Die Europäische Zentralbank (EZB) reagiert auf die abflauende Inflation im Euroraum. Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagenzins, den Banken erhalten, wenn sie überschüssiges Geld bei der Notenbank parken, sinkt um 0,25 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent. Das teilt die Notenbank in Frankfurt mit. Jüngste Inflationsdaten seien im Rahmen der Erwartungen ausgefallen. Damit schreitet die EZB bei ihrer im Juni begonnenen Zinswende voran.
Die Währungshüter versprechen sich von einer Zinssenkung positive Wachstumsimpulse. Unternehmen und Privathaushalte können bei günstigeren Krediten leichter investieren und konsumieren. Umgekehrt müssen sich Sparer auf fallende Zinsen bei ihrer Bank und geringere Renditen etwa bei Lebensversicherungen einstellen.
EZB begrenzt Korridor zwischen Leitzinsen
Zudem setzt die EZB eine technische Neuerung um: Sie führt den Einlagenzins näher an den Zins heran, mit dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können („Hauptrefinanzierungssatz“). Dieser war früher als wichtigster Leitzins bekannt.
Die Notenbank hatte im März beschlossen, den Abstand zwischen den beiden Zinssätzen ab 18. September von 0,5 auf 0,15 Prozentpunkte zu begrenzen. Der Hauptrefinanzierungssatz sinkt daher noch stärker um 0,6 Prozentpunkte auf 3,65 Prozent, wie die EZB weiter mitteilte.
Der engere Zinskorridor soll Schwankungen bei den kurzfristigen Zinsen verringern und mehr Planbarkeit für Banken schaffen. Für Privatkunden dürfte der Schritt kaum Auswirkungen haben, da sich Geldhäuser ohnehin am Einlagenzins orientieren.
Erfolge im Kampf gegen die Inflation
Volkswirte hatten mit der Entscheidung der EZB gerechnet, denn zuletzt hatte sich die Inflation in der Eurozone dem EZB-Ziel von mittelfristig zwei Prozent genähert: Im August fiel die Teuerungsrate auf 2,2 Prozent zum Vorjahreszeitraum – der niedrigste Stand seit Sommer 2021. In Deutschland sank die Inflation besonders deutlich auf 1,9 Prozent.
Die EZB hatte im Juni die Zinswende eingeleitet und erstmals seit der Inflationswelle die Leitzinsen gesenkt. Zuvor hatte die Notenbank zehnmal in Folge die Zinsen nach oben geschraubt, um die nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hochgeschossene Teuerung in den Griff zu bekommen. Ihren Höchststand hatte die Inflation in der Eurozone im Oktober 2022 bei mehr als zehn Prozent erreicht.
Warnungen vor zu schneller Lockerung
Jedoch hält sich die von Ökonomen viel beachtete Kerninflation ohne schwankungsanfällige Preise für Energie und Nahrungsmittel zäh: Sie sank im August nur um 0,1 Prozentpunkte auf 2,8 Prozent. Die Bundesbank etwa warnt vor einer allzu schnellen Lockerung der EZB-Geldpolitik. „Noch sind wir nicht am Ziel", mahnte Präsident Joachim Nagel kürzlich.
Die EZB sieht Preisstabilität bei einer Inflationsrate von zwei Prozent in der Eurozone gewahrt. Eine höhere Teuerung schmälert die Kaufkraft von Verbrauchern. Zugleich will die Notenbank geringere Raten oder gar sinkende Verbraucherpreise (Deflation) vermeiden: Sie bergen die Gefahr, dass Firmen wie Konsumenten Anschaffungen verschieben, da sie noch niedrigere Preise erwarten.
Warum das Ifo-Institut nicht restlos überzeugt ist
Nicht alle freilich sind völlig überzeugt. Der Präsident des Ifo-Instituts Clemens Fuest hat die Zinssenkung der EZB als „vertretbar“ bezeichnet. „Angesichts der sinkenden Inflation in den letzten Monaten und schwacher Konjunkturaussichten kann man eine Lockerung der Geldpolitik rechtfertigen“, sagte er am Donnerstag in München. „Allerdings ist zu beachten, dass die Inflation im Dienstleistungssektor noch über vier Prozent liegt. Insofern bleiben Inflationsrisiken. Weitere Zinssenkungen erscheinen nur dann angemessen, wenn der Rückgang der Inflation sich fortsetzt. Unmittelbare Auswirkungen auf die Konjunktur wird diese Zinssenkung nicht haben, weil sie an den Märkten schon eingepreist war.“