Politik

Schlag in Putins Kontor: Ukraine stoppt Erdgastransit Richtung Europa

Der Transit von russischem Gas durch die Ukraine ist erstmals komplett eingestellt. Kiew leitete die Energie lange trotz Moskaus Angriffskrieg weiter in die EU durch. Nun endet eine Ära.
01.01.2025 13:35
Lesezeit: 3 min

Die Durchleitung von russischem Gas durch die Ukraine in Richtung Europa ist seit dem Morgen wie angekündigt komplett eingestellt. Dies teilte der russische Gaskonzern Gazprom am Neujahrstag mit. Auch der ukrainische Transitnetzbetreiber GTS bestätigte, das Netz arbeite ohne russisches Gas. Von der EU, aus der Slowakei und Österreich hieß es, man habe sich auf den Stopp vorbereitet. Die Gasversorgung sei gesichert.

Die Ukraine hatte sich zu dem Transitstopp entschlossen, um Russland von weiteren Einkünften abzuschneiden, mit denen der Kreml auch seinen Angriffskrieg gegen das Nachbarland finanziert. Der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko bezeichnete den Transitstopp als "historisches Ereignis". "Russland verliert Märkte, es wird unter den finanziellen Verlusten leiden", teilte der Minister mit.

Ukrainisches Transitnetz ohne russisches Gas

Der russische Gaskonzern Gazprom erklärte, dass er nach der Nichtverlängerung des Transitvertrags durch die Führung in Kiew weder juristische noch technische Möglichkeiten habe, das Gas durch die Ukraine zu pumpen. Um 6 Uhr (MEZ) sei die Befüllung deshalb eingestellt worden.

Auch der ukrainische Transitnetzbetreiber GTS teilte mit, seit dem Morgen werde kein russisches Gas mehr durch das Netz durchgeleitet. "Der Erdgastransport vom Einspeisepunkt Sudscha an der Ostgrenze der Ukraine zu den Ausspeisepunkten an der West- und Südgrenze wurde beendet", hieß es.

Die Slowakei erhält nun kein russisches Gas über diese Leitung mehr. Das an die Ukraine grenzende EU- und Nato-Land hatte massiv gegen die Entscheidung Kiews protestiert. Der linkspopulistische Ministerpräsident Robert Fico, dem Kritiker eine prorussische Haltung vorwerfen, drohte damit, Stromlieferungen aus der Slowakei an die Ukraine zu stoppen. Seit der Abtrennung des ukrainischen Stromnetzes vom russischen und belarussischen zu Kriegsbeginn gehört die Slowakei zu den fünf Nachbarstaaten, aus denen die Ukraine Strom importieren kann.

"Sind auf Transitstopp vorbereitet"

Eine Sprecherin der Kommission in Brüssel hatte im Vorfeld klargemacht, die EU sei auf den Stopp des Transits russischen Gases durch das kriegsgeplagte Land vorbereitet. Die europäische Gasinfrastruktur sei flexibel genug, um Gas nicht-russischen Ursprungs über alternative Routen nach Mittel- und Osteuropa zu liefern. So hat etwa das autoritäre und wegen Menschenrechtsverletzungen international kritisierte Aserbaidschan am Kaspischen Meer seine Energielieferungen hochgefahren.

Auch die slowakische Regierung in Bratislava hatte am Dienstag erklärt, auf den Stopp vorbereitet zu sein. Die Gasspeicher seien zu hundert Prozent gefüllt, es gebe genug Reserven für das neue Jahr, teilte das Wirtschaftsministerium mit. "Ich möchte allen Menschen und Unternehmen in der Slowakei versichern, dass wir auf dieses Szenario vorbereitet sind und dass derzeit keine Gefahr einer Gasknappheit besteht", erklärte Wirtschaftsministerin Denisa Sakova.

In Österreich sei die Gasversorgung auch nach dem Ende der Lieferungen aus Russland sichergestellt, teilte Energieministerin Leonore Gewessler mit. Gas werde nun über Länder wie Deutschland und Italien sowie aus den gut gefüllten österreichischen Speichern bezogen. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und waren auf dieses Szenario gut vorbereitet", sagte die Ministerin. Österreich war stark von russischem Gas abhängig gewesen - im Oktober kamen noch 89 Prozent der Importe aus diesem Land.

Russisches Gas erreicht weiter EU

Auch nach dem Lieferstopp erreicht russisches Gas weiter die EU über andere Wege, darunter über die im Schwarzen Meer verlegten Gasleitungen TurkStream und Blue Stream. TurkStream etwa versorgt nicht nur die Türkei, sondern auch den Süden und Südosten Europas. Moskau verdient so weiter Milliarden mit seinen Gasexporten in einzelne EU-Staaten, darunter Ungarn. Russische Energieexperten hatten zuletzt erklärt, dass Gazprom seine Lieferungen über die Leitungen pro Jahr um vier bis sechs Milliarden Kubikmeter hochfahren könne.

Insgesamt betrug der Anteil russischen Gases an den EU-Importen im Juni 2024 noch 18 Prozent, wie einem Bericht der EU-Kommission hervorgeht. 2021, vor Beginn des russischen Angriffs, waren es demnach 45 Prozent. Russisches Gas kommt auch auf dem Seeweg in Form von verflüssigtem Erdgas (LNG) in die EU.

"Deutschland gut gerüstet"

2023 waren Norwegen und die USA die wichtigsten Gaslieferanten der EU, gefolgt von Russland, so die EU-Angaben. Weitere Lieferanten waren etwa nordafrikanische Länder, das Vereinigte Königreich und Katar.

Deutschland hat inzwischen die frühere Abhängigkeit von russischem Gas überwunden. Die Bundesregierung hatte den Aufbau von LNG-Terminals nach dem russischen Angriff auf die Ukraine forciert. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sagte am Dienstag zur aktuellen Lage: "Wir sind bisher gut durch die erste Hälfte des Winters gekommen." Die Speicher seien mit rund 80 Prozent noch gut gefüllt. "Damit sind wir für die nächsten drei Monate gut gerüstet."

In Moldau heißt es, warm anziehen

Eigentlich wäre auch die Republik Moldau von dem ukrainischen Transitstopp betroffen gewesen. Gazprom hatte jedoch zuvor schon beschlossen, wegen angeblicher Schulden die Lieferungen an die frühere Sowjetrepublik zu stoppen, in der proeuropäische und prorussische Kräfte um die Macht ringen. In Moldau war bereits zuvor der Strom-Notstand ausgerufen worden.

In Moldau empfahl das Ministerium für Bildung und Wissenschaft allen Bildungseinrichtungen, die Fassadenbeleuchtung ebenso abzustellen wie beleuchtete Neujahrsdekorationen. Auch soll die Temperatur in Klassenräumen um «ein bis zwei Grad Celsius» gesenkt werden. "Diese Maßnahmen zielen auf eine Senkung des Energieverbrauchs, besonders unter den Bedingungen der Energiekrise", hieß es in einer Mitteilung des Ministeriums.

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