Politik

Krankenhausreform kommt: Lauterbachs Reform passiert den Bundesrat

Karl Lauterbach freut sich: Der Bundesrat hat das sogenannte "Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz" gebilligt, das Herzensprojekt des SPD-Gesundheitsministers. Ein Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses erhielt keine Mehrheit. Ziel der Reform ist es, Leistungen in spezialisierten Kliniken zu bündeln.
22.11.2024 12:16
Aktualisiert: 22.11.2024 12:16
Lesezeit: 3 min

Knapp war's. Nach fast zweijährigem Ringen ist Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Ziel: Jetzt kommt die Krankenhausreform und krempelt das deutsche Gesundheitssystem um. Bürokratie soll abgebaut werden und die Finanzierung neu aufgestellt. Der Bundesrat hat sein von der Ampel-Koalition beschlossenes Gesetz für eine umfassende Krankenhausreform gebilligt. Der Minister spricht von nichts Geringerem als einer "Revolution". Die Ziele: weniger finanzieller Druck auf Kliniken und mehr Spezialisierung bei komplexeren Eingriffen, die Patientinnen und Patienten eine bessere Versorgung bieten sollen. Die Umsetzung erfolgt jedoch schrittweise – mit voraussichtlichen Folgen für das Kliniknetz.

Wofür braucht es überhaupt eine Reform?

Deutschland verfügt nach Experteneinschätzung im Vergleich zu seinen Nachbarländern über relativ viele Kliniken – doch es bestehen seit Jahren anhaltende Probleme: finanzielle Engpässe, Personalmangel und ein Drittel der 480.000 Betten, das laut Gesundheitsministerium nicht belegt ist. Lauterbach bezeichnet die Reform als eine Art Notbremse: Ohne Anpassungen drohten Klinikinsolvenzen und nicht optimale Behandlungen. Es sei offensichtlich, dass Deutschland weder den medizinischen Bedarf noch das Personal für 1.700 Krankenhäuser habe. Ziel sei daher, den wirtschaftlichen Fortbestand der wirklich benötigten Häuser sicherzustellen.

Was sieht die Reform beim Geld vor?

Das vor 20 Jahren eingeführte Vergütungssystem mit Pauschalen pro Behandlungsfall soll grundlegend überarbeitet werden. Denn es führe laut Lauterbach bislang zu einem "Hamsterrad-Effekt", bei dem möglichst viele Fälle auf möglichst kostengünstige Weise behandelt werden – mitunter sogar durch medizinisch unnötige Eingriffe. Künftig soll ein fester Sockel von 60 Prozent der Vergütung allein dafür vorgesehen sein, dass Kliniken eine Grundausstattung mit Personal und Geräten für definierte Leistungen bereithalten. Zusätzlich sollen Zuschläge für Kliniken gezahlt werden, die Bereiche wie Kinderheilkunde, Geburtshilfe, Intensiv- und Unfallmedizin, spezielle Schlaganfallstationen oder die Notfallversorgung abdecken.

Was sieht die Reform bei der Behandlungsqualität vor?

Die neue Basisvergütung soll Kliniken für sogenannte "Leistungsgruppen" gewährt werden, die von den Ländern zugewiesen werden. Diese Gruppen bilden medizinische Leistungen detaillierter ab als die bisherigen Fachabteilungen. Ausgangspunkt sind 65 Leistungsgruppen, die auf einem Modell aus Nordrhein-Westfalen basieren – beispielsweise "Wirbelsäulenoperationen" oder "Leukämiebehandlungen". Zudem werden einheitliche Qualitätsvorgaben zu Fachpersonal und Ausstattung festgelegt. Lauterbach betonte mehrfach, dass hier keine Kompromisse gemacht werden, um sicherzustellen, dass etwa Krebsbehandlungen nur in spezialisierten Kliniken durchgeführt werden.

Was heißt das für das Netz der Kliniken?

Die für die Krankenhausplanung zuständigen Länder sollen den Wandel steuern. Sie können beispielsweise festlegen, ob es in einer Region zwei oder vier Standorte für Wirbelsäulenchirurgie gibt, erklärte Lauterbach. Die neue Basisvergütung soll auch die Existenz kleinerer Häuser in ländlichen Gebieten absichern. Außerdem können Länder Klinikstandorte zu "sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen" erklären, die "wohnortnah" stationäre Behandlung mit ambulanten und pflegerischen Leistungen kombinieren. Wo es an Fach- und Hausärzten mangelt, könnten Patienten künftig auch für solche Behandlungen ins Krankenhaus gehen. Besonders in westdeutschen Großstädten könnten jedoch Klinikstandorte wegfallen.

Sind Finanzhilfen geplant?

Das Gesetz sieht zusätzliche Finanzmittel vor. So sollen Kostensteigerungen der Kliniken, etwa bei den Tariflöhnen aller Beschäftigten, schon ab diesem Jahr nicht mehr nur zur Hälfte, sondern vollständig von den Krankenkassen übernommen werden. Zur Unterstützung des Wandels hin zu den neuen Strukturen ist zudem ein "Transformationsfonds" vorgesehen, aus dem zwischen 2026 und 2035 bis zu 25 Milliarden Euro fließen könnten – vorausgesetzt, die Länder beteiligen sich in gleicher Höhe. Das Geld soll aus Mitteln der gesetzlichen Kassen und entsprechend dem Behandlungsanteil aus den privaten Krankenversicherungen stammen.

Was bringt der große Umbau?

Der Entwurf verweist auf "Effizienzgewinne und Minderausgaben" durch eine stärker koordinierte und hochwertigere Versorgung. Die Jahresausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Kliniken stiegen zuletzt auf 94 Milliarden Euro, was ein Drittel der gesamten Leistungsausgaben ausmacht. Die Kassen unterstützen eine stärkere Spezialisierung zur Qualitätssteigerung, warnen aber vor einer weiteren "Kostenlawine" in einer ohnehin angespannten finanziellen Lage. Kliniken und Länder fordern schnellere Finanzhilfen, da manche Häuser die erst in einigen Jahren greifende Reform sonst nicht überleben könnten.

Wie geht es weiter?

Das Gesetz soll am 1. Januar 2025 in Kraft treten – jedoch nicht auf einen Schlag, sondern schrittweise bis 2029. Geplant ist, dass die Länder ihren Kliniken bis Ende 2026 die jeweiligen Leistungsgruppen zuweisen. Die Finanzierung wird dann 2027 und 2028 schrittweise auf das neue System umgestellt, wie das Ministerium erklärt.

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