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Stromerzeugung aus Windkraft: Die Dynamik nimmt ab

Im vergangenen Jahr war Windkraft erstmals die Hauptquelle der hiesigen Stromerzeugung, weit vor Kohle. Doch in diesem Jahr ist eine deutliche Verlangsamung zu bemerken, die Windstromerzeugung wächst nur noch marginal. Es drohen wieder steigende CO2-Emissionen.
07.09.2024 11:02
Lesezeit: 4 min

Geht es um Stromerzeugung aus alternativen Energiequellen steht meist die Solarenergie im Fokus, denn zweifellos sind die Wachstumszahlen dieses Sektors spektakulär. Allein in den vergangenen fünf Jahren wuchs die weltweite Stromerzeugung aus Solarenergie doppelt so schnell, wie jene aus Windenergie. Hinsichtlich der installierten Erzeugungskapazitäten legte die Solarenergie zwischen 2018 und 2023 um gut 190 % zu, die globale Windkraftkapazität wuchs nur um 80 %. Dieser Wachstumstrend setzt sich bis dato fort, in der ersten Jahreshälfte lag die Solarstromerzeugung im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum etwa drei Mal höher als jene aus Windkraft. Geschuldet ist dieser Umstand allerdings weniger einer möglicherweise überlegenen Technik, sondern lässt sich vielmehr auf die deutlich niedrigeren Kosten und kürzeren Bauzeiten gegenüber vergleichbaren Windkraftprojekten zurückführen.

Windkraft ist weltweit größte erneuerbare Stromerzeugungsart

Wenn auch das Kapazitätswachstum der Solarstromerzeugung unvermindert anhält und deren Stromerzeugung die aus Windenergie über weite Strecken des Jahres regelmäßig übertrifft, dürften Windkraftanlagen ihre weltweite Führungsrolle unter den erneuerbaren Stromerzeugungsarten behalten. Ungewöhnlicherweise übertraf die Solarstromerzeugung in diesem Jahr die aus Windkraft in den Monaten Mai bis Juli (und vermutlich auch August). Dies ist die längste Zeitspanne jemals in der Solarstrom dominierte, bisher war dies lediglich im vergangenen Jahr in den Monaten Juni und August der Fall. Üblicherweise markiert der August den Monat mit den geringsten Windgeschwindigkeiten auf Turbinenhöhe und bietet gleichzeitig die für die Solarstromerzeugung zweitgünstigsten Bedingungen. Schon im September dürfte die Windenergie jedoch ihren Platz als wichtigste erneuerbare Energiequelle weltweit zurückerobern, später dann unterstützt durch steigende Windgeschwindigkeiten während des beginnenden Winters in Europa, Nordamerika und Nordasien. Der Höhepunkt der Windstromerzeugung liegt stets im Winter der Nordhalbkugel, diese kann dann mehr als doppelt so hoch sein, wie die aus Solaranlagen. Für das Jahr 2024 wird die gesamte Stromerzeugung aus Windkraft global betrachtet derzeit um mindestens 30 % höher erwartet als jene aus Sonnenenergie.

Windstromerzeugung dominiert auch in Deutschland

Nach Außerdienststellung der drei letzten deutschen Kernkraftwerke im April des vergangenen Jahres wurde Deutschland 2023 zum ersten Mal seit über 20 Jahren zum Stromnettoimporteur, die eigene Erzeugung fiel im letzten Jahr mit knapp 450 Terrawattstunden im Vergleich zum Vorjahr um 11,8 % und damit auf ihren bisherigen Tiefstwert. Mit einem Anteil von 31 % haben Windkraftanlagen im Jahr 2023 erstmals Kohlekraftwerke als Hauptquelle der deutschen Stromerzeugung überholt, und auch im laufenden Jahr bleibt Wind die wichtigste Erzeugungsart. So lag der Anteil der Windenergie im deutschen Energiemix von Januar bis Juli bei rund 28 %, gefolgt von Kohle mit 19,5% und Solar mit 17,5 %. Da die windreichste Zeit des Jahres noch bevorsteht, dürften die Windparks ihren Anteil an der Gesamtstromerzeugung im Laufe des restlichen Jahres weiter auszubauen. Die in der ersten Jahreshälfte zum Netzanschluss genehmigten 900 neuen Turbinen mit einer Gesamtkapazität von 5.021 Megawatt stellen zwar eine Rekordmenge dar, allerdings ging die Anzahl der in Betrieb befindlichen Turbinen bislang zurück, bis Ende Juli wurden 30 Turbinen mehr stillgelegt als neu angeschlossen. Zudem herrscht über das tatsächliche Erzeugungspotenzial Unklarheit, da dieses vor allem von den Windgeschwindigkeiten in den wichtigsten Parks abhängig ist.

Wachstumsdynamik lässt nach

Die derzeitigen Prognosen hinsichtlich der diesjährigen Windkrafterzeugung in Deutschland gehen davon aus, dass diese kurzfristig, im September, zwar leicht über den langfristigen Erzeugungsniveaus liegen, später im Jahr jedoch aufgrund langsamerer als normaler Windgeschwindigkeiten durchweg unter die durchschnittlichen Produktionsraten zurückfallen wird. Sollten diese Voraussagen eintreffen, würde die Gesamterzeugung im Jahr 2024 hierzulande nur 0,9 % über der des Jahres 2023 liegen. Dieser Zuwachs von weniger als 1 % steht im Vergleich zu einer jährlichen Wachstumsrate von 12,4 % im Vorjahr und 11,2 % im Jahr 2022, aus Sicht der Befürworter erneuerbarer Energien ist dies durchaus eine Enttäuschung. Selbstverständlich sind Wind- und Wetterprognosen mit großen Unsicherheiten behaftet und können sich als unrichtig erweisen, jedoch spricht auch die deutliche Änderung in Sachen Winderzeugungsinfrastruktur mit der bereits erwähnten Netto-Reduzierung um 30 Turbinen für ein plötzlich sehr überschaubares Wachstum dieser Stromerzeugungsart. Es soll nicht unter den Tisch fallen, dass die neu installierten Aggregate die Gesamtkapazität der entsorgten zwar übersteigt, jedoch sagt das bloße Vorhandensein von Kapazität noch nichts über die tatsächlich erzeugte Leistung aus. Mehr Anlagen bedeuten auch mehr Möglichkeiten hinsichtlich der Wahl der Standorte, was diesbezüglich eine bessere Diversifizierung erlaubt und die Chance auf nutzbaren Wind insgesamt erhöht.

Kehrtwende auf dem Emissionspfad

Sollten sich die derzeitigen Prognosen bezüglich der Windstromerzeugung als weitgehend richtig erweisen und dessen Wachstumsrate, trotz neuerer und leistungsstärkerer Turbinen, tatsächlich derart stark abfallen, drohen in den kommenden Monaten Engpässe in der Stromversorgung, insbesondere dann, wenn die industrielle Stromnutzung wieder zunehmen sollte. Kohle- und Gaskraftwerke können ein solches Defizit natürlich ausgleichen, gewollt ist dies aber nicht, würde es doch den eingeschlagenen Weg hin zu saubererer Energieerzeugung untergraben. Denn schließlich fiel die Stromeinspeisung aus Kohle, nach einem deutlichen Anstieg in 2022, im vergangenen Jahr wieder deutlich ab und lag im Juni sogar unter dem bisherigen Tiefststand von 2020. Der Erdgasanteil erhöhte sich 2023 zwar leicht, blieb jedoch weiter unter dem Niveau der Jahre 2019 bis 2021. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres schrumpfte die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen im Vergleich zu 2023 um 14,5 % und erreichte damit zudem den niedrigsten Stand in diesem Zeitraum.

Im deutschen Energiemix spielen fossile Energieträger eine kleiner werdende Rolle, entsprechend besser fällt auch die Emissionsbilanz aus. Von Januar bis Juli sanken die Emissionen des deutschen Stromsektors aus fossilen Brennstoffen auf ein Rekordtief von 85,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid, das waren drei Millionen Tonnen weniger als im gleichen Zeitraum 2023. Aber nach wie vor sind kohle- und gasbefeuerte Kraftwerke ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Energiesystems, und so könnten diese Emissionen wieder steil ansteigen, wenn die Energieversorgungsunternehmen verpflichtet würden, etwaige Ausfälle von Windparks durch eine höhere Kohle- und Gasproduktion zu kompensieren.

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Markus Grüne

                                                                            ***

Markus Grüne (49) ist langjähriger professioneller Börsenhändler in den Bereichen Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 arbeitet er als freier Finanzmarkt-Journalist, wobei er unter anderem eigene Börsenbriefe und Marktanalysen mit Fokus auf Rohstoffe publiziert. 

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