Ihre Männer nennen sie Kommandantin, Frau Kapitän oder Chefin. "Die Alte" werde bei ihr an Bord nicht gesagt, meint Claudia Neben. Ein Verbot gäbe es allerdings nicht. "Die Jungs empfinden das als unhöflich." Die 35-Jährige ist die erste deutsche Frau an der Spitze eines U-Boots. Bis Ende nächsten Jahres hat sie das Kommando über die Delta-Crew auf dem U34.
Erste Frau kommandiert ein U-Boot der deutschen Marine
Wolfgang Petersens Klassiker „Das Boot“, in dem der Kapitän „der Alte“ genannt wird, habe Neben natürlich mehrfach geschaut, sich aber mit der dargestellten Männerrunde nie identifizieren können. „Das ist der Lieblingsfilm meines Vaters, das hat mich definitiv beeinflusst“, erzählt die Norddeutsche. Dass sie heute selbst auf der Brücke steht, erfüllt ihre Familie mit Freude.
Nach dem Abi zog es Neben zur Bundeswehr. „Weil ich die Welt entdecken wollte.“ Erst diente sie auf einer Fregatte. Doch dort war ihr zu viel los, ständig neue Leute. „Gegen Ende des Staats- und Sozialwissenschafts-Studiums in München blieb ich dann beim U-Boot. Dabei hatte ich außer im Fehmarn-Urlaub noch nie eins betreten.“ Seit Oktober 2023 befehligt sie die Delta-Besatzung – eine von fünf – und ist seit April die einzige Frau an Bord.
Deutsche Marine: Nur drei Frauen sind U-Boot-Soldatinnen
Von rund 150 deutschen U-Boot-Soldaten sind nur drei weiblich. „U-Boot-Fahren ist etwas Eigenes“, so die Lüneburgerin. Wer klaustrophobisch sei, habe es schwer. „Es gibt kaum Platz, und wir schlafen noch immer in der 'warmen Koje'. Da muss man es mögen, sich das Bett mit einem Kollegen zu teilen.“ Eine weitere Frau war bis vor Kurzem noch dabei, entschied sich dann aber um.
Auch in der Frachtschifffahrt sind Frauen deutlich in der Minderheit, aber es gibt Fortschritte. „In der deutschen Seefahrt holen Frauen auf“, sagt Gaby Bornheim, Präsidentin des Verbands Deutscher Reeder. „Mehr als sieben Prozent der Seeleute sind Frauen – ein guter Wert, weltweit liegt der Schnitt nur bei etwa zwei Prozent.“
U-Boot-Kommandantin trifft strategische Entscheidungen
Mit Blick auf die weltpolitische Lage gewinnen U-Boote wieder an strategischer Bedeutung. „U-Boote erfüllen viele Funktionen“, sagt Militärhistoriker Sönke Neitzel. „Sie sind wichtig für Aufklärung: Man sieht sie nicht, man hört sie nicht – weil sie extrem leise sind. So können sie geheim operieren.“ Sie seien auch in der Lage, Spezialkräfte unbemerkt an Küsten zu bringen oder gegnerische Schiffe zu attackieren.
Auch bei der Diskussion um nukleare Teilhabe spielten sie eine Rolle, so Neitzel. „Man könnte auf deutschen U-Booten auch Marschflugkörper stationieren – etwa französische, auch mit französischen Nukleargefechtsköpfen.“ Ihre Präsenz zwinge den Gegner zur Reaktion. „Wer U-Boote in die Ostsee verlegt, bringt den Gegner dazu, viele Abwehrkräfte zu binden.“
Nach Ostern legt U34 wieder ab. „Wir können uns bewegen, ohne entdeckt zu werden“, erklärt Neben. Im besten Fall bleibt das moderne U-Boot unsichtbar. „Unter Wasser nutzen wir keinen Radar, nur Sonar. Wir hören mit – aber senden nichts. Unsichtbar bleiben ist das Ziel.“ Die Informationen unterscheiden sich stark von denen über Wasser.
„Wir leisten nationale Aufklärung“, sagt Neben, ohne Details zu nennen. „Unsere deutschen U-Boote zählen noch immer zur Weltspitze, technisch nicht-nuklear sind sie führend. Wir sind extrem leise. Wer uns finden will, muss sich anstrengen.“ Das wisse sie aus gemeinsamen Manövern mit anderen Marinen. U34 könne mithilfe seiner Hydrophon-Systeme vom Meeresboden aus weit horchen.
Gefechtstorpedos an Bord: Veränderte Lage
Startet eines der aktuell sechs einsatzfähigen U-Boote – vier weitere sind bestellt – sind stets Gefechtstorpedos an Bord. Neben hat bislang lediglich Übungstorpedos abgefeuert. „Wir trainieren durchgehend für Szenarien, die geopolitisch wieder wahrscheinlicher werden“, erklärt sie. „Kalter-Krieg-Denken ist für uns nicht neu.“ Auch in der U-Boot-Truppe habe die Zeitenwende Spuren hinterlassen: „Bei Ersatzteilen hat sich die Lage klar verbessert.“
Im Ernstfall trifft Neben die Entscheidungen allein. „Ich kann nicht beim Marinekommando nachfragen, was die letzte Nachricht bedeuten soll. Ich analysiere und leite dann Maßnahmen ab“, sagt sie. Für das Schiff und die 28 Menschen an Bord trägt allein sie die Verantwortung.
Bevor sie Kommandantin wurde, musste Neben sich wiederholt beweisen. Auf sogenannten Schülerfahrten beurteilten Vorgesetzte sie: erst gegen Ende der Wachoffizier-Zeit, dann nochmals auf dem Weg zur Führungskraft. Etwa 25 Prozent schaffen es laut Marine nicht.
U-Boot-Fahrer sind Teamplayer
„U-Boot-Fahrer sind echte Teamleute“, sagt Neben. Ohne den Smutje (Koch), den Elektriker oder den Ersten Wachoffizier könne sie das Boot nicht führen. „Ich bin auf jeden der 28 angewiesen – und sie auf mich genauso.“ Sie allein hat eine eigene Kammer, kann sich zurückziehen. „Ich habe sogar ein Waschbecken und einen kleinen Schreibtisch.“
Was sie nach U34 machen wird, weiß Neben noch nicht. „Die Bundeswehr bietet sehr viele Möglichkeiten.“ Ein Einsatz im Ausland wäre denkbar. „Ich habe ja noch gut 25 Jahre Dienst vor mir – da wird sich noch viel ergeben.“