Seit der Corona-Pandemie und der darauffolgenden Chip-Krise hat sich die Lage bei Volkswagen deutlich zugespitzt. Zum ersten Mal seit 30 Jahren könnte es zu betriebsbedingten Kündigungen kommen. Doch wie ist der aktuelle Stand der Werke? Welche Umstrukturierungen gibt es, und wie sind die Standorte für die Zukunft aufgestellt? Ein Überblick über die zehn wichtigsten VW-Werke in Deutschland:
1. Wolfsburg: Das Herzstück des VW-Konzerns
Das Stammwerk in Wolfsburg ist das größte zusammenhängende Automobilwerk der Welt. Auf 6,5 Quadratkilometern arbeiten rund 62.000 Mitarbeiter. Hier werden vor allem Modelle wie der Golf, der Tiguan und der Touran produziert. Trotz seiner Größe und Bedeutung für VW ist das Werk nur zu 50 Prozent ausgelastet. Der geplante Bau eines neuen Werks für Elektrofahrzeuge wurde 2023 gestoppt, was die Unsicherheiten für die Belegschaft verstärkte. Mit einer Jahresproduktion von rund 500.000 Fahrzeugen bleibt Wolfsburg das Aushängeschild des Konzerns, jedoch ohne klare Zukunftsperspektive in der Elektro-Revolution.
2. Hannover: Vom Bulli zum Elektro-Transporter
Hannover ist der traditionsreiche Standort für die Produktion des VW Transporters, auch bekannt als Bulli. Mit 14.700 Mitarbeitern gehört das Werk zu den wichtigen Standorten des Konzerns. Nachdem der Bulli jahrzehntelang das Hauptmodell war, hat die Umstellung auf Elektromobilität auch hier Einzug gehalten. Seit 2022 wird in Hannover der vollelektrische ID. Buzz produziert. Trotzdem wird weiterhin Personal abgebaut, vor allem durch das Nicht-Nachbesetzen freier Stellen. Der Trend zeigt, dass sich das Werk auf die veränderten Marktbedingungen einstellt, dennoch bleibt die Unsicherheit groß.
3. Emden: Der neue Elektro-Hub
Das Werk in Emden hat sich in den letzten Jahren vollständig auf die Elektromobilität umgestellt. Mehr als eine Milliarde Euro wurden investiert, um das Werk zu einem reinen Elektro-Standort umzubauen. Modelle wie der ID.4 und der ID.7 laufen hier vom Band. Mit seinen 8.600 Mitarbeitern ist Emden gut aufgestellt, doch die schwächelnde Nachfrage nach Elektroautos führte bereits zu vorübergehenden Produktionsstopps. Ein Vorbote für weitere Herausforderungen?
4. Kassel (Baunatal): Komponenten für die Zukunft
Das Volkswagenwerk in Kassel, genauer gesagt im benachbarten Baunatal, ist das größte Komponentenwerk des Konzerns. Hier arbeiten 16.800 Menschen an der Herstellung von Getrieben und Abgasanlagen für Verbrennungsmotoren sowie E-Motoren für Elektroautos. Besonders wichtig ist der Standort auch durch das größte Ersatzteillager Europas. Während sich der Automarkt immer weiter Richtung Elektromobilität bewegt, bleibt Kassel ein essenzieller Bestandteil der Wertschöpfungskette des Konzerns.
5. Braunschweig: Tradition trifft Innovation
Das Werk in Braunschweig hat eine lange Geschichte und ist eines der ältesten im Konzern. Mit rund 7.200 Mitarbeitern werden hier Achsen, Lenkungen und Batteriesysteme für Elektrofahrzeuge hergestellt. Das Werk spielt eine Schlüsselrolle in der Transformation zur Elektromobilität, was seine Relevanz für den Konzern in den kommenden Jahren sichern könnte.
6. Salzgitter: Vom Motorenwerk zur Batteriezellfabrik
In Salzgitter entstehen derzeit die größten Bauprojekte des Konzerns. Neben dem bestehenden Motorenwerk wird die erste eigene Batteriezellfabrik von VW errichtet. Ab 2025 sollen hier die Batteriezellen für die Elektroflotte produziert werden. Mit 6.350 Mitarbeitern befindet sich der Standort mitten in einem Transformationsprozess. Salzgitter soll sich vom „Leitwerk Motor“ zum „Leitwerk Zelle“ entwickeln, ein klares Zeichen für die Zukunftsorientierung des Standorts.
7. Osnabrück: Klein, aber traditionsreich
Osnabrück steht für mehr als 100 Jahre Automobiltradition. Mit 2.300 Mitarbeitern werden hier Fahrzeuge für Porsche, wie der Boxster und der Cayman, gefertigt. Obwohl die VW-Produktion hier weniger umfangreich ist, bleibt der Standort ein wichtiger Teil der VW-Familie. Die Zukunft könnte jedoch herausfordernd werden, da 2025 das letzte VW-Cabrio, der offene T-Roc, auslaufen wird.
8. Zwickau: Die Speerspitze der E-Mobilität
Zwickau hat sich zu einem Leitwerk für die Elektromobilität im VW-Konzern entwickelt. Mit einer Investition von 1,2 Milliarden Euro wurde das Werk komplett auf die Produktion von Elektrofahrzeugen umgestellt. Rund 9.500 Mitarbeiter arbeiten hier an Modellen wie dem ID.3 und dem ID.4. Dennoch spürt der Standort die schwache Nachfrage nach E-Autos. Die Streichung von Schichten und das Nicht-Verlängern befristeter Verträge sind erste Anzeichen für die Herausforderungen, die vor Zwickau liegen.
9. Chemnitz: Ein Standort im Wandel
In Chemnitz begann die Zusammenarbeit mit Volkswagen bereits vor der Wiedervereinigung, als hier Viertaktmotoren für DDR-Modelle hergestellt wurden. Heute ist das Werk vollständig auf die Produktion von Benzinmotoren ausgerichtet. Mit 1.800 Mitarbeitern produzierte Chemnitz im vergangenen Jahr 690.000 Motoren, doch die Abhängigkeit vom Verbrenner könnte den Standort in der Zukunft vor Probleme stellen.
10. Dresden: Die gläserne Manufaktur
Die „Gläserne Manufaktur“ in Dresden ist das jüngste und kleinste Werk im VW-Konzern. Ursprünglich als Prestigeprojekt für den Oberklasse-Phaeton gedacht, wird hier seit 2021 der ID.3 in geringen Stückzahlen montiert. Mit nur 340 Mitarbeitern steht Dresden vor einer ungewissen Zukunft. VW überlegt, die Fahrzeugproduktion ganz einzustellen und die Manufaktur zu einem Auslieferungszentrum umzuwandeln.
Fazit: Eine ungewisse Zukunft
Die zehn VW-Standorte in Deutschland stehen vor einem großen Wandel. Die Elektromobilität und die Herausforderungen auf dem globalen Markt führen zu Unsicherheiten und Umstrukturierungen. Während einige Werke, wie Salzgitter und Zwickau, gut für die Zukunft gerüstet scheinen, kämpfen andere, wie Wolfsburg und Dresden, um ihre Bedeutung im Konzern. Eines ist klar: VW steht vor einer Phase des Wandels, die auch den deutschen Standorten einiges abverlangen wird. Die nächsten Jahre werden zeigen, welche Werke gestärkt aus der Krise hervorgehen und welche möglicherweise ihre Tore schließen müssen.