Unicredit hält nun etwa neun Prozent der Commerzbank-Aktien. Die Börse reagierte positiv: Die im DAX notierten Commerzbank-Aktien verzeichneten zweistellige Kursgewinne.
Die Gewerkschaft Verdi kündigte Widerstand gegen eine mögliche Übernahme der Commerzbank an, Deutschlands zweitgrößter privater Bank. Verdi forderte Unterstützung vom Bund, der erst kürzlich begonnen hatte, sich aus der Commerzbank zurückzuziehen. Unicredit hielt sich offen, ob sie ihren Anteil an der Commerzbank weiter erhöhen will. Sie beabsichtigt jedoch, die Genehmigung der Aufsichtsbehörden einzuholen, um den Anteil auf über 9,9 Prozent ausweiten zu können. "Mit der heutigen Meldung wird die Commerzbank unserer Meinung nach wieder ein Übernahmeziel", schrieb Philipp Häßler, Analyst bei der DZ-Bank.
Commerzbank: Einstieg von Unicredit kommt überraschend
Der Kauf von rund neun Prozent der Commerzbank-Aktien durch Unicredit überraschte viele. "Der Einstieg der Unicredit ist ein cleverer Schachzug, entweder für eine spätere Übernahme oder um bei einem Übernahmeversuch durch andere ein Wörtchen mitzureden." Die Tatsache, dass Unicredit 4,5 Prozent direkt vom Bund erwarb, wertet Häßler als Zeichen dafür, dass der Bund keine Einwände gegen Unicredit als neuen Großaktionär hat.
Die Commerzbank betonte, dass der Vorstand und der Aufsichtsrat weiterhin im besten Interesse aller Aktionäre, Mitarbeiter und Kunden handeln. Die Beteiligung der Unicredit sei ein "Zeichen für die Bedeutung der Commerzbank". Für Mittwoch um 17 Uhr war eine außerordentliche Sitzung des Aufsichtsrats der Commerzbank geplant. Öffentliche Äußerungen wurden jedoch nicht erwartet.
Alarmstimmung bei Verdi
Verdi zeigte sich alarmiert. Stefan Wittmann, Gewerkschaftssekretär bei Verdi und Commerzbank-Aufsichtsrat, kündigte dem "Handelsblatt" gegenüber an, man werde sich "mit allen Mitteln" wehren. Er verwies auf die Übernahme der Hypovereinsbank durch Unicredit, bei der viele Stellen abgebaut und Funktionen nach Italien verlagert wurden.
Wittmann forderte die Bundesregierung auf, einzuschreiten. "Der Bund muss seine verbliebenen zwölf Prozent nutzen, um eine schädliche Übernahme zu verhindern." Verdi-Chef Frank Werneke mahnte: "Der Bund darf keine weiteren Commerzbank-Anteile verkaufen." Das Bundesfinanzministerium reagierte zurückhaltend und kündigte eine "grundlegende Analyse" der neuen Situation an.
Politik begrüßt den Unicredit-Einstieg
Politiker der Ampelkoalition reagierten entspannt auf den Einstieg. Michael Schrodi, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagte, der Bund bleibe größter Einzelaktionär der Commerzbank. "Eine Übernahme durch Unicredit ist derzeit nicht abzusehen." Zugleich betonte er, dass bei weiteren Anteilsverkäufen die Interessen der Beschäftigten berücksichtigt werden sollten.
FDP-Finanzsprecher Markus Herbrand begrüßte den Einstieg von Unicredit: "Anstatt eine feindliche Übernahme zu befürchten, sollten Management und Belegschaft stolz sein, dass ihre harte Arbeit die Commerzbank zu einem attraktiven Investment gemacht hat." Aktuelle Sorgen vor einer Übernahme seien unbegründet.
Die Unicredit erwarb etwa die Hälfte ihres Pakets vom Bund, der im Zuge seines angekündigten Rückzugs 4,5 Prozent an die Italiener verkaufte. Laut der Finanzagentur des Bundes zahlte Unicredit einen höheren Preis als der Schlusskurs am Dienstagabend, was zu einer vollständigen Zuteilung führte.
Durch den Verkauf der 53 Millionen Aktien nahm der Bund über 700 Millionen Euro ein. Der Staatsanteil an der teilverstaatlichten Commerzbank sinkt damit auf 12 Prozent. Der Bund hatte jedoch bereits erklärt, seinen Anteil schrittweise weiter zu reduzieren.
Mit einem Anteil von neun Prozent ist Unicredit nun der zweitgrößte Aktionär der Commerzbank. Bereits vor fast 20 Jahren hatte Unicredit in Deutschland zugeschlagen, als sie 2005 die Hypovereinsbank für 15 Milliarden Euro kaufte. Seitdem ist die italienische Bank im deutschen Privatkundengeschäft stark vertreten, obwohl sie seit der Übernahme Stellen und Filialen erheblich reduziert hat.
Commerzbank: Kein Kommentar zu möglichen Konsequenzen
Ende Juni hatte Unicredit in Deutschland noch rund 260 Filialen und etwa 9.700 Vollzeitkräfte. Die Commerzbank beschäftigte Ende Juni laut Halbjahresbericht fast 39.000 Vollzeitkräfte, von denen etwas mehr als 25.000 in Deutschland tätig sind. Ende 2023 betrieb die Commerzbank etwa 400 Filialen in Deutschland.
Am Mittwoch äußerte sich die Commerzbank kaum. Man habe die Erklärung der Unicredit zur Kenntnis genommen, wolle sich aber nicht zu möglichen Konsequenzen äußern. Laut der "Financial Times" ist die Commerzbank offen für Fusionsgespräche mit Unicredit, berichtete die Zeitung unter Berufung auf informierte Kreise.
Sowohl Unicredit als auch Commerzbank gehörten zu den größten Verlierern der Finanzkrise 2008/2009 und der Schuldenkrise in der EU. Die Aktien beider Banken hatten damals mehr als 90 Prozent ihres Wertes eingebüßt. Seitdem haben sich die Kurse, auch dank der gestiegenen Zinsen, deutlich erholt, wobei Unicredit eine stärkere Erholung erlebte.
Die Unicredit-Aktie hat sich seit ihrem Tiefpunkt im Corona-Crash 2020 mehr als versechsfacht. Mit einer Marktkapitalisierung von fast 60 Milliarden Euro könnte sich die Unicredit eine Übernahme der Commerzbank leisten. Dagegen liegt die Marktkapitalisierung der Commerzbank mit 17,5 Milliarden Euro deutlich niedriger.
Unicredit-Einstieg: Freude an der Börse
Die Nachricht vom Unicredit-Einstieg sorgte bei Commerzbank-Investoren für Freude: Die Aktie stieg am Nachmittag um 17 Prozent auf 14,735 Euro und näherte sich damit dem Mehrjahreshoch von 15,825 Euro an, das im Mai erreicht wurde. Nach Veröffentlichung der Zahlen für das zweite Quartal fiel der Kurs jedoch auf knapp 12 Euro, unter anderem wegen Sorgen über sinkende Zinsen und hohe Kosten.
Der Anstieg nach Bekanntgabe der Unicredit-Beteiligung glich die Rückschläge aus. Die Unicredit-Aktie profitierte kurzzeitig, fiel aber später auf das Niveau vom Vortag zurück. Die Experten von KBW kommentierten, dass eine vollständige Übernahme der Commerzbank für Unicredit finanziell und strategisch sinnvoll sein könnte.
In der Führungsetage der Commerzbank steht unterdessen ein Umbruch bevor: CEO Manfred Knof wird seinen Vertrag nicht verlängern. Die Nachfolge soll schnell geklärt werden. Als Favoritin gilt Finanzchefin Bettina Orlopp, der bereits Ambitionen auf den Chefposten nachgesagt wurden. Auch von einem internen Machtkampf war zuletzt die Rede.