700 Millionen Euro Vermögen, ein Weltunternehmen mit rund 3000 Mitarbeitern und Produktionsstätten auf der ganzen Welt: Der 74-jährige Holger Loclair ist der reichste Ostdeutsche und hat aus einem kleinen DDR-Betrieb mit einst rund 60 Mitarbeitenden einen globalen Player gemacht.
Die reichsten Deutschen 2024: Platz 314 für den reichsten Ostdeutschen
Zahlreiche heimische Topvermögen basieren auf großen unternehmerischen Leistungen. Einige werden seit Generationen vererbt, andere sind erst jüngst und aus eigener Kraft entstanden, so wie bei Holger Loclair, der 2024 mit einem geschätzten Vermögen von 700 Millionen vom Manager-Magazin auf Platz 314 der reichsten Deutschen geführt wird. Die Besonderheit: Damit ist er der reichste Ostdeutsche beim Vermögensranking.
Er stammt aus Penzin im Landkreis Rostock. In seiner Jugend war er Leistungsturner. Später promovierte er an der Fakultät für Chemische Technologie und Verfahrenstechnik der Technischen Universität in Stettin, Polen.
ORAFOL: Vom DDR-Betrieb zum Weltkonzern
Seine Erfolgsgeschichte begann im brandenburgischen Oranienburg: In den 70er-Jahren stieg er als promovierter Chemiker in den damaligen „VEB Spezialfarben Oranienburg“ ein – einen sogenannten „volkseigenen Betrieb“ (VEB) in der DDR, der auf die Herstellung von Spezialfarben und selbstklebenden Reflexfolien spezialisiert war. Später wurde er dort Betriebsdirektor.
Nach der Wende im Jahr 1991 wurde das Unternehmen durch die Treuhandanstalt privatisiert. Loclair leitete die Privatisierung des Familienbetriebs und wagte den Schritt zum Unternehmer als er den Betrieb übernahm. Unter dem neuen Namen „Orafol“ baute er ihn zu einem internationalen Konzern aus.
Heute ist Orafol das umsatzstärkste familiengeführte Industrieunternehmen in Ostdeutschland und gehört zu den Weltmarktführern in der Kunststoffveredelung.
Spezialfolienhersteller: Materialien für Auto-, Luftfahrt- und Verkehrsindustrie
Das Unternehmen stellt Produkte her, die alle schon mal gesehen oder sogar selbst verwendet habt: nämlich unter anderem selbstklebende Folien, die für Fahrzeugbeklebungen, Werbeschilder oder Fensterdekorationen genutzt werden. Auch viele reflektierende Materialien für Verkehrsschilder, Markierungen an Einsatzfahrzeugen oder Sicherheitskleidung stammen von Orafol. Zudem entwickelt die Firma spezielle Klebebänder, die in der Industrie zum Einsatz kommen, etwa in der Automobil- oder Luftfahrtbranche.
In den vergangenen 20 Jahren hat der Betrieb seine Präsenz unter anderem in den USA erheblich ausgebaut, mit mehreren Tochtergesellschaften und Produktionsstandorten. Die Hauptaktivitäten von Orafol in Amerika werden von Orafol Americas Inc. gesteuert. Im Jahr 2019 wurde ein Standort in Dehli, Indien erschlossen, mit Schwerpunkt auf den Vertrieb von retroreflektierenden Materialien. Seit dem Jahr 2020 gibt es „Orafol Rus Reflective Solutions“ in Pskow, Russland.
Inzwischen ist Orafol in Europa, in Nord- und Südamerika, in Australien und Neuseeland sowie in Asien und Afrika mit 17 Tochtergesellschaften und 30 Standorten präsent. Produktionsstandorte befinden sich in Deutschland, Belgien und Irland sowie in den USA, Mexiko und China.
2024: Rekordjahr trotz Wirtschaftskrise
Der Umsatz von Loclairs Orafol betrug im Jahr 2024 betrug 883 Millionen Euro – ein Rekordjahr trotz Wirtschaftskrise. Damit hat der Spezialfolienhersteller Orafol sein bisher bestes Jahresergebnis erzielt. Und das weltweit tätige Unternehmen bleibt auf Wachstumskurs: Bis 2027 werde Orafol weitere Millionen Euro investieren, kündigte Unternehmenschef Holger Loclair in einem MAZ-Interview an. Die inhabergeführte Gruppe beschäftigt weltweit 3.000 Mitarbeiter, davon 1.300 am Stammsitz in Oranienburg.
Orafol investiert Millionen Euro am Stammsitz
Vorgesehen sei diese Summe hauptsächlich für den Kauf von Maschinen und Automatisierungstechnik für bereits bestehende Hallen auf dem Gelände im Industriepark Nord in Oranienburg. „Für Orafol wäre das ein Riesen-Schub für die Effizienz der Produktion“, sagt Holger Loclair. Deshalb hofft er auf eine neue Regierung, die Bürokratie abbaut und die Wirtschaft entlastet. „Der Mittelstand wird vernachlässigt. Und das gibt mir zu denken.“ Das Genehmigungsverfahren für die zuletzt errichtete neue Halle hat fast vier Jahre gedauert.
Holger Loclair: „Der Mittelstand wird vernachlässigt.“
Der Chef des Folienherstellers kritisiert die Wirtschaftspolitik der Grünen und sieht bessere Bedingungen für Unternehmer in den USA. „Als energieintensives Industrieunternehmen habe ich nicht mehr den Eindruck, vorbehaltlos am Standort Deutschland willkommen zu sein. Und das, obwohl wir ein großer Steuerzahler sind“, sagte Loclair dem Spiegel Oktober letzten Jahres.
„Ich störe mich, natürlich auch mit Rückblick auf meine Biografie, wenn politisch versucht wird, in unternehmerische Wettbewerbs- oder Leistungsprinzipien einzugreifen. Ich warne davor, dass unsere Wirtschaft wieder in eine Planwirtschaft kippt“, kritisierte der gebürtige Ostdeutsche Loclair. An den USA reize ihn die unternehmerische Freiheit. „Ich kann nicht nur schnell entscheiden, sondern auch schnell umsetzen. Der Faktor Zeit wird in Deutschland völlig außer Acht gelassen.“
Seit Ende 2024 kooperiert Orafol mit dem belgischen Spezialfolienhersteller Michiels Advanced Materials. Das Ziel: im großen Stil in die Produktion und Vermarktung von Klimafolien einzusteigen. Die metallisch beschichteten Folien, die Räume oder Fahrzeuge im Sommer kühl und im Winter wärmer halten, sollen in der neuen Halle veredelt werden.
Die Gründungsgeschichte der ORAFOL reicht zurück in das Jahr 1808: Eine Familie gründet das Unternehmen unter dem Namen Wibelitz-Farbenwerkstatt und wird exklusiver Hersteller von Poststempelfarben für das Königreich Preußen. Ein Jahrhundert später beginnt das Unternehmen mit der Herstellung von Farben und Lacken.