Technologie

Wärmewende ist abgesagt: Heizungsmarkt bricht ein - die Bürger warten einfach ab

Der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) hat am Montag seine aktuelle Absatzstatistik vorgelegt. Sie ist, gelinde gesagt, ein Desaster - und eine schallende Ohrfeige für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Die Hersteller setzten 43 Prozent weniger Wärmeerzeuger ab als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das einzige Pluszeichen ist ausgerechnet bei Ölheizungen zu vermelden, wo doch alle dachten, das Kapitel sei wegen der Klimakrise abgeschlossen.
29.07.2024 18:42
Lesezeit: 4 min
Wärmewende ist abgesagt: Heizungsmarkt bricht ein - die Bürger warten einfach ab
Ladenhüter: Fertig montierte Wärmepumpen in der Produktionhalle der Bosch Thermotechnik in Eibelshausen im Lahn-Dill-Kreis. (Foto: dpa) Foto: Andreas Arnold

Wer glaubte, mehr Chaos am Heizungsmarkt lasse sich überhaupt nicht anrichten, sieht sich angesichts der aktuellen Zahlen ein weiteres Mal getäuscht. „Die negative Entwicklung hat zur Jahreshälfte nochmal zugenommen hat“, erläuterte BDH-Hauptgeschäftsführer Markus Staudt. Beim Gesamtabsatz verzeichneten die Unternehmen ein Minus von 35 Prozent. Das Niveau ist auf den Stand vor dem Jahr 2020 zurückgefallen, bevor die Ampel ihre Ziele in Angriff genommen hat.

Heizungswende: Erwartungen lassen sich nicht halten

„Wir sehen, dass sich der Markt nach der starken Nachfrage im Jahr 2023 deutlich abgekühlt hat. Hinzu kommt der Umstand, dass bei den Bürgern Unklarheit darüber herrscht, was die kommunale Wärmeplanung mit sich bringt. Hier wurden Erwartungen geweckt, die sich in der Realität kaum halten lassen. Insbesondere ist es in der Beratung der Bürger herausfordernd, die Zusammenhänge zwischen Gebäude-Energiegesetz, kommunaler Wärmeplanung und stellenweise der Förderung verständlich zu machen. In dieser unübersichtlichen Gemengelage schieben die Menschen die Heizungsmodernisierung eher auf“, so Staudt in seiner Analyse.

Geradezu als Offenbarung kommt das Geständnis daher, dass die positiven Zahlen vom Anfang der Wärmewende ohnehin mehr Schein als Sein waren. Ein beträchtlicher Anteil dereinst als Lösung der meisten Probleme angepriesenen Wärmepumpen sind offenkundig von den Händlern auf Vorrat erworben worden und so in die Statistiken geraten. Bis heute verbaut sind sie freilich nicht.

Ein Sondereffekt der Marktwirtschaft, der nun ganz und gar nichts mit den Installationen und den Kapazitäten der Sanitär- und Heizungsbetrieben zu tun hat. Die Klempner schütteln schon länger den Kopf über die obendrein falschen oder irreführenden Nachrichten und Erfolgsmeldungen.

Absatz von Ölheizungen steigt kräftig

Ein Treppenwitz wiederum sind die Zahlen der neu erworbenen Ölheizungen. Sage und schreibe 55.000 Stück wurden verkauft - eine Steigerung um 14 Prozent. Die Warnung vor sich stetig in die Höhe schraubenden Heizöl-Kosten hat die Bürger beileibe nicht abgeschreckt, scheint es. Sie haben die Entspannung ja tagtäglich an der Tankstelle vor Augen.

Wobei zum Teil wohl auch die Flutkatastrophen im Süden des Landes einen Beitrag geleistet haben. Die alten Geräte in den voll gelaufenen Kellern wurden anscheinend nur 1:1 gegen neue Öl-Heizungsanlagen getauscht. Die Hälfte aller deutschen Heizungen werden in Zukunft mit Gas betrieben - fast ein Viertel mit Heizöl, und damit weiterhin vor der Fernwärme mit 15 Prozent und nur sechs Prozent Wärmepumpen.

Im Lande hat sich eine Verweigerungshaltung breitgemacht

Man darf da wohl mit Fug und Recht von einer Verweigerungshaltung der Bürger sprechen, wenn man sich diese Zahlen im Detail vergegenwärtigt. Von 21,5 Millionen Heizungen in Deutschland gilt rund die Hälfte als technisch veraltet und schrottreif. Mit dem nun zunehmend schleppenden Modernisierungstempo läuft die Politik laut BDH „Gefahr, die Klimaziele im Gebäudesektor zu verfehlen“. Der Verband empfiehlt der Regierung dringend gegenzusteuern und unter anderem die Kommunikation in Richtung Endverbraucher deutlich zu intensivieren und über mit dem Gebäude-Energiegesetz konforme Technologien und Fördermöglichkeiten in der Breite zu informieren.

Zur Erinnerung: Robert Habeck und sein ehemaliger (und in der Folge geschasster) Staatssekretär Patrick Graichen meinten staats-dirigistisch am Markt eingreifen zu müssen, um insbesondere die Wärmepumpe in der Breite als Heizung der Wahl zu verankern. Das glatte Gegenteil ist eingetreten: Die Hersteller haben insgesamt 90.000 Einheiten abgesetzt, das entspricht einem Minus von 54 Prozent gegenüber dem Vorjahr - also nochmals schlechter als ohnehin schon, und das trotz der üppigen Förderkulisse durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).

Die Zahl der Antrage ist mit 21 Prozent zwar gestiegen, im Juni sogar auf 40 Prozent. Doch ist bislang nicht mit einen nennenswerten Mengeneffekt zu rechnen. Bestenfalls 200.000 Wärmepumpen werden Ende des Jahres in der Bilanz stehen, nach den nur 90.000 im ersten Halbjahr. Gut 500.000 Anlagen müssten es allerdings nach dem Willen der Politik sein. Doch der Verweis auf die kommunale Wärmeplanung in den Städten hat die Unsicherheit der Bürger über die bestehenden Probleme scheinbar weiter verstärkt. Die Leute warten ab und harren der Dinge, die da politisch kommen.

Weiße Salbe für die Wunde: Auch die Nachbarländer sind nicht besser

Die Städte und Kommunen haben bis 2028 Zeit bekommen, auszuloten, was die Fernwärme-Netze bundesweit hergeben und welchen Vorteil mögliche Quartier-Lösungen bringen könnte. Gerade im Altbaubereich sind Wärmepumpen keine Lösung, sondern schaffen sogar ganz neue Probleme - zum Beispiel, wenn es um denkmalgeschützte Bausubstanz geht. Aus Sicht des Heizungsverbandes sind hier kommunikativ (aus schierer Verzweiflung über das eigene Scheitern) weitere haltlose Versprechen ausgesprochen und überzogene Erwartungen geweckt worden.

Klimaneutralität in 2030? De von SPD, Grünen mit der FDP vorangetriebene Dekarbonisierung ist auf den sicheren Wege zu scheitern. Nur die Tatsache, dass es selbst in unsren Nachbarländern nicht viel besser aussieht, man für die Regierungsvertreter ein wenig wie weiße Salbe wirken.

Der BDH sieht, dass der ganze Kontinent schwächelt und sich in frühere Zeiten zurück träumt. In Polen minus 31 Prozent, in Frankreich und Italien in etwa gleich bei minus 13-14 Prozent. Selbst auf der Insel in Großbritannien, wo man sich bekanntlich von europäischen Zahlen nicht mehr beeindrucken lässt, ist der Absatz von Heizungen um 24 Prozent eingebrochen, im ersten Quartal.

Dass Deutschland absehbar wieder die europäische Führungsrolle anstrebt, gilt deshalb als eher unwahrscheinlich. Das Thema ist politisch toxisch und sorgt nur für noch schlechtere Stimmung, wenn dies etwa im Wahlkampf in Th[ringen, Brandenburg und Sachsen angesprochen wird. Selbst Robert Habeck höchstselbst scheint die Worte Wärmewende und Gebäude-Energiegesetz auf seinen persönlichen Index gesetzt zu haben. Momentan geht es ihm darum, Zeit zu gewinnen.

Mit der „Letzten Generation“ in der Sackgasse und kein Weg heraus

Freilich gibt es die bei den Klimazielen nicht wirklich, wie der tägliche Wetterbericht mit den Sturzregengüssen veranschaulicht. Und auch die Opposition in Form der radikalen „Letzten Generation“, die neuerdings wieder mit Klebe-Aktionen an Flughäfen auf sich aufmerksam macht, hat wieder die Schlagzahl und den Druck erhöht. Die Ampel steckt bei dem Thema in einem Dilemma, in das sie sich selbst manövriert hat. Niemand scheint einen Stadtplan dabei zu haben, wie man aus der Sackgasse kommt, egal ob mit dem Auto - oder auf einem neuen Lastenrad.

BDH-Hauptgeschäftsführer Stadt verweist auf das nötige Vertrauen der Verbraucher in die Heizungsmodernisierung und appelliert an die Regierung dies zu stärken: „Wir haben eine attraktive Förderung, sämtliche technischen Lösungen sind verfügbar und das Fachhandwerk hat Kapazitäten. Das sind gute Bedingungen, um jetzt in die Heizungsmodernisierung zu investieren.” die Handwerker brauchen ihrerseits dringend mehr Planungssicherheit. Denn Heizungen oder Wärmepumpen zu verkaufen, ist das eine in der Statistik, das andere diese wirklich zu verbauen. Die Erfahrung der vergangenen drei Jahre beweist, dass das nicht unbedingt zusammen passt.

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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