Technologie

Sprengung der AKW-Kühltürme Grafenrheinfeld steht bevor

Die Era der Atomkraft geht in Deutschland allmählich auch sichtbar seinem Ende entgegen. Jetzt sind nicht nur die Kraftwerke abgeschaltet, sondern werden auch die Kühltürme abgerissen - so wie jetz das AKW Grafenrheinfeld.
15.08.2024 10:05
Lesezeit: 2 min

Ohrenschützer brauchen die Schaulustigen wohl nicht, auch die FFP2-Maske kann im Schrank bleiben: Sollte auf den letzten Metern nicht noch etwas Unvorhersehbares geschehen, werden die Kühltürme des Atomkraftwerkes (AKW) Grafenrheinfeld in Unterfranken an diesem Freitag (16. August) gesprengt.

143 Meter hoch, am Boden beträgt der Durchmesser je rund 105 Meter, etwa 64 Meter sind es am oberen Ende - mit nur wenigen Sekunden Abstand sollen die beiden Kolosse südlich von Schweinfurt wahrscheinlich gegen Abend in sich zusammenfallen. Womöglich unter den Augen tausender Schaulustiger, die sich außerhalb der Absperrzone entlang des Mains und auf Wiesen und Feldern niederlassen können.

Wenn alles klappt, wird es die bundesweit zweite Sprengung von Kühltürmen eines stillgelegten Kernkraftwerks gewesen sein. Im Mai 2020 waren in Deutschland erstmals zwei Kühltürme eines Atomkraftwerkes gesprengt worden – im baden-württembergischen Philippsburg. Das fand damals aber coronabedingt ohne Öffentlichkeit statt.

Erst Fanfarenstöße und ein Knall

„30 Sekunden - so lange dauert die Party“, erklärt der verantwortliche Projektleiter im Kraftwerk, Matthias Aron. Die Sprengung wird zunächst durch Sprengsignale, sogenannte Fanfarenstöße, angekündigt. Unmittelbar davor soll es einen Knall geben. So soll verhindert werden, dass Tiere wie Vögel, die noch auf den Kühltürmen sitzen, zu Schaden kommen.

Danach erfolgt die eigentliche Sprengung: Zuerst der nördliche Turm mit dem kraftwerksinternen Namen ZP2, 15 Sekunden später ist ZP1 dran. „Ein Donnerschlag ist lauter als die Sprengung“, versichert Anlagenleiter Bernd Kaiser. Zurück bleibt, wenn alles klappt, ein sehr überschaubarer Schutthaufen.

Mehr als zwei Drittel des Materials sollen Aron zufolge später weiter genutzt werden, etwa um eine Lagerfläche herzustellen. Da die Türme nach Angaben des Betreibers Preussenelektra keine Verbindung zum nuklearen Teil der Anlage haben, sind sie auch nicht kontaminiert - radioaktive Strahlung wird also nicht freigesetzt. Insgesamt kostet der Abbruch der Kühltürme gut drei Millionen Euro.

Atomausstieg nach Fukushima

Das AKW Grafenrheinfeld war bis zu seiner Abschaltung das älteste noch aktive Atomkraftwerk in Deutschland. Bis 2015 war es 33 Jahre im Dienst. Seit 2018 läuft dort der Rückbau – und der dauert laut Projektleiter Aron wahrscheinlich auch noch zehn Jahre.

Nach der verheerenden Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 schwenkte Deutschland um auf einen Anti-Atom-Kurs. Acht vorwiegend ältere AKWs mussten noch im Sommer 2011 endgültig vom Netz. Nach gut sechs Jahrzehnten Atomenergie in Deutschland wurden im April 2023 die drei letzten Kernkraftwerke abgeschaltet. Die Endlager-Frage ist weiter ungelöst. 27.000 Kubikmeter hoch radioaktiver Müll gehören zur Bilanz von mehr als 60 Jahren Atomkraft in Deutschland.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Novo Nordisk-Aktie: Wie Analysten die Zukunft nach dem Crash bewerten
28.11.2025

Die jüngsten Turbulenzen rund um die Novo Nordisk-Aktie haben Anleger verunsichert und den Blick auf Chancen und Risiken neu geschärft....

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krise: Trumps wechselhafte Politik erschüttert Vertrauen
28.11.2025

Die diplomatischen Bemühungen in Genf zeigen, wie stark der Ukrainekrieg inzwischen von wechselhaften Signalen aus Washington geprägt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Forschungsdominanz: Wachsende Risiken für Europas Sicherheit
28.11.2025

China treibt den globalen Technologiewandel voran und zwingt Europa zu einer strategischen Neubewertung seiner Abhängigkeiten. Welche...

DWN
Politik
Politik Sicherheitsgarantien Ukraine: Warum Washington plötzlich auf einen Deal drängt
27.11.2025

Wachsende Irritationen in Europa treffen auf ein Washington, das den Ton sichtbar verschärft und ein Friedensabkommen zur Bedingung für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Studie von KfW Research: Industriestandort Deutschland benötigt mehr Wagniskapital
27.11.2025

Deutschlands Industrie steht unter Druck: KfW Research sieht schrumpfende Wertschöpfung und zu wenig Risikokapital. Chefvolkswirt Dirk...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Immer mehr Arbeitsplätze wandern ins Ausland ab: Wirtschaftsstandort Deutschland wackelt
27.11.2025

Hohe Preise für Energie, belastende Lohnnebenkosten, eine ausufernde Bürokratie und politische Vorgaben des Staates: Immer mehr Firmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Microsoft-Aktie im Fokus: Rekordinvestitionen in Cloud und KI stärken das Wachstum
27.11.2025

Microsoft setzt mit massiven Investitionen in Cloud-Infrastruktur und künstliche Intelligenz auf Wachstum und Innovation. Können diese...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundespräsident Steinmeier: Europa muss Potenzial als Wirtschaftsmacht ausschöpfen
27.11.2025

Krieg, Machtverschiebungen und zähe Entscheidungen in der EU belasten die Wirtschaftsmacht Europa. Auf dem Wirtschaftsforum in Madrid...