Crash-Angst: KI-Sorgen könnten die DAX-Jahresbilanz verderben
Der DAX steuert auf das Ende eines Aktienjahres zu. Doch die Börsen sind nervös: Die Furcht vor einer KI-Blase könnte die Jahresendrally noch kippen und den DAX-Kurs drücken.
Nach zwei guten Aktienjahren könnte 2025 für Anleger zur Zitterpartie werden. Denn mit der Sorge, dass die Euphorie rund um Künstliche Intelligenz (KI) und Gewinne damit zu weit gehen könnte, ist eine tragende Säule für die Rekordrally an den Märkten ins Wanken geraten. Experten fürchten eine scharfe Korrektur oder gar das Platzen einer Blase – und das, nachdem schon im April das Zollpaket von US-Präsident Donald Trump die Nerven der Anleger strapaziert hatte.
Derzeit sieht es aus, dass der Leitindex Dax das dritte Jahr in Folge ohne die übliche Jahresendrally abschließen kann. Nach den jüngsten Kursgewinnen summiert sich der Anstieg 2025 auf rund 19 Prozent. Zum Vergleich: Die langfristige Dax-Rendite liegt bei sieben bis acht Prozent pro Jahr. In der DAX-Jahresbilanz wäre das ein Ausreißer nach oben – das zeigt DAX aktuell. Seit der raschen Erholung von Trumps Zollschock wirkt der Markt wacklig: Auf hohem Niveau geht es für den Dax ein paar Hundert Punkte herunter, dann wieder herauf. Das nährt Zweifel an der DAX-Kursentwicklung und lässt den DAX-Kurs anfällig erscheinen.
Milliarden-Wettlauf um KI
In Deutschland gelten etwa der Energietechnikkonzern Siemens Energy und der Baukonzern Hochtief als Profiteure des KI-Booms, da sie Infrastruktur für Rechenzentren bereitstellen. Der seit Herbst 2022 bestehende Aufwärtstrend an den Börsen basiert auf der Annahme, dass das Modethema KI nicht nur einzelne Tech-Riesen, sondern ganze Branchen und Volkswirtschaften beflügeln kann, mit Effizienzgewinnen. Viel Optimismus ist wohl bereits eingepreist, nicht nur in den bewerteten Tech-Aktien.
Bundesbank-Vorstand Michael Theurer warnt vor Rückschlagpotenzial und einer möglichen schockartigen Korrektur, wie er dem "Deutschlandfunk" sagte. Kritiker fürchten, dass zu viele Vorschusslorbeeren verteilt wurden. Sie bezweifeln, dass die Investitionen von Hunderten Milliarden Dollar für KI-Rechenzentren absehbar zurückverdient werden können. Nach Ansicht der Pessimisten könnte die heiße Luft schlagartig entweichen, was auch Privatanleger zu spüren bekämen. Denn Techriesen wie Apple, Nvidia, Alphabet, Microsoft und Amazon treiben nicht nur die Weltbörsen, sie haben wegen ihres immensen Börsenwerts ein hohes Gewicht in Indexfonds (ETFs), etwa auf den Weltaktienindex MSCI World.
Warnung vor Abklingen der Euphorie beim DAX-Kurs
Auch wenn der Chipkonzern Nvidia zuletzt mit starken Zahlen die KI-Sorgen bremste: Die mahnenden Stimmen verstummen nicht. Es wird gemutmaßt, dass sich die Investitionen in KI für viele Unternehmen abseits der US-Tech-Riesen erst später als gedacht oder nur kaum in barer Münze auszahlen.
Andere wie EZB-Vizepräsident Luis de Guindos kritisieren die zunehmende Marktkonzentration und Vernetzung zwischen einer Handvoll großer Techunternehmen. Er warnte wiederholt vor einer Börsenkorrektur. Auch die Deutsche Bank mahnt zur Vorsicht, sieht aber keine Blase. "KI ist ein Game-Changer und wird auch 2026 ein strukturelles Wachstumsthema bleiben", sagt Christian Nolting, Chefanlagestratege für Privatkunden. Vor allem in den USA und China werde investiert.
Was also tun? Fachleute raten Privatanlegern, Ruhe zu bewahren. Selbst wer maximal breit gestreut mit ETFs in Aktien investiere, werde früher oder später einen Crash mit einem Wertrückgang von bis zu 50 Prozent erleben, sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Historisch habe es aber nur selten mehr als vier und niemals mehr als zwölf Jahre gedauert, bis sich die Märkte nach einem Crash erholt hatten. "Der Anlageerfolg hängt gerade nicht davon ab, rechtzeitig auszusteigen, bevor es kracht", sagt Nauhauser. Denn das gelinge nicht einmal Profis. Der Erfolg hänge vielmehr davon ab, nichts zu tun und langfristig investiert zu bleiben – auch wenn DAX aktuell schwankt und der DAX-Kurs zwischenzeitlich fällt.
DAX-Kurs: Wann endet die Party?
Ob es eine KI-Blase am Aktienmarkt gibt, ist fraglich. Der legendäre US-Notenbankchef Alan Greenspan tat sich mit Prognosen schwer. Er hatte 1996 vor einem "irrationalen Überschwang" an den Börsen gewarnt, doch die Party sollte erst im Jahr 2000 mit der Dotcom-Blase platzen. Andere Säulen des Börsenbooms scheinen intakt. So wächst die Weltwirtschaft, und die US-Notenbank Fed dürfte die Zinsen weiter senken, um die Konjunktur zu stützen. Das wäre Rückenwind für die DAX-Kursentwicklung und könnte den DAX-Kurs stützen.
Martin Lück, Chef-Kapitalmarktstratege von Franklin Templeton, sieht keine unmittelbare Gefahr. Zurzeit spreche viel dafür, dass weiter sehr viel in den Aufbau der KI-Infrastruktur investiert wird und die beteiligten Unternehmen damit sehr gute Erträge erwirtschaften könnten. "Das Dumme ist: Ob das eine Blase ist oder nicht, werden wir erst in Jahren wissen."

