Politik

China-Importe: Deutschlands Handel, Verbraucher und Zollbeamte fordern Regierung zu Regeln auf

Täglich werden Hunderttausende Pakete mit Waren aus China auf den europäischen Markt geschwemmt, die China-Importe umgehen trickreich die Zollgrenzen. Der Zoll ist mit Kontrollen völlig überfordert, die Zeche zahlen letztlich Händler und Verbraucher. Jetzt soll Kanzler Olaf Scholz endlich handeln, fordern Handelsverband, Verbraucherzentrale und Steuergewerkschaft. Der Geduldsfaden scheint gerissen zu sein.
22.01.2025 11:00
Lesezeit: 4 min

Die Forderung an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist noch diplomatisch verfasst, aber in der Sache eindeutig. Die Bundesregierung müsse endlich "Gesetze und Regeln" erlassen, um der Warenflut von Händlern aus sogenannten Drittstaaten Herr zu werden. Das fordern der Handelsverband Deutschland (HDE), die Deutsche Steuergewerkschaft (DSTG) und der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Sie wissen ganz genau, dass es in erster Linie um die Offensive von Temu, AliExpress und Shein aus China geht. Sie haben eine Logistik-Kette für China-Importe aufgestellt, die schlechterdings zum Steuerbetrug einlädt und jegliche Kontrollen der EU-Außengrenze außer Kraft setzt.

Warum Handel und Verbraucher zusammen mit Zollbeamten jetzt Front gegen China-Importe machen

Man könnte sagen, die vergangenen Monate haben das Fass zum Überlaufen gebracht: "Im Jahr 2024 wurden vier Milliarden Pakete aus Drittstaaten direkt an Verbraucher im EU-Binnenmarkt verschickt. Dabei werden Produktsicherheits-Standards, Verbraucherschutz und Zollbestimmungen systematisch verletzt", heißt es jetzt in einer gemeinsamen Erklärung der drei deutschen Spitzenverbände. Man könne es mit Fug und Recht einen Brandbrief an Kanzler Olaf Scholz nennen und dessen amtierenden Finanzminister Jörg Kukies (beide SPD), endlich konsequent einzugreifen und für Ordnung bei China-Importen zu sorgen. Natürlich lässt sich das Problem nicht allein auf China verengen, ohne in diplomatische Fettnäpfchen zu treten. Doch dass es HDE, DSTG und vzbv vordringlich um "wachsende Plattformen wie Temu und Shein" geht, ist ausgemachte Sache.

Immer wieder erschüttern Berichte, wie gerissen und systematisch Händler in China Waren aus- und neu verpacken und dann auf mehrere Pakte verteilen, um unterhalb der Zollfreigrenze von 150 Euro pro Päckchen zu verbleiben. "Steuerbetrug", sagen Zollbeamte, können aber angesichts der Menge kaum mehr etwas ausrichten. So werden die Waren durchgewinkt - zum Nachteil von Herstellern und Handel innerhalb der EU.

China-Importe: Deutschland und EU-Kommission müssen gleiche Wettbewerbsbedingungen wieder herstellen

Das Positionspapier der Verbände benennt nicht nur das Problem, sondern umreißt auch sehr klar Handlungsmaximen und Gesetzesmaßahmen um dem Problem Abhilfe zu leisten: "Kurzfristig sollte die EU strengere Anforderungen an die gesetzlichen Vertreter der Online-Marktplätze einführen", heißt es da zum Beispiel. Es geht um den gesetzlosen Zustand, dass sich die Betreiber der Plattformen gewissermaßen nur als Informations-Plattform gerieren, die die Haftung für die Vergehen ihrer Lieferanten von sich weisen und damit jeglicher Haftung aus dem Weg zu gehen versuchen. Nach dem Motto: Wir wissen von nichts! Wir können nichts unternehmen! Wir sind auch gar nicht zuständig!

Wie das gehen soll? Auf Bundesebene fordern die Verbände sehr dezidiert " die Abschaffung der Zollfreigrenze von 150 Euro", während auf Ebene der Bundesländer die Behörden "gestärkt und besser digital ausgestattet" werden sollen, um bei ihren Aufgaben der Marktüberwachung wirksam ermächtigt und unterstützt zu werden.

Import aus China: Zollkodex der EU soll Plattformen als "fiktiven Einführer" in die Verantwortung nehmen

Um endlich konsequent die fällige Einfuhrumsatzsteuer zu erheben, sollen sämtliche Steuer- und Zollformalitäten (sowie vor allem Zahlungen und Verbindlichkeiten) juristisch auf die Plattformen als sogenannte fiktive Einführer übertragen werden. Dies erfordere mittelfristig eine "Reform des EU-Zollkodex". Die Händler und Versender in Asien müssen verpflichtet werden, die Plattformen, über die sie ihre Waren anbieten, als "Import-One-Stop-Shop" zu nutzen. "Es muss umfangreichere Mitwirkungspflichten seitens der Anbieter und Kontrollmöglichkeiten seitens der Behörden geben, um den Markt regulieren zu können", lautet der Rat aus der täglichen (und seit langem frustrierenden) Praxis der Zollbeamten. Sie erkennen den Betrug, werden aber von der Politik bisher weitgehend allein gelassen.

Laissez-faire am freien Markt bringt Hersteller und Handel in der EU an seine Grenzen

Immerhin wird in der Stellungnahme der drei Verbände goutiert, "dass die Europäische Kommission ihre Möglichkeiten im Rahmen des Digital Services Act (DSA) nutzt." Was im Umkehrschluss sie offene Wunde ist, dass die nationale Ebene sich weitgehend aus der Verantwortung stiehlt und sich angesichts der EU-Zuständigkeit einen schlanken Fuß macht. Nicht nur die Bundeswehr ist in den vergangenen 20 Jahren demontiert worden. Auch die Wettbewerbsbedingungen des Handels sind unter dem Laissez-faire und Urvertrauen in die Vorzüge des Welthandel völlig aus dem Fokus geraten. Das, was jetzt die USA unter Donald Trump zu einer Neuordnung und neuen Zollschranken motiviert, wird allmählich auch in Europa gegenüber Asien zur ultima ratio, um die Händler und Produzenten für Billigprodukten und Plagiaten zu schützen. Die Alternative besteht in Freihandelsverträgen, wie es jetzt mit Südamerika und Mexiko auf den Weg gebracht worden.

Präsident des Handelsverbands sieht Einzelhändler durch Usancen von Temu & Co. in Existenz bedroht

"Zoll- und Steuergesetze und unsere hohen Standards bei Produktsicherheit. Umwelt- und Verbraucherschutz zu umgehen, darf auf nationaler und europäischer Ebene nicht länger geduldet werden. Online-Anbieter wie Temu und Shein führen den fairen Wettbewerb ad absurdum. Diese rücksichtslosen Geschäftsmodelle gehen auf Kosten der Handelsunternehmen im gesamten EU-Binnenmarkt", wettert HDE-Präsident Alexander von Preen. "Die Politik darf nicht länger tzuschauen, wie der hiesige Einzelhandel durch massenhafte Verstöße von Temu und Co. in seiner Existenz bedroht wird."

Nicht nur Kritik, sondern Warnung an den Bundeskanzler, endlich tätig zu werden

Florian Köbler, der Bundesvorsitzende der Steuergewerkschaft, macht unmissverständlich deutlich, dass die Erklärung der Verbände keine Kritik, sondern eine Warnung ist: "Es ist nicht alltäglich, dass Vertreter des Handels, der Finanzverwaltung und des Verbraucherschutzes gemeinsame Forderungen erheben . aber wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie Plattformen wie Temu mit illegalen Mitteln den Markt dominieren und unsere Werte gefährden. Es ist höchste Zeit, dass die Politik hart durchgreift und für gleiche Spielregeln sorgt."

Was die Verbraucher qualitativ von der Produkt-Schwemme halten, ist da nur der I-Punkt auf der Forderung nach Intervention. "Verbraucher erwarten, dass Produkte, die sie über Online-Marktplätze kaufen, sicher sind. Und das ist auch ihr gutes Recht! Es darf nicht passieren, dass Feiermelder kein Feuer melden oder Kinder einen Stromschlag von ihrem Nachtlicht bekommen." Auch das Widerrufsrecht ist chinesischen Händlern nicht nur unbekannt, sondern bestenfalls ein lästiges Problem, dass man im Handling einfach ignoriert. Mit Appellen an die Vernunft der Verbraucher, nicht jeden Schrott Übersee einzukaufen, nur "weil billig geil ist", sind die Probleme im weltweiten Handel jedenfalls nicht mehr in den Griff zu bekommen.

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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