Nach der massiven Zinssenkung der US-Notenbank waren die ersten Marktreaktionen uneinheitlich, doch schon kurz darauf setzten deutliche Aufwärtsbewegungen ein. So erreicht Kupfer den höchsten Stand seit zwei Monaten und führte damit eine breite Rally bei den Basismetallen an. Gold konnte sein initial markiertes Allzeithoch bei 2.600 USD (Spot) zunächst nicht halten, griff diese Marke aber nach kurzer Pause unmittelbar wieder an und handelt seitdem deutlich darüber. Auch am Silbermarkt setzte sich die Hausse fort, seit Anfang August legte das weiße Metall schon knapp 19 Prozent zu – und etabliert sich über der wichtigen 30 Dollar-Marke.
Begünstigt durch Produktionsausfälle im Golf von Mexiko sowie die angespannte Lage im Nahen Osten konnte sich auch Erdöl von seinem bisherigen, am 10. August markierten Tief erholen. Eine mögliche Konjunkturbelebung durch die nun erfolgte große Zinssenkung könnte hier ebenfalls eine Trendwende unterstützen. An den Aktienmärkten fielen verschiedentlich Rekordmarken. Aktuell schwächt sich die Euphorie ein wenig ab, jedoch stehen bereits zum Wochenbeginn mehrere Reden verschiedener Fed-Vertreter an, die neue Erkenntnisse über das Tempo und den Umfang des begonnenen Lockerungszyklus erwarten lassen und für neuen Rückenwind sorgen könnten.
Neue geldpolitische Ära eingeleitet
Die vergangene Woche markierte den Beginn einer neuen geldpolitischen Ära, die theoretisch die Spekulationen an der Wall Street weiter anheizen könnte. Vor einer erwarteten Zinssenkung der US-Notenbank (Fed) hatten Anleihehändler eine stärkere Senkung als die von Ökonomen prognostizierten 25 Basispunkte eingepreist. Dies führte dazu, dass die Renditen zweijähriger Staatsanleihen mit nur noch knapp 3,5 Prozent ein Zwei-Jahres-Tief erreichten. An den Aktienmärkten nahm die Risikobereitschaft bereits in den vergangenen Monaten stetig zu. Die niedriger erwarteten Zinsen wirkten sich besonders auf die Preisentwicklung von Unternehmen mit hohem Fremdkapitalanteil aus.
Die Entscheidung von Fed-Chef Jerome Powell bestärkte die Bullen nun, die auf eine „weiche Landung“ hoffen – eine Situation, in der die Wirtschaft nach der zweijährigen Phase der Inflationsbekämpfung wieder stabil wächst. Allerdings zeigen die Marktreaktionen nach der Entscheidung, dass der Weg unsicher bleibt, da sowohl Aktien als auch Anleihen zunächst ihre Gewinne abgaben. Obwohl eine weiche Landung zunehmend als Konsens gilt, herrscht Uneinigkeit darüber, wie schnell die Fed die Zinsen weiter senken wird. Einige Experten glauben, dass die Märkte die geldpolitische Wende bereits weitgehend eingepreist haben, weshalb sie nur noch begrenztes Potenzial für kurzfristige Kursgewinne sehen.
Blasenbildung und Alternativen
Während sich der Staub von der großen Zinssenkung der US-Notenbank langsam zu legen beginnt, fragen sich die Marktteilnehmer, was als nächstes kommen wird. Damit lässt ein Teil der Euphorie, die auf die Zinssenkung vom Mittwoch folgte, allmählich nach, europäische, wie US-Aktienindizes gehen leicht zurück, nachdem der S&P 500 und der deutsche DAX am Donnerstag neue Rekordhochs erreicht hatten. Auch der technologielastige Nasdaq 100 verzeichnete mit einem Plus von 2,6 Prozent seinen besten Tag seit mehr als einem Monat. Mittlerweile werden jedoch die Stimmen lauter, die vor einer Blasenbildung an den US-Aktienmärkten warnen. So empfehlen beispielsweise die Strategen der Bank of America Anleihen und Gold als Absicherung gegen eine mögliche Rezession oder abermals aufflammende Inflation. Der Investmentbank zufolge preisten die Märkte bereits eine weitere Lockerung der Geldpolitik und ein Gewinnwachstum für den S&P 500 von 18 Prozent bis 2025 ein - mögliche Enttäuschungen seien nicht auszuschließen.
Gold eilt von Rekord zu Rekord
Als natürlicher Inflationsschutz und Zinssenkungsprofiteur steht nun vor allem der Edelmetallsektor in der Gunst der Anleger. Gold stieg bereits in der der Zinssenkung vorangegangenen Woche auf ein neues Allzeithoch an, die Entscheidung der US-Notenbank katapultierte das gelbe Metall schließlich bis auf 2.600 Dollar, am Freitag auf ein weiteres Allzeithoch und zum Wochenstart mit einem Preis von 2.631 Dollar abermals in bislang unbekannte Gefilde. Mit dem jüngsten Kurssprung hat sich Gold seit Beginn des Monats mehr als fünf Prozenr verteuert.
Seit Beginn des Jahres gewann das Edelmetall aktuell 27 Prozent an Wert hinzu. Neben seiner Funktion als Krisen-Asset, die die Preisentwicklung derzeit ebenfalls unterfüttert, bleibt die nach wie vor bestehende Zinssenkungs-Fantasie der stärkste Preistreiber. So haben die großen Notenbanken, wie die Fed oder die Europäische Zentralbank – die EZB nahm ihren wichtigsten Leitzins, den Einlagensatz, in der vorvergangenen Woche zum zweiten Mal in diesem Jahr um 0,25 Prozentpunkte zurück – ja gerade erst die Zinswende eingeläutet. Da in den kommenden Monaten mit weiteren Zinsschritten zu rechnen ist, erhält dies dem Edelmetall die Attraktivität, auch wenn diese teilweise bereits eingepreist sein dürften.
Davon einmal abgesehen, bleibt auch die Nachfrageseite aus fundamentaler Sicht gut unterstützt. Zwar importierte China im Juli mit nur 44,6 Tonnen so wenig Gold wie seit zwei Jahren nicht mehr, was auf nachlassende Schmucknachfrage seitens der privaten Haushalte zurückzuführen ist. Allerdings haben professionelle chinesische Spekulanten ihre Futures-Positionen wieder aufgestockt. Einen geradezu spektakulären Nachfrageschub verzeichnet Chinas Nachbar Indien, wo die Regierung Ende Juli die Einfuhrzölle auf Gold von 15 auf sechs Prozent gesenkt und damit einen regelrechten Run der Retail-Kundschaft ausgelöst hat. So schossen die Goldimporte des weltweit zweitgrößten Importeurs im August auf einen Rekordwert von knapp 130 Tonnen.
Darüber hinaus bleibt dem Goldmarkt auch die Zentralbanknachfrage erhalten, die vor allem aus geopolitischen Gründen höhere Goldreserven anstreben. Neben den üblichen Verdächtigen aus dem Kreise der BRICS-Staaten machte vor diesem Hintergrund zuletzt die Zentralbank von Polen von sich reden. So wurde die Polnische Nationalbank (NBP), im zweiten Quartal 2024 zum zweitgrößten Goldkäufer unter den Zentralbanken, gleichauf mit Indien. Mittlerweile liegt der polnische Goldbestand bei über 377 Tonnen und macht etwa 14,7 Prozent der Devisenreserven aus. Angestrebt wird laut dem Präsidenten der polnischen Nationalbank eine Quote von 20 Prozent, auch an dieser Stelle ist demnach noch erhebliches Kaufpotenzial vorhanden.
Ein Warnzeichen kommt jedoch aus Richtung der Terminmärkte: so zeigt der Commitments of Traders Report (COT) der amerikanischen Commodity Futures Trading Commission (CFTC) eine Rekord-Long-Positionierung der großen Spekulanten. Dies deutet auf eine sich erschöpfende Nachfrage hin. Deren Gegenseite bilden die Commercials, das sogenannte Smart Money. Diese Gruppe, die vornehmlich aus Produzenten besteht, ist demnach maximal abgesichert und hat ihre Produktion per Terminkontrakten bereits weitgehend verkauft. Da diese Marktteilnehmergruppe naturgemäß über den besten Einblick in die fundamentalen Gegebenheiten verfügt, deutet diese Situation darauf hin, dass sie die zukünftige Preisentwicklung nun eher zurückhaltend einschätzt.
Silber mit Potenzial
Zwar liegt der Silberpreis im Gegensatz zu Gold derzeit erheblich unter seinen Höchstständen, dessen Performance übertrifft die seines „großen Bruders“ jedoch deutlich. Allein im laufenden Monat gewann Silber in der Spitze um mehr als 13 Prozent hinzu, seit Beginn der diesjährigen Rally Mitte Februar legte das Edelmetall bis zum Ende der vergangenen Woche gut 42 Prozent zu. Aktuell notiert Silber über der wichtigen 30-Dollar-Marke. Diese ist besonders aus technischer Sicht relevant, da sie auf mehreren Zeitebenen einen bedeutenden Widerstand darstellt. Auf Wochenbasis gelang der Schluss oberhalb dessen bereits, bleibt Silber auch zum Monatsende darüber, stehen die Chancen gut für einen weiteren Aufwärtsschub in Richtung 36 US-Dollar.
Erdöl fehlt es an klaren Impulsen
Auch Rohöl zählt zu den zinssensitiven Rohstoffen, die Reaktion des „schwarzen Goldes“ auf den US-Zinsschritt blieb jedoch verhalten. Diesem an sich Preisdruck erzeugenden Vorgang, in Kombination mit der weiterhin sehr angespannten Lage im Nahen Osten, wirkt noch gehöriger Nachfragepessimismus entgegen, vor allem bezüglich der schwächelnden chinesischen Konjunktur. Immerhin, China reagierte und nahm seinerseits einen kurzfristigen Zinssatz zurück, um die Wirtschaft zu stützen. Die Stimmung ist jedoch weiterhin düster, auch die Nachricht, dass die USA bis zu sechs Millionen Barrel Öl kaufen wollen, um die strategische Erdölreserve wieder aufzufüllen, konnte daran bislang nichts ändern. Zum Wochenbeginn konnten die Notierungen nicht an die zins- und krisenbedingten Kursgewinne der vergangenen Handelstage anknüpfen. Es muss sich erst noch zeigen, ob die deutliche US-Leitzinssenkung ein starkes Absacken der Ölnachfrage im größten Absatzmarkt der Welt verhindern kann.