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Die autofreie Stadt: Pariser Modell stößt in Deutschland auf geteiltes Echo

Paris plant, 500 Straßen für den Autoverkehr zu sperren, um mehr Grünflächen und Fußgängerzonen zu schaffen – ein Vorhaben, das in Deutschland gemischte Reaktionen hervorruft. Während Umwelt- und Verkehrsverbände den Schritt begrüßen, äußert der ADAC Bedenken hinsichtlich Akzeptanz und Umsetzbarkeit. Eine vergleichbare Bürgerabstimmung sei hierzulande nicht möglich, so der Autoclub.
24.03.2025 15:59
Lesezeit: 2 min
Die autofreie Stadt: Pariser Modell stößt in Deutschland auf geteiltes Echo
Am Eingang einer Fußgehstraße im Pariser Norden weist ein Schild darauf hin, dass Autos und Motorräder hier nicht fahren dürfen. (Foto: dpa) Foto: Rachel Boßmeyer

In Paris sollen künftig zahlreiche Straßen für den Autoverkehr gesperrt werden. Eine Bürgerbefragung ergab eine klare Mehrheit für die Umgestaltung, nun steht die Umsetzung an. Während Umwelt- und Verkehrsverbände in Deutschland die Entscheidung begrüßen, äußert der ADAC Bedenken hinsichtlich der Akzeptanz und Machbarkeit eines solchen Vorhabens.

Konkret stimmten lediglich vier Prozent der knapp 1,4 Millionen Wahlberechtigten für die Umwandlung von 500 Straßen in begrünte Fußgängerbereiche. Dies könnte den Wegfall von 10.000 Parkplätzen bedeuten und Autofahrer zu Umwegen zwingen. Welche Straßen betroffen sind, soll in jedem der 20 Stadtviertel individuell entschieden werden. Die Umsetzung wird voraussichtlich drei bis vier Jahre dauern, ist aber noch nicht endgültig beschlossen.

ADAC sieht Vorhaben kritisch und verweist auf geringe Wahlbeteiligung

Der ADAC sieht das Vorhaben kritisch und verweist auf die geringe Wahlbeteiligung, die die Aussagekraft des Ergebnisses infrage stelle. Zudem sei autofreies Wohnen nur in begrenztem Umfang umsetzbar, eine flächendeckende Sperrung von Stadtvierteln oder ganzen Innenstädten sei problematisch. Wohnortnahes Parken müsse gewährleistet bleiben, um Unmut in der Bevölkerung zu vermeiden.

Anders beurteilt der Berliner ADFC die Pläne: Die Entscheidung sei „mutig“, Paris beweise, dass eine Großstadt nicht vom Autoverkehr dominiert werden müsse. Auch Roland Stimpel vom Fußgängerverein Fuß e.V. begrüßt die Entwicklung und betont, dass 80 Prozent der Pariser Bevölkerung kein Auto besäßen und daher profitieren würden. Er sieht andere deutsche Städte wie Leipzig oder Aachen in Sachen Fußgängerfreundlichkeit bereits weiter als Berlin.

Autofreie Zonen in deutschen Städten - Berliner Friedrichstraße kein gutes Beispiel

Auch in Deutschland gibt es ähnliche Bestrebungen. Leipzig arbeitet seit 1993 an einer „autoarmen Innenstadt“, wo Tempo 20 gilt und Parkflächen stark begrenzt sind. Hannover plant, bis 2030 die Innenstadt weitgehend autofrei zu machen, wobei nur Parkhäuser erhalten bleiben sollen. In München werden während der Sommermonate einige Straßen für den Autoverkehr gesperrt und für Fußgänger gestaltet. Nürnberg verfolgt im Stadtteil Gostenhof ein ähnliches Konzept nach dem Vorbild der „Superblocks“ in Barcelona.

Berlin, das als besonders progressiv gilt, hat mit der Friedrichstraße jedoch einen Rückschlag erlebt: Nachdem sie über zwei Jahre autofrei war, wurde sie im Juli 2023 wieder für den Verkehr freigegeben. Im Graefekiez in Kreuzberg hingegen sollen über 400 Parkplätze umgewandelt werden, wobei die Anwohner mitentscheiden können, wie der Raum genutzt wird.

Klimaschutz als Ziel in Paris

Die Stadtverwaltung in Paris sieht die Maßnahme nicht nur als Verkehrsentlastung, sondern auch als Schritt zur Anpassung an den Klimawandel. Bereits jetzt sind etwa 220 der über 6.000 Straßen in der französischen Hauptstadt autofrei. Seit 2002 ist der Autoverkehr dort um fast 50 Prozent gesunken, doch laut Stadtplanungsamt beanspruchen Fahrzeuge weiterhin über die Hälfte des öffentlichen Raums.

Trotz der positiven Mehrheitsentscheidung lehnten in drei Stadtvierteln die Bewohner neue autofreie Zonen ab. Kritiker warnen vor negativen Auswirkungen auf Händler und Rettungsdienste sowie hohen Kosten für die Umgestaltung.

In Deutschland nicht direkt übertragbar

Eine vergleichbare Bürgerabstimmung wäre in Deutschland nicht möglich, erklärt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Hier müsste eine offizielle Entwidmung von Straßen erfolgen, bei der die Interessen aller Beteiligten – einschließlich Gewerbetreibender – berücksichtigt werden.

Viele deutsche Städte arbeiten bereits an Konzepten für eine bessere Verkehrsaufteilung. Allerdings sei klar, dass weniger Autoverkehr nur mit einem attraktiven öffentlichen Nahverkehr umsetzbar sei. Hier mangele es jedoch an finanziellen Mitteln, weshalb Städte mehr Unterstützung von Bund und Ländern benötigen.

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