eine tickende Zeitbombe, deren Risiken die Vorteile teilweise weit überwiegen können.
Der globale Finanzmarkt in der heutigen Form wäre ohne Derivate als Mittel zur Risikosteuerung undenkbar. Aber es kommt darauf an, wie sie eingesetzt und reguliert werden. Derivate stehen nicht ganz zu Unrecht für ihr großes Crash-Potential am Pranger.
Wenn der Hebel im System zu groß wird, können unerwartete Ausschläge von Aktien- und Anleihekursen, Rohstoffpreisen oder Wechselkursen viele Marktteilnehmer auf dem völlig falschen Fuß erwischen und gigantische Verluste verursachen. Erfahren Sie mehr zu den systemischen Derivate-Risiken in unserer großen DWN-Analyse. Zudem haben wir das medial oft diskutierte Derivate-Portfolio der Deutschen Bank genauer unter die Lupe genommen.
Derivate Definition: Hebelprodukte auf einen Basiswert
Was sind Derivate überhaupt? Derivate sind Zukunftsgeschäfte zwischen zwei Parteien über einen zugrundeliegenden Vermögenswert (Basiswert). Meist laufen diese Geschäfte mit Kredithebel ab, sodass man sie auch als Hebelprodukte bezeichnet. Derivate sind keine eigenständigen Anlageinstrumente, sondern lediglich Rechte, deren Bewertung aus dem Preis sowie den Preisschwankungen und Preiserwartungen eines Basiswertes abgeleitet ist.
Basiswerte bzw. Referenzwerte können Aktien, Anleihen, Zinssätze, Währungen, Edelmetalle, Rohstoffe oder Marktindizes sein. Aber aus welchem Grund investieren Marktteilnehmer nicht immer direkt in den Basiswert, sondern wählen mitunter den Umweg über ein Derivat? Kurz gesagt, weil sie aus verschiedenen Gründen (und oft gehebelt) an der Entwicklung des Basiswerts partizipieren wollen, ohne ihn tatsächlich zu besitzen – genau dies ist mit Derivaten möglich.
Ein Beispiel: Wer von einem steigenden Goldpreises profitieren möchte, kann physisches Gold kaufen, zum Beispiel Goldbarren. Für manche Anleger ist es jedoch ein Problem sein, weil sie das Gold nicht zu Hause oder bei einem Dienstleister lagern und sich gegen Diebstahl absichern möchten. An dieser Stelle kommen Derivate ins Spiel: Mit einem Gold-Zertifikat können Anleger ebenfalls in Gold investieren und von der Goldpreisentwicklung profitieren, ohne die Notwendigkeit einer physischen Lagerung.
Derivate-Handel: Spekulation am Terminmarkt
Am Spotmarkt, auch Kassamarkt genannt, werden Finanzinstrumente wie Währungen, Rohstoffe, Aktien und andere Vermögenswerte zur sofortigen Lieferung und Zahlung gehandelt. Der Handel auf dem Spotmarkt ist damit in der Regel sofort abgeschlossen, die Vertragsbeziehung nach Abschluss der Transaktion beendet. Der Derivate-Handel läuft anders, denn dieser wird ausschließlich am Terminmarkt abgewickelt.
Der Terminmarkt funktioniert so: Der eine Vertragspartner ist bestrebt, sich gegen ein bestimmtes Risiko abzusichern bzw. auf die Entwicklung des Basiswertes zu spekulieren. Die Gegenpartei kann ein einzelner Marktteilnehmer sein, der auf die umgekehrte Entwicklung setzt. Im Regelfall ist es aber ein sogenannter „Market Maker“, der unzählige Derivate-Transaktionen bündelt und zentral verwaltet. Market Maker sorgen für hohe Liquidität im Markt und bringen Angebot und Nachfrage effizient zusammen. Der Intermediär verdient dafür einen kleinen „Spread“ (Spanne zwischen Geld- und Briefkurs), dessen Vereinnahmung ein aufwendiges Risikomanagement erfordert. Typische Marktmacher sind die großen Investmentbanken.
Derivate ermöglichen darüber hinaus den Handel spezieller hebelbasierter Anlageprodukte – von einfachen Optionen bis hin zu komplizierten Zertifikaten. Mit Hebelprodukten können Anleger den vielfachen Wert ihres Kapitals bewegen. Wer 50 Euro in ein Derivat mit dem Hebel 10 investiert, bewegt tatsächlich den zehnfachen Wert, also 500 Euro.
Bei Derivaten muss man also zwischen Marktwert (in einem effizienten Markt gleichbedeutend mit dem Preis) und dem sehr viel größeren Nominalwert - auch Nennwert genannt - differenzieren. Dazu ein Beispiel: Eine Kaufoption, die den Besitzer berechtigt, eine Aktie mit aktuellem Kurs von 520 Euro zu einem bestimmten Termin in sechs Wochen zum Preis von 500 Euro vom Vertragspartner zu kaufen, hat zwar den Nennwert 500 Euro, aber zum Beispiel einen Marktwert von nur 30 Euro.
Ein Derivate-Anbieter, auch als Emittent bezeichnet, hat meist kein großes Interesse daran, einfach gegen einen einzelnen Anleger zu wetten. Vereinfacht kann man sagen: Wenn es keine entgegengesetzte Kunden-Order gibt, baut der Marktmacher diese eben selbst. Das Auszahlungsprofil des eigenen Finanzprodukts wird dabei bestmöglich mit anderen Derivaten und mit Geschäften am Kassamarkt nachgebaut, übrig bleibt am Ende nur ein prozentual sehr geringer Durchschnittsgewinn. Dieses Nachbauen wird für den Anbieter tendenziell umso schwieriger, je niedriger die Restlaufzeit des Derivats ist.
Derivate als Absicherung
Derivate sind für viele Unternehmen in der Realwirtschaft, aber auch für Versicherungen, Pensionskassen oder Banken, unabdingbar als Instrument der finanziellen Kontrolle. Gängige Verwendungszwecke von Derivaten in Unternehmen sind die Absicherung gegen Wertverluste wichtiger Vermögenswerte (Aktiva) oder gegen eine ungewollte Zunahme bestimmter Verpflichtungen (Passiva) in der Bilanz. Auch sollen damit Einkommensströme gesichert oder Ausgabenströme kontrolliert und eingegrenzt werden. Derivate machen all dies mit begrenztem Kapitaleinsatz möglich.
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Ein Beispiel ist die Absicherung von Währungsrisiken bei Einkünften oder Ausgaben/Verbindlichkeiten in fremder Währung. Dies wird üblicherweise über Währungs-Optionen oder Währungs-Swaps geregelt. Das machen nicht nur Konzerne und multinationale Unternehmen mit großem Auslandsgeschäft. Schon mittelständische Exporteure haben unter Umständen erhebliche Wechselkursrisiken, weil ihre Kosten in der Währung des Heimatlandes anfallen, die Einnahmen aber in Fremdwährungen erfolgen.
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Finanz-Unternehmen mit sehr großen Bilanzen wie Banken, Lebensversicherungen oder Pensionskassen müssen die Zinsänderungs-Risiken auf der Aktiv- und Passivseite absichern (englisch: „hedgen“). Hier kommen vorwiegend Zins-Swaps zum Einsatz. Das Zinsrisiko entsteht bei Banken dadurch, dass sie etwa Kredite mit langer Laufzeit und Zinsbindung vergeben, zum Besipiel das klassische Immobilien-Darlehen. Dies refinanzieren sie über Kundengelder mit kurzen Laufzeiten und teils variablen Zinsen. Bei Lebensversicherungen und Pensionskassen ist es genau umgekehrt. Sie haben extrem langfristige Verpflichtungen, oft 20 bis 40 Jahre in die Zukunft, aber häufig Aktiva mit viel kürzeren Laufzeiten. Die Absicherung dieser ungleichen Zinsrisiken ist nicht nur eine unternehmensinterne Entscheidung, sie wird auch durch die Bilanzvorschriften der Regulatoren vorgegeben.
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Investmentfonds, Versicherungen und andere Vermögensverwalter müssen zudem die Schwankungsrisiken ihrer Anlagen begrenzen. So macht es etwa Sinn, die Extremrisiken gegen scharf sinkende Aktienkurse in einem Crash durch den mehr oder weniger systematischen Kauf von Put-Optionen abzusichern, die weit aus dem Geld notieren – also im Normalfall wertlos verfallen, weil der tatsächliche Aktienkurs über dem sehr niedrig vereinbarten Ausübungs-Kurs liegt. Kurseinbrüche von Anleihen können zum Beispiel durch Short-Futures abgesichert werden (mehr dazu weiter unten).
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Große Risiken entstehen auch im Rohstoffbereich, einerseits für die Produzenten, die typischerweise sehr hohe Fixkosten haben, und andererseits für die verarbeitende Industrie solcher Rohstoffe, welche die Schwankungen ihrer Einkaufspreise nicht eins zu eins auf ihre Kunden abwälzen können. Gerade in diesem Bereich ist oft eine sehr hohe Absicherungsaktivität über Derivate feststellbar. Am beliebtesten sind hier klassische Futures-Kontrakte. Dadurch kann beispielsweise ein Goldförderer einen Verkaufspreis für einen Termin in der Zukunft schon heute vereinbaren (Absicherung vor Preisrückgang) oder ein Mehlproduzent einen bestimmten in der Zukunft zu bezahlenden Weizenpreis schon heute festlegen (Absicherung vor Preisanstieg).
Zusammengefasst sind Derivate unabdingbar in einer Welt mit flexiblen Wechselkursen und unterschiedlicher Wirtschaftspolitik, mit grenzüberschreitender Wirtschaftsaktivität und mit Anlagen von privaten und öffentlichen Vorsorgegeldern sowie Firmenvermögen am Finanzmarkt. Ohne Derivate gäbe es immense bilanzielle Verluste, unnötige Konkurse und viel weniger internationalen Handel.
Was sind Derivate? Typen erklärt
Das unternehmerische Bedürfnis nach einer Absicherung von Preisänderungen durch Termingeschäfte ist letztlich der Ursprung des gesamten Derivate-Sektors. Die allerersten Derivate waren vermutlich Vorläufer der heutigen Futures.
Futures
Futures sind unbedingte Terminkontrakte, die beide Vertragspartner verpflichten, eine bestimmte Menge eines Basiswertes zu einem bei Vertragsabschluss festgelegten Preis und Zeitpunkt zu liefern (Short-Position) oder abzunehmen (Long-Position). Sowohl Käufer als auch Verkäufer müssen ihrer Liefer- und Abnahme beziehungsweise Zahlungsverpflichtung nachkommen.
Heutzutage wird aber – ob Aktienindex, Anleihe oder Rohstoff – selten noch tatsächlich etwas geliefert. Die meisten gehandelten Kontrakte beinhalten nur noch die Option einer Lieferung oder setzen komplett auf einen Barausgleich („Cash Settlement“). Futures beinhalten einen Hebel, der meist zwischen 10 und 1000 liegt. Das Verlustpotenzial ist bei Long-Positionen auf die Höhe des Einsatzes (Kontraktwert) begrenzt, auf der Short-Seite aber theoretisch unbegrenzt. Manche Futures sind rollierend, das heißt, direkt nach deren Auslaufen wird automatisch ein neuer Kontrakt mit derselben Restlaufzeit gekauft.
Optionen
Optionen sind bedingte Terminkontrakte. Der Käufer einer Option zahlt eine Optionsprämie und erwirbt damit das Recht, den zugrunde liegenden Basiswert zu einem bestimmten Preis zu kaufen (Call-Option: Anleger setzt auf steigenden Wert, geht also long) oder zu verkaufen (Put-Option: Anleger setzt auf fallenden Wert, geht also short). Die Option gilt bis zu einem Verfallstermin oder nur exakt an einem definierten Datum. Optionen haben einen inhärenten Hebel, weil die Prämie nur einen Bruchteil des Basiswerts ausmacht. Wie bei Futures gilt die Unterscheidung zwischen Barausgleich und „physischer“ Lieferung. Bei den populären Index-Optionen ist nur ein Barausgleich möglich.
Der Wert einer Option kann niemals kleiner als Null sein und setzt sich zusammen aus der aktuellen Preisdifferenz zwischen vereinbartem Ausübungspreis und aktuellem Preis des Basiswerts multipliziert mit dem Options-Hebel (innerer Wert) und den Zukunftserwartungen anderer Marktteilnehmer über die Entwicklung dieses Preisdifferenz-Multiplikators (Zeitwert). Der Wert von Call-Optionen steigt mit höheren Preisen im Basiswert und umgekehrt – für Put-Optionen ist es genau andersherum. Bei Optionen mit einem zum aktuellen Zeitpunkt negativen inneren Wert heißt es in der Fachsprache, dass sie „aus dem Geld“ notieren.
Der Unterschied zwischen Optionen und Futures zeigt sich vor allem auf der Käuferseite. Beides sind sehr beliebte Hebelprodukte. Aber weil Optionen, wie der Name schon sagt, für den Käufer keine bindende Wirkung haben, wird dieser die Option bei unvorteilhafter Entwicklung des Basiswerts am Ende nicht ausüben. Somit ist das Risiko auch auf der Short-Seite auf die eingesetzte Optionsprämie begrenzt. Ein unbegrenztes Verlustrisiko hat hingegen jeweils die Gegenpartei, also die Options-Verkäufer (auch Stillhalter genannt). Diese müssen sich absichern, was teils auch durch Geschäfte am Spotmarkt geschieht.
Nur wenn der Optionswert höher ist als die gezahlte Prämie, lohnt sich eine Ausübung. Bei der Mehrzahl aller platzierten Optionen kommt es nicht zur Ausübung und sie verfallen wertlos. Im Gegensatz dazu werden Futures immer ausgeübt. Es ist oft nicht der ursprünglicher Käufer einer Option oder eines Futures, der Lieferung/Barausgleich erhält beziehungsweise leisten muss. Optionen und Futures kann man einfach an der Börse weiterverkaufen. Dasselbe gilt für die meisten Derivate, wobei es bei den weiter unten genannten Finanzderivaten im Regelfall nur im außerbörslichen OTC-Handel geht.
Leerverkauf (Shortsell)
Bei Leerverkäufen leiht sich ein Marktteilnehmer Aktien, Anleihen oder ETFs von einem Market Maker und verkauft diese sofort. Irgendwann muss eine Rücklieferung stattfinden; bis dahin zahlt man einen gewissen Zins als Leihgebühr. Die Hoffnung des Leerverkäufers ist, dass der Preis des Basiswerts bis dahin so stark sinkt, dass er sehr viel günstiger züruckkaufen kann. Die Differenz abzüglich der Leihgebühr kann man dann als Gewinn einstreichen. Bei steigender Preisentwicklung fallen jedoch Buchverluste an, die ab einer bestimmten Höhe einen „Margin Call“ verursachen, wenn der Anleger die Nachschusspflicht nicht erfüllt. Der Broker verlangt dann mehr Liquidität, um den steigenden Verlust auszugleichen. Kommt der Marktteilnehmer der Aufforderung nicht nach, wird die Position automatisch geschlossen, also die erforderliche Menge des Basiswerts zum aktuellen Preis gekauft.
Leerverkäufe erfüllen nicht per se destruktive Zwecke, sondern tragen durch ihr Informations-Signal über potentielle Missstände in Unternehmen auch zu einem effizienten Markt bei. Für mehr Informationen lesen Sie den DWN-Ratgeber Aktien-Trading: So funktionieren Long- und Short-Wetten.
Exotische Derivate
Einige der komplexeren Finanzprodukte der modernen Finanzwelt – von Swaps, CFDs und Zertifikaten bis hin zu abenteuerlichen Konstruktionen wie Optionen auf Futures oder Optionen mit eintätiger Lebenszeit – haben allerdings wirklich nicht mehr viel mit dem Ursprungsgedanken von Derivaten zu tun. Allen ist gemein, dass Kauf oder Verkauf des tatsächlichen Basiswerts eigentlich überhaupt keine Rolle mehr spielt. Es sind reine Finanzderivate und - mit Ausahme von Swaps - erfüllen sie auch kaum noch irgendwelche Absicherungszwecke, sondern zielen primär darauf ab, auf die Entwicklung von Preisen, Indizes und Wechselkursen zu spekulieren.
Swaps
Swaps sind reine Tauschverträge, bei dem zwei Parteien vereinbaren, zwei unterschiedliche Zahlungsströme bis zu einem gewissen Verfallsdatum miteinander zu tauschen. Dabei kann es sich etwa um die Bedienung eines fixen und eines variablen Schuld-Zinses handeln. Kluge Firmen haben sich über solche Zins-Swaps gegen steigende Marktzinsen abgesichert.
Unter den modernen Derivaten sind Swaps wohl diejenigen mit dem größten Nutzen. Manche ETFs kaufen nicht unbedingt selber Aktien, sondern bilden die Preisentwicklung eines Index lediglich über Swaps ab. Bei Rohstoff-ETFs ist das sogar der Regelfall, weil der physische Markt relativ illiquide und ineffizient ist. Die Swap-Gegenpartei muss den Basiswert auch nicht unbedingt selbst halten, sondern kann teilweise hochkorrelierte Assets als Substitut nutzen.
Ein Spezialfall sind sogenannte „Credit Default Swaps“ (CDS). In der Finanzkrise 2008 spielten solche Kreditausfall-Versicherungen eine entscheidende Rolle. Investoren wie Michael Burry hatten erfolgreich via CDS auf den Wertverfall von hypothekenbesicherten Anleihen und damit den Kollaps des amerikanischen Immobilienmarktes gewettet.
CFD
Ein CFD (Contract for Difference) ist ein Differenzkontrakt. Dabei garantiert der Emittent (meist eine Großbank, die direkt gegen den Kunden wettet oder als Market Maker fungiert) die Partizipation an der Entwicklung des Basiswerts – nach oben und unten. Bei CFDs handelt es sich um eine Art Sonderform von Swaps. Kleinanleger verwenden sie vor allem dazu, um mit hohem Hebel auf die Entwicklung von Aktien-Indizes und Wechselkursen zu spekulieren. Anders als bei Futures kann beim CFD auch eine Long-Wette auf steigende Kurse einen Verlust von einem Vielfachen des Einsatzes verursachen.
Statistiken zeigen, dass Kleinanleger das Spiel gegen den CFD-Anbieter in rund 80 Prozent der Fälle verlieren. Bei einem früher durchaus üblichen 100er-Hebel konnte man dabei schnell Haus und Hof verzocken. Heute ist der maximale Hebel auf 20:1 begrenzt. In Deutschland hat die Finanzaufsicht Bafin sogar durchgesetzt, dass Anleger bei CFDs nicht mehr als ihr eingesetztes Kapital (Kontoguthaben) verlieren können. Ähnliches gilt hierzulande für Futures, bei denen Brokern die Nachschusspflicht verboten wurde, sofern es sich nicht nachweislich um ein Geschäft zur Absicherung von realwirtschaftlichen Preisrisiken handelt.
Optionsscheine
Optionsscheine sind nicht mit standardisierten Optionen zu verwechseln und viel eher mit Zertifikaten vergleichbar (siehe unten). Mit einem Optionsschein kauft man von einem Verkäufer für einen festgelegten Zeitraum das Recht, einen bestimmten Basiswert zu einem vorher festgelegten Kurs entweder zu kaufen (Call-Optionsschein) oder zu verkaufen (Put-Optionsschein). Der maximale Verlust ist auf die Kosten des Optionsscheins begrenzt. Solche Produkte können mit allerlei Spezialfunktionen ausgestattet werden, die es bei normalen Optionen nicht gibt. Ein Marktwert von Optionsscheinen existiert in diesem Sinne nicht, sondern wird vom Emittenten laufend berechnet. Der Anbieter muss das Papier zu diesem Preis zurückkaufen, wenn es der Anleger wünscht. In der Realität verfallen Optionsscheine häufig wertlos und die Käufer stehen dann mit leeren Händen da.
Zertifikate
Zertifikate werden ebenfalls überwiegend von Banken emittiert. Es handelt sich um Schuldverschreibungen, die sich auf die Wertentwicklung eines zugrundeliegenden Basiswerts beziehen. Bekannt geworden sind sie als Hebelprodukte mit zweifelhaftem Nutzen etwa in Form von Faktor-, Knockout-, Bonus- und Express-Zertifikaten auf Aktien-Indizes wie den Dax. Um das versprochene Auszahlungsprofil zu gewährleisten, bastelt der Emittent Konstruktionen mithilfe von anderen Derivaten (vor allem Optionen und Swaps). Ein Zertifikat kann auch ganz ohne Hebel einfach nur die Preisentwicklung von Rohstoffen oder Kryptowährungen abbilden und sogar den Basiswert als Sicherheit hinterlegen. ETCs, ETNs und ETPs sind allesamt den Zertifikaten zuzuordnen.
Deutsche Anleger hatten Ende 2023 rund 112 Milliarden Euro in Zertifikaten investiert. Mehr als die Hälfte davon machen Zins-Zertifikate aus. Dies sind verzinste Wertpapiere, die meist eine fixe Laufzeit von sechs Monaten bis fünf Jahren haben, einen festen Zins definieren und bei Endfälligkeit den vollen Nennwert wieder auszahlen. Im Fachjargon spricht man auch von „strukturierten Anleihen“. Die Schuldner sind Unternehmen, aber aufgelegt werden die Zertifikate von einem Intermediär, über den dann üblicherweise auch der Verkauf läuft, sofern der Anleger das Produkt wieder loswerden will. Den Markt für (Zins-)Zertifikate dominieren die Sparkassen-Fondstochter Deka und die Landesbank Helaba.
Derivate handeln: Tipps für Privatanleger
Der Derivatehandel ist für Privatanleger bei bestimmten Brokern möglich, wobei dafür ein sogenanntes „Margin-Konto“ nötig ist, weil Derivate eigentlich immer einen Kredithebel und damit eine teils starke Hebelwirkung beinhalten. Außerdem müssen ausreichend Barmittel auf dem Handelskonto verfügbar sein, um im Verlustfall die Position decken zu können.
Worauf müssen Anleger beim Handel mit derivativen Finanzprodukten achten? Handeln Sie Derivate ausschließlich bei seriösen Brokern und verwenden stets nur so viel Geld, dass ein Totalverlust kein Drama wäre. Derivate sind nur für risikofreudige Anleger, denen bewusst ist, dass den gehebelten Chancen ein ebenso erhöhtes Verlustrisiko gegenübersteht. Das Ablaufdatum muss man dabei stets im Blick haben.
Wie sicher sind Derivate? Das kommt vordergründig darauf an, wie Anleger sie einsetzen. Und im Detail geht es dann um die korrekte Einschätzung des Auszahlungs- und Risikoprofils. Entscheidend ist, wieviel Prozent Schwankungen im Basiswert in die falsche Richtung verkraftbar sind, bevor ein großer Teil des eingesetzten Kapitals verzehrt ist. Arbeiten Sie deshalb stets mit Stoploss-Orders, um automatisch das Verlustrisiko zu minimieren, ohne Tag und Nacht vor dem Handelsbildschirm sitzen zu müssen. Einsteiger sollten den Derivate-Handel erst einmal mit Spielgeld in einem Demokonto üben.
Beim OTC-Handel von Zertifikaten, Optionsscheinen oder Swaps sollten sich Anleger immer über das Emittenten- beziehungsweise Gegenpartei-Risiko im Klaren sein, welches bei standartisierten börsengehandelten Futures und Optionen nicht existiert. Im absoluten Ernstfall kann die Gegenpartei pleite gehen und man bekommt kein Geld zurück. Nicht jedes außerbörsliche Handelsgeschäft wird durch Clearing-Häuser abgesichert und auch dann gibt es keine Garantien.
Die richtige Derivate-Strategie
Bei Derivaten ist eine vernünftige Strategie wichtig. Man muss nicht nur genau wissen, wie das Finanzprodukt funktioniert, sondern es auch sinnvoll einsetzen.
Hierzu ein paar Beispiele: Der Kauf von Put- und Call-Optionen hat seine Daseinsberechtigung als Absicherung oder Wette mit begrenztem Risiko. Leerverkäufe von Aktien oder ETFs können auch Sinn machen. Wenn es nur um die Absicherung von Marktrisiken geht, empfehlen wir den Leerverkauf von hochliquiden ETFs, weil hier im Gegensatz zu Einzelaktien ein „Short Squeeze“ (starker Kursanstieg bei zugleich hohem Volumen an laufenden Leerverkäufen, was eine Kaskade an Stoploss-Orders und Margin Calls auslösen und somit den Kurs exponentiell befeuern kann) nahezu unmöglich ist.
Clevere Anleger nutzen Long-Positionen zur Partizipation an fallenden Aktienmärkten, etwa über den Kauf des VIX-Mini-Futures und inverser ETFs. Bevorzugen Sie beim Kauf des VIX-Futures den Einmonatskontrakt – kurze Laufzeiten bedeuten mehr Liquidität und für Einsteiger eine leichter nachvollziehbare Preisfindung. Bei den meist Swap-basierten inversen ETFs kann indes der „Tracking-Error“ sehr hoch sein, das sollten Sie berücksichtigen. Außerdem sind solche Produkte aufgrund von EU-Vorschriften für deutsche Anleger kaum zugänglich.
Wir raten dagegen strikt von Stillhalter-Geschäften wie dem Verkauf von Optionen oder einer Short-Position in eben jenem VIX-Future ab, weil die Gewinne meist relativ niedrig sind, die möglichen Verluste aber von heute auf morgen ins Unermessliche steigen können.
Hebelprodukte wie Short-Futures, die ja automatisch am Laufzeitende ausgeübt werden, und CFDs, wo laufende Gewinne/Verluste anfallen, können schnell hohe Verluste weit über den ursprünglichen Einsatz verursachen. Seien Sie also vorsichtig bei solchen Wetten. Besondere Achtsamkeit ist bei CFDs geboten, weil der Anbieter einen Anreiz hat, den „Stoploss“ ein klein wenig früher auszulösen, als es der Kunde eigentlich angegeben hat. Mit CFDs sollte man also lieber nicht auf geringe Schwankungen im Stunden- oder Tagesverlauf, sondern, wenn überhaupt, auf längerfristige Kursbewegungen wetten.
Bei Futures gibt es inzwischen immer mehr Mini- und Micro-Futures, die den Hebel auf ein für Kleinanleger erträgliches Maß reduzieren. Der Hebel bei CFDs ist ebenfalls begrenzt worden. Der Handel von Futures und CFDs bei regulierten Brokern ist für deutsche Anleger generell nicht mehr so riskant wie früher, weil man nicht mehr als den aktuellen Vermögensstand des Kontos verlieren kann.
Der richtige Handel mit Swaps ist nur für Profis, lassen Sie lieber die Finger davon. Swap-basierte Produkte wie Rohstoff- und Aktien-ETFs können hingegen wegen ihrer geringen Kosten attraktiv sein. Von Zertifikaten raten wir auch eher ab – es sei denn, sie verbriefen die Preisentwicklung einzelner Rohstoffe, wo es mitunter keine bessere Alternative gibt. Optionsscheine haben zwar ein begrenztes Risiko, aber normale Optionen sind grundsätzlich die bessere Wahl, sofern man sie denn handeln darf.