Technologie

Hausbesitzer warten ab: Jede dritte Heizung in Deutschland über 20 Jahre im Einsatz

Lesezeit: 4 min
19.11.2023 08:39  Aktualisiert: 19.11.2023 08:39
Der Heizungsmarkt in Deutschland ist im Umbruch. Die Bundesregierung forciert den Einbau energiefreundlicher Technik, vor allem Wärmepumpen sollen den Verbrauch von Gas und Öl reduzieren. Problem ist, dass die Hauseigentümer verunsichert sind: statt zu investieren, warten sie ab. Die Installateure bauen diesen Winter mehr neue Gasheizungen als alternative Techniken.

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Andreas Schwarz, Heizungsinstallateur aus Bad Freienwalde, rollt nur mit den Augen, wenn man ihn danach fragt, wie viele Wärmepumpen er diesen Herbst schon im Berliner Umland eingebaut hat: „Eigentlich gar keine, meine Kunden wollen alle noch schnell eine neue Gasheizung, am liebsten von Buderus oder MHG Heiztechnik“, sagt der Handwerker. „Bei uns in Brandenburg“, ergänzt er, „ist die Skepsis gegen Habecks Heiz-Pumpen weit verbreitet.“

„Mit einer neuen Brennwert-Therme haben sie für 30 Jahre erst einmal wieder Ruhe.“ Sein Terminkalender sei zwar voll, sagt Schwarz von der Firma Objektservice. Doch er habe entschieden, bis zum Jahreswechsel „nur noch Gasgeräte zu verbauen“. Nicht wenige auf dem Lande wollten so zugleich „dem Wirtschaftsminister ein Schnippchen“ schlagen.

Der erfahrene Installateur-Meister aus Brandenburg spielt damit auf die Rechtslage an, wonach in Neubauten ab Januar 2024 unmittelbar die Verpflichtung des Bauherrn bzw. Hauseigentümers greift, nur noch Heizungsanlagen installieren zu lassen, die zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist werden. Also nicht aus Öl oder Gas, sondern vornehmlich aus Ökostrom. Wer diesen Winter noch einen Termin beim Gas-, Wasser-, Heizung-, Sanitärbetrieb seiner Wahl bekommt, entscheidet sich zumeist daher für eine kostengünstige und weitgehend in ihrer bewährten Technik vertraute Gastherme.

Natürlich steigt insgesamt die Nachfrage nach Wärmepumpen am Markt an. Noch nie wurden so viele verkauft wie in 2023 – ein Plus von 86 Prozent zum Vorjahr. Doch in der Regel geht es dabei offenkundig um die Ausstattung von neugebauten Büro- und Mehrfamilienhäusern, die noch Anfang des Jahres den statistischen Trend bestimmt haben. Trotz der allgemeinen Krise beim Neubau in Deutschland sind unterdessen längst projektierte Gebäude fertig geworden, und da wurden im Auftrag der Bauherren nun unzählige der geforderten Wärmepumpen verbaut und angeschlossen.

Förderantrage massiv gesunken

Doch eigentlich ist es das Ziel im Wirtschaftsministerium, die Energiewende mit jährlich einer halben Million verbauter Wärmepumpen zu erzwingen. Weit verfehlt. Die aktuellen Zahlen sind für Robert Habeck (Grüne) ernüchternd. Kaum 300.000 Stück sind nach Angaben des Bundesverbandes der deutschen Heizungsindustrie (BDH) bis Ende des Sommers installiert worden und ans Netz gegangen. Das Klimaziel der 1,5-Grad-Grenze rückt in weite Ferne.

Der politische erwünschte Boom bei Wärmepumpen ist völlig verpufft. Das Wachstum hat sich im Vergleich zu den ersten neun Monaten des Jahres de facto sogar abgeschwächt, so der Befund des BDH. Der Marktanteil von Wärmepumpen liegt bei gerade mal einem Viertel. Gasheizungen machen fast zwei Drittel der Verkäufe aus, und selbst die verpönten Ölheizungen werden noch zu neun Prozent an den Mann gebracht, mithin eine Erhöhung um zwei Prozent.

Selbst das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gibt an, dass die Anzahl der Förderanträge für Wärmepumpen im Vergleich zu 2022 um mehr als 70 Prozent gesunken sei. Das Fernziel von sechs Millionen Wärmepumpen bis zum Jahr 2030 wird so nur mit verdoppelter Schlagzahl zu erreichen sein, heißt es.

Insgesamt sind im Lande bislang erst 1,6 Millionen Wärmepumpen im Einsatz. Im Vergleich zu unseren nördlichen Nachbarländern geradezu verschlafen wenig. Das liegt auch an den gestiegenen Preisen für Wärmepumpen. Weder Hersteller noch die Installateure sind zu Jahresbeginn angesichts der gestiegenen Nachfrage hinterhergekommen. Nun seien zwar die Produktionskapazitäten deutlich erhöht worden, aber es gibt laut der Handwerkskammern nicht ausreichend Fachleute, um sie kompetent einzubauen. Viele Firmen müssten überhaupt erst die Mitarbeiter ordentlich nachschulen, um sie für die politisch gewollte und gesellschaftlich wünschenswerte Energiewende fit zu machen.

Derweil warten die völlig verunsicherten Hauseigentümer in ihren Einfamilienhäusern ab, wie sich die Sache mit Habecks Heizungsgesetz bewährt - in Praxis und Zukunft. Der Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) hat unlängst Zahlen bekannt gegeben, die Klimaschützer erschrecken lassen. „Jede dritte Heizung ist älter als 20 Jahre“, ließ Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae die Öffentlichkeit wissen und legte eine in die Tiefe gehende Studie mit dem Titel „Wie heizt Deutschland 2023?“ vor.

Sonderkonjunktur wie seit der Wende nicht mehr

Es handelt sich um eine fundierte Bestandsaufnahme der deutschen Wärmeversorgung in den Privathaushalten des Landes. Auf Grundlage von Zahlen des Statistischen Bundesamtes, Stichproben und Fragebögen ist der Verband sogar zu regional interessanten Ergebnissen gekommen. Besonders veraltet seien die Ölheizungen mit 17,7 Jahren auf der Uhr. Sie würde man besonders häufig in Heizungskellern im Süden der Republik finden. Grundsätzlich sind in Bayern und Baden-Württemberg mit Laufzeiten von 15,5 bzw. 14,6 Jahren Betriebsdauer die meisten alten Heizungen in Gebrauch. Niedersachsen mit 12,3 Jahren sowie Brandenburg mit 11,7 Jahren Laufzeit liegen im Feld vorne.

Der BDEW freut sich derweil über eine Sonderkonjunktur wie in den Jahren nach der Wiedervereinigung nicht mehr. Die Heizungshersteller haben gut zu tun und verdienen prächtig. 46 Prozent mehr Geräte als im Vorjahr und in absoluten Zahlen mehr als eine Million Geräte seien abgesetzt worden. Das spricht Bände für die Bereitschaft der Hauseigentümer in die Erneuerung ihrer technischen Anlagen zu investieren, ganz so wie sich Mieter und Hausbesitzer zu Corona-Zeiten neue Küchen zugelegt hatten. Nur würde das Geld halt nicht in die gewünschten Wärmepumpen gesteckt. 625,000 Gasheizungen bilden die Spitze der Statistik und verdeutlichen eine Art Abstimmung der Wähler darüber, was sie vom Hin und Her um das Gebäude-Energiegesetz halten.

Bundestag berät über Wärmeplanungsgesetz

Wie es anno 2024 weitergeht, erscheint fraglich. Experten schätzen, dass der Run auf Gasthermen eine Art Vorzieheffekt beinhaltet und im kommenden Jahr womöglich eher weniger Geräte nachgefragt werden. Auch deshalb, weil nun erst einmal das Wärmeplanungsgesetz verabschiedet werden muss, zu dem in der kommenden Woche im Deutschen Bundestag beraten wird.

Demnach sollen Städte bis Mitte 2026 und Gemeinden bis Mitte 2028 Zeit bekommen, eine umfassende Wärmeplanung vorzulegen. Auf deren Grundlage könnten dann weitere Investitionen erfolgen, je nachdem, ob Hauseigentümer an städtische Netze Anschluss haben oder auf dem Land womöglich sogar lieber mit Pelletöfen Holz verheizen. Der Heizungsverband warnt bereits, dass damit weitere Jahre für die anstehende Modernisierung der Heizungsanlagen verstreichen, ohne dass die angestrebten Ziele des Klimaschutzes überhaupt noch hinreichend Beachtung fänden. Die deutsche Umwelthilfe bringt es in ihrer Kritik wieder mal auf den Punkt. In dem Gesetzentwurf der Ampel sei jeglicher Anspruch auf Klimaschutz abhandengekommen.

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Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.



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