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IGeL-Leistungen: Fragwürdige Untersuchungen beim Arzt kosten Deutschland 2,4 Milliarden Euro

Eine neue Studie stellt die Sinnhaftigkeit von IGeL-Leistungen beim Arzt infrage. Laut einer Umfrage des Medizinischen Dienstes (MD) geben die Deutschen jährlich etwa 2,4 Milliarden Euro für diese Selbstzahler-Behandlungen aus. Häufig fehlt jedoch ein nachgewiesener Nutzen, erklärte MD-Vorsitzender Stefan Gronemeyer in Berlin. Zudem könnten falsch-positive Ergebnisse schwerwiegende Folgen haben und den Betroffenen schaden.
04.12.2024 11:50
Aktualisiert: 04.12.2024 11:50
Lesezeit: 1 min
IGeL-Leistungen: Fragwürdige Untersuchungen beim Arzt kosten Deutschland 2,4 Milliarden Euro
Jonas Niemann, Hausarzt, misst den Blutdruck bei einer Patientin: Sind IGeL-Leistungen beim Arzt wirklich sinnvoll - oder nur teuer? Foto: Philipp Schulze

Bei den Individuellen Gesundheits-Leistungen (IGeL) handelt es sich um medizinische Untersuchungen, die von Patienten selbst bezahlt werden müssen, da sie nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Um die Nutzung dieser IGeL-Angebote zu analysieren, beauftragte der Medizinische Dienst das Marktforschungsinstitut Forsa mit einer Umfrage. Dafür wurden über 2.000 Personen im Alter zwischen 18 und 80 Jahren befragt.

IGeL-Leistungen Arzt: Schaden oder Nutzen?

Besonders häufig nehmen Patienten Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke und der Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung in Anspruch. Hier sei der Schaden jedoch größer als der Nutzen, betonte Gronemeyer. Er wies darauf hin, dass unklare Ergebnisse oft zu unnötigen Folgebehandlungen bis hin zur Entfernung der Eierstöcke führen. Zugleich gebe es keinen Beweis, dass solche IGeL-Leistungen das Risiko einer Krebserkrankung senken.

Zu den beliebtesten IGeL-Angeboten zählen auch Augeninnendruckmessungen zur Glaukom-Früherkennung sowie der PSA-Bluttest zur Prostatakrebs-Früherkennung. Doch auch bei diesen Gesundheitsleistungen überwiegen laut MD die Risiken wie Fehlalarme und überflüssige Behandlungen. Erschreckend: Nur jeder vierte Befragte fühlt sich gut über die IGeL-Angebote informiert.

14-tägige Bedenkzeit bei IGeL-Leistungen gefordert

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze, bezeichnete diese Ergebnisse als "alarmierend". Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert daher, dass Ärzte Patienten neutrale und standardisierte Informationsblätter zur Verfügung stellen. Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz schlägt sogar eine verpflichtende 14-tägige Bedenkzeit vor: "Überrumpelung und das Schüren von Ängsten sind Teil dieses Geschäftsmodells."

Carola Reimann, die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, sieht in den IGeL-Leistungen einen weiteren Faktor für die langen Wartezeiten auf Facharzttermine. Sie kritisierte: "Wenn ein Facharzt seine Zeit für Schönheitsbehandlungen oder fragwürdige Untersuchungen ohne wissenschaftlich belegbaren Nutzen verwendet, fehlen Kapazitäten für die vertragsärztliche Versorgung."

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