Die Bundesregierung, welche auch immer der Ampel aus SPD, Grünen und FDP nachfolgt, muss die private Altersvorsorge reformieren. Geplant ist, dass zum 1. Januar 2026 ein bezuschusstes und steuerbegünstigtes Altersvorsorgedepot für Sparer verfügbar sein soll. Derzeit liegt ein Gesetzentwurf vor, der sich an den Empfehlungen der Fokusgruppe private Altersvorsorge orientiert, einem von der Bundesregierung eingesetzten Expertengremium. Ob das Vorhaben noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar umgesetzt wird, ist fraglich. Möglicherweise kommt das Altersvorsorgedepot nun gar nicht mehr, wenn die CDU die neue Regierung anführt und den Bundeskanzler stellt. Ökonomen und Vermögensberater sind von der Idee sowieso nicht ganz überzeugt. Eine Reform sei nötig, denn die gesetzliche Alterssicherung stoße aufgrund der Demographie an ihre Grenzen, erklärt etwa Gunther Schnabl, VWL-Professor an der Uni Leipzig und Direktor des Flossbach von Storch Research Institute.
Altersvorsorgedepot mit Aktien: Experten sind zwiegespalten
Es sei daher wichtig, dass der Staat über allgemeine Sparanreize hinaus Anreize für eine private Alterssicherung setze. „Die staatlich geförderte Riesterrente ist zu unflexibel und hat zu geringe Renditen“, erklärt Schnabl gegenüber DWN. Zudem sei die Inflationsgefahr im Euroraum noch nicht gebannt. „Aus dieser Sicht ist es ein Fortschritt, dass die staatliche geförderte Alterssicherung nun auch Sparen in Aktien zulässt.“ Aktien würden einen besseren Schutz gegen Inflation bieten als die in Deutschland beliebten Bankeinlagen.
Matthias Krapp von Abatus Vermögensmanagement hält die bisher bekannten Rahmenbedingungen für „eine sehr attraktive Alternative“. Es gebe Steuervorteile und staatliche Zuschüsse. „Somit ist eine deutlich höhere Sparrate als im privaten Rahmen möglich bzw. ein zusätzlicher Risikopuffer bzw. Renditetreiber entsteht durch die Zuschüsse“, schreibt der Vermögensberater per E-Mail an die DWN. Wenn man auf die Kosten achte und breit diversifiziere, also über weltweit gestreute ETFs, gehe die Verlustwahrscheinlichkeit nach 15 Jahren gegen null. Zu befürchten sei aber, dass Banken, Versicherungen und Provisionsberater nicht unabhängig beraten würden und kostenintensive Produkte vermitteln würden, da fehlende Finanzbildung gepaart mit ,German Angst‘ dies erleichtert“.
Kritik am Altersvorsorgedepot: Klein-klein-Lösung
Anderen geht die Reform nicht weit genug. Etwa kritisiert der Finanzökonom Hartmut Walz in einem Newsletter seines Blogs, der DWN vorliegt, dass das geförderte Volumen zu klein sei, die Regelungen zu kompliziert und zu viel Finanzlobby ihre Interessen vertreten habe. Durch die komplizierten Regelungen entstehe weiterer Beratungsbedarf. „Wir wissen, dass statt echter Beratung der vorherrschende provisionsfinanzierte Vertrieb wieder nur die teuren Produkte an die Bürger verticken wird“, kritisiert der Professor der Hochschule Ludwigshafen. Am bisherigen System der privaten Altersvorsorge werde sich nicht so viel ändern. Auch der Vermögensberater Gerd Kommer hält das Altersvorsorgedepot für „einen kleinen Schritt in die richtige Richtung, aber leider viel zu kurz gesprungen“, wie er in einem YouTube-Interview erklärt. Der steuerbegünstigte und bezuschusste Betrag von 3000 Euro pro Jahr sei viel zu gering.
Der Finanzbuchautor verweist auf das steuerbegünstigte 401k-Depot in den USA. Bei dem betrieblichen Altersvorsorgemodell sind rund 70.000 US-Dollar pro Jahr steuerbegünstigt. Auf diese fallen im traditionellen 401k-Plan lediglich Sozialabgaben von 7,65 Prozent an. Beim IRA-Depot – dem US-amerikanischen Pendant zum Altersvorsorgedepot – sind 7000 US-Dollar steuerbegünstigt. „Nach 15 Jahren Katastrophen-Erfahrung mit Riester fällt ihnen nur diese klein-klein-Lösung ein – das finde ich traurig“, meint Kommer.
Die geplante Reform im Überblick
Derzeit sehen die Pläne vor, dass bis zu 3000 Euro pro Jahr bezuschusst werden und steuerbegünstigt sind (250 Euro pro Monat). Wer mindestens 10 Euro pro Monat einzahlt, erhält demnach einen Zuschuss von 20 Prozent auf die Einzahlung. Das würde bedeuten: Wer den maximalen Betrag von 250 Euro pro Monat einzahlt, würde 50 Euro Zuschuss vom Staat erhalten – also insgesamt 600 Euro pro Jahr. Ab dem Jahr 2030 soll die maximale Einzahlungssumme auf 3500 Euro pro Jahr steigen. Daneben gelten folgende Rahmenbedingungen:
-
Zuschuss für Kinder: Pro Kind gibt es 25 Prozent Zuschuss, wobei der Zuschuss bei 300 Euro pro Jahr gedeckelt ist. Maximal können Eltern also 100 Euro pro Monat für ihr Kind zur Seite legen und erhalten dann 25 Euro pro Monat.
-
Zuschüsse für besondere Gruppen: Berufseinsteiger und Geringverdiener bekommen weitere Zuschüsse. Etwa erhalten Berufseinsteiger unter 25 Jahren bis zu dreimal 200 Euro pro Jahr.
-
Steuerstundung: Die Einzahlungen von 3000 Euro pro Jahr müssen Anleger erst bei der Entnahme versteuern.
-
Geförderte Vermögensanlagen: Der Zuschuss gilt für Einzelaktien, Fonds, ETFs, Anleihen und andere Wertpapiere – ausgenommen sind als riskanter angesehene Anlagen wie Hebelprodukte und Kryptowährungen.
-
Förderberechtigte: Bezugsberechtigt sind Beamte, versicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer, aber auch Selbstständige, die gesetzlich rentenversichert sind. Ausgenommen sind unter anderem nicht gesetzlich rentenversicherte Selbstständige und Rentner.
-
Anbieter: Ein Altersvorsorgedepot soll man bei Neobrokern, Direktbanken oder anderen privaten Anbietern eröffnen können. Das Angebot muss einzig ein Zertifizierungsverfahren bestehen.
Nach DWN-Berechnung bringt das Altersvorsorgedepot durchaus finanzielle Vorteile mit sich: Wer die maximale Summe von 250 Euro über 30 Jahre einzahlen würde, hätte ein Endvermögen nach Steuern und Kosten von 296.600 Euro (Annahme: Zuschuss von 50 Euro pro Monat und reguläre Kapitalertragssteuern erst zum Ende bei der Entnahme). Wer hingegen einen normalen ETF-Sparplan nutzt, hätte nach 30 Jahren bloß 252.600 Euro (ohne Steuerfreiheit und den Zuschuss von 50 Euro pro Monat, thesaurierender Aktien-ETF). Das sind fast 15 Prozent weniger.
Der Nachteil des Altersvorsorgedepots
Der große Nachteil ist die vorgesehene Zwangsverrentung: Das Geld dürfen Pensionäre nicht mit Ruhestandsbeginn komplett entnehmen, sondern müssen den Betrag mindestens über einen Zeitraum von 20 Jahren bis zum 85. Lebensjahr schrittweise aufbrauchen. Wer also besonders viel Geld gleich zu Beginn des Ruhestands ausgeben möchte, etwa für eine Weltreise, ist im Nachteil. Als einzige Alternative ist eine lebenslange Leibrente vorgesehen, bei der allerdings die Entnahmen geringer ausfallen dürften. Überhaupt sind Auszahlungen vor dem Ruhestandsbeginn nur unter bestimmten Bedingungen vorgesehen, etwa zur Finanzierung einer selbstgenutzten Immobilie. Nutzer des Altersvorsorgedepots sind also weniger frei als reguläre Anleger, die jederzeit Vermögen für eine berufliche Neuorientierung, eine Auszeit oder Notfälle entnehmen können.