Wer in Chinas Wirtschaft so richtig auf den Putz hauen möchte, stellt am Abend eine Flasche Maotai auf den Tisch. Diese luxuriöse Marke aus der südwestlichen Provinz Guizhou ist der bekannteste Schnaps in der Volksrepublik. Nahezu jeder Chinese kennt ihn, jedoch haben nur wenige die Möglichkeit, den bis zu 53-prozentigen Tropfen zu kosten. Besonders oft griffen wohlhabende Kunden aus der Finanz- und Immobilienbranche sowie Staatsbedienstete zu. Doch in diesen Bereichen dürfte den Menschen schon länger nicht mehr nach Feiern zumute sein.
Kweichow Moutai, wie das staatliche Unternehmen nach alter Schreibweise offiziell genannt wird, erlebte jahrelang eine erfolgreiche Phase. Auch international ist der Luxusschnaps erhältlich. In Deutschland kann man ihn bei ausgewählten Fachhändlern in Großstädten wie Hamburg oder Berlin erwerben. Seit dem Börsengang im Jahr 2001 kannte der nach Marktkapitalisierung größte Spirituosenhersteller der Welt parallel zu Chinas Wirtschaft nur den Weg nach oben. Doch in den letzten Jahren ging es auf dem Parkett tendenziell bergab. Investoren dürften deshalb genau hinsehen, wenn Maotai in dieser Woche seine Quartalszahlen präsentiert.
Abnehmender Durst auf Hochprozentiges
Denn Maotai scheint in der Krise zu stecken. Eine Anfrage blieb unbeantwortet, da die lokale Propaganda-Behörde keine erforderliche Genehmigung erteilte. Mitte September kostete eine Flasche des Verkaufsschlagers Feitian Maotai im Fachhandel umgerechnet zwischen 300 und 325 Euro. Das war wenig, zumal das Mondfest bevorstand, zu dem der Schnaps traditionell gerne gekauft wird. Der Rückgang des Konsums und der Nachfrage nach Hochprozentigem hat laut Analyst Guo Shiliang von der Plattform Jing zum Preisverfall von Maotai beigetragen. Der Marktexperte weist darauf hin, dass der Preis zuvor über einen längeren Zeitraum deutlich gestiegen war.
Die strahlende Schnapsmarke ist ein Beispiel für viele Unternehmen, die durch die Immobilienkrise, den schwachen Arbeitsmarkt und die damit verbundene Konsumflaute in den Abwärtssog geraten sind. Auch die Stimmung unter den deutschen Firmen in China ist schlecht. Laut der deutschen Handelskammer blicken viele mit wenig Optimismus auf ihr Geschäft in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.
Trinkgelage bei Jüngeren nicht mehr angesagt
Zusätzlich ließen die aktuellen Konjunkturdaten aus der vergangenen Woche kaum Zweifel daran, dass China sein selbstgestecktes Wachstumsziel von rund fünf Prozent in diesem Jahr möglicherweise nicht erreichen kann. Die Regierung versucht nun hastig, mit Konjunkturmaßnahmen gegenzusteuern, was in der Wirtschaftswelt für etwas Euphorie sorgte. Doch Analysten betrachten dies eher als kurzfristige Lösung. Um die Märkte langfristig wieder wachsen zu sehen, bedarf es struktureller Wirtschaftsreformen und einer Unterstützung durch Staatsausgaben, schrieb das chinesische Wirtschaftsmagazin "Caixin".
Maotai benötigt dringend mehr Kunden in einer Zeit, in der die Menschen weniger Geld für den teuren Schnaps aus Hirse und Weizen ausgeben können. Bei den jüngeren Chinesen sind ausgedehnte Trinkgelage mit Hochprozentigem zudem nicht mehr so beliebt wie früher. Die traditionsreiche Marke versucht deshalb, mit Getränke-Variationen auch das jüngere Publikum zu erreichen. Ob die neuen Produkte für das Unternehmen das Ruder herumreißen können, bleibt jedoch abzuwarten.
Maotai als „harte Währung“
Zusätzlich traf die Schnapsfirma die seit Jahren laufende Anti-Korruptionskampagne von Staats- und Parteichef Xi Jinping. In diesem Jahr wurde erneut ein ehemaliger Maotai-Chef verurteilt: In Guizhou sprach ein Gericht Gao Weidong eine lebenslange Haftstrafe aus, da er über viele Jahre Bestechungsgelder in Höhe von mehr als 110 Millionen Yuan (rund 14,1 Millionen Euro) angenommen haben soll – unter anderem dafür, dass er anderen den schwer erhältlichen Schnaps beschaffte.
Wegen seines hohen Preises galt Maotai lange als beliebtes Bestechungsmittel. Viele Beamte dürfen ihn nicht mehr als Geschenk annehmen, Lokalregierungen strichen den Schnaps bei offiziellen Empfängen von der Speisekarte. Auch Staatsunternehmen haben sich umorientiert, wie Mitarbeitende verschiedener Firmen hinter vorgehaltener Hand berichten. Firmenchefs geben demnach weniger Geld für Bankette für Regierungsbeamte aus, weshalb auch weniger Maotai serviert wird. Eine Angestellte beschreibt, dass es heikel sein kann, mit Maotai gesehen zu werden, insbesondere wenn man beispielsweise im Beschaffungswesen tätig ist. Das habe nichts mit der Wirtschaft zu tun, sagt sie. Maotai ist "eine harte Währung".
Einige Chinesen konsumieren den Schnaps gar nicht. Dass das Getränk laut Experten keine Kopfschmerzen verursacht und weniger schädlich für die Leber sein soll als andere chinesische Schnäpse, hilft kaum. Viele lagern die Flaschen stattdessen über Jahre als Investition, um sie später gewinnbringend zu verkaufen.