Wirtschaft

Arbeitslosenzahl sinkt im November nur leicht - Herbstbelebung bleibt aus

Kaum eine Belebung im Herbst, bestehende Strukturprobleme und eine zunehmende Kurzarbeit: Der deutsche Arbeitsmarkt steht vor dem Weihnachtsgeschäft 2024 vor großen Herausforderungen.
29.11.2024 13:09
Aktualisiert: 29.11.2024 13:09
Lesezeit: 2 min

Der deutsche Arbeitsmarkt steht kurz davor, die Drei-Millionen-Marke bei den Arbeitslosen zu erreichen. Diese Zahl könnte im Winter überschritten werden, da die erwartete Herbstbelebung im November ausgeblieben ist. "Die Entwicklung geht seit Herbst 2023 in die falsche Richtung", erklärte Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, bei der Vorstellung der Arbeitsmarktzahlen für November. Auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger warnt: "Der Arbeitsmarkt funkt SOS. Drei Millionen Arbeitslose drohen diesen Winter Realität zu werden. So hoch lag die Arbeitslosenzahl zuletzt vor knapp zehn Jahren."

Arbeitsmarktstatistik im November: Arbeitslosenzahl sinkt schwach

Im November sank die Arbeitslosenzahl im Vergleich zum Vormonat Oktober saisonbedingt um 17.000 auf 2,774 Millionen. "Der Rückgang fällt aus unserer Sicht schwach aus", erklärte Nahles. "Üblicherweise hätten wir einen stärkeren Rückgang erwartet." Damit liegt die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum November 2023 um 168.000 höher. Die Arbeitslosenquote ging im Vergleich zum Oktober um 0,1 Punkte auf 5,9 Prozent zurück, lag aber im November 2023 noch bei 5,6 Prozent. Die Bundesagentur für Arbeit zog für die Novemberstatistik Daten heran, die bis zum 13. des Monats vorlagen.

Die Ursachen für die steigende Arbeitslosenzahl sieht Nahles nicht nur in konjunkturellen Problemen. Die deutsche Wirtschaft, insbesondere in der Industrie, kämpfe mit strukturellen Herausforderungen, was in einigen Bereichen zu Entlassungen führe. Gleichzeitig fehle es in vielen Sektoren weiterhin an Fachkräften. Die Bundesagentur für Arbeit versuche, diesem Missverhältnis durch sogenannte Job-Drehscheiben entgegenzuwirken. "Unser Ziel ist es, die Menschen miteinander zu verbinden", sagte Nahles. Die Jobvermittler gehen direkt auf betroffene Unternehmen zu, um entlassene Mitarbeiter "Job to Job" zu vermitteln – also zu verhindern, dass diese überhaupt arbeitslos werden, bevor sie eine neue Stelle finden.

Blick in die Zukunft: Wird die Arbeitslosenzahl weiter steigen?

Ob die Arbeitslosenzahl im kommenden Jahr weiter ansteigt, hänge auch von der Geschwindigkeit ab, mit der die Industrie die notwendigen Transformationsprozesse vorantreibe, erklärte Nahles. Arbeitsmarktexperte Martin Müller von der staatlichen Förderbank KfW unterstützt diese Einschätzung: "Um das Produktivitätswachstum zu steigern, muss Deutschland mehr in die Digitalisierung investieren, besonders im Dienstleistungssektor und in den Kommunen", so Müller.

Kurzarbeit auf dem Vormarsch

Ein deutlicher Anstieg ist auch bei der Kurzarbeit zu verzeichnen. Im September, den letzten verlässlichen Daten, zahlte die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld an 268.000 Beschäftigte aus. Im August waren es 175.000 und im Juli 194.000. Bis zum 25. November gab es 64.000 neue Anträge. Ob diese Anträge jedoch tatsächlich zu Kurzarbeit führen, ist noch unklar. Insgesamt ist die Kurzarbeit 2024 bislang deutlich höher als erwartet, die Bundesagentur musste bereits 726 Millionen Euro an Kurzarbeitergeld auszahlen – mehr als doppelt so viel wie ursprünglich im Haushalt eingeplant.

Nachlassende Nachfrage nach Arbeitskräften

Die Nachfrage nach Arbeitskräften geht weiter zurück. Im November wurden in den Arbeitsagenturen noch 668.000 offene Stellen gemeldet, was 65.000 weniger ist als im Vorjahr. Zuwächse in der Beschäftigung gibt es hauptsächlich in Bereichen wie Pflege und öffentlicher Dienst. Insgesamt stieg die Zahl der Beschäftigten im Vergleich zum Vorjahr um 123.000 Menschen.

Integration von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt

Anlässlich des Tages der Menschen mit Behinderung (3. Dezember) appellierte Nahles, mehr schwerbehinderte Menschen einzustellen. Derzeit sind 176.000 Schwerbehinderte in Deutschland arbeitslos, das sind sechs Prozent mehr als noch im Vorjahr. Ihre Qualifikationen übertreffen oft die von nichtbehinderten Arbeitslosen – mit einem Fachkräfteanteil von 53 Prozent im Vergleich zu 42 Prozent bei nichtbehinderten. Drei von vier Arbeitgebern mit mehr als 20 Beschäftigten erfüllen inzwischen teilweise oder vollständig die Verpflichtung, fünf Prozent ihrer Belegschaft mit Behinderten zu besetzen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Frühere AfD-Chefin: Frauke Petry kündigt Gründung neuer Partei an - Alternative für die FDP?
11.05.2025

Die frühere Vorsitzende der AfD will vom kommenden Jahr an mit einer neuen Partei bei Wahlen antreten. Ziel der Partei soll sein, dass...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands Zukunft? Wohnquartiere als soziale Brennpunkte: Armut, Migration und Überalterung
11.05.2025

Armut, Migration, Wohnungsmangel, Überalterung und Einsamkeit: Immer mehr Wohnquartiere in Deutschland sind überfordert. Eine neue Studie...

DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...