Tech-Börsengänge verzeichnen „die schlimmsten Tage seit der Pandemie“
Die Aufbruchstimmung im Technologie-Sektor ist verflogen. In den ersten Monaten des Jahres 2025 hofften viele Investoren und Startup-Gründer auf das lang ersehnte Comeback des IPO-Marktes. Doch die geopolitischen Entwicklungen – allen voran der wirtschaftspolitische Kurs des erneut gewählten US-Präsidenten Donald Trump – haben diese Hoffnungen binnen weniger Wochen zunichtegemacht.
Insider sprechen bereits vom düstersten Börsenklima seit dem Corona-Crash 2020. Der IPO-Index des Datenanbieters PitchBook, der junge, risikokapitalfinanzierte Technologieunternehmen abbildet, stürzte seit Jahresbeginn um rund 20 Prozent ab. Hauptgrund: Trumps Anfang April verhängte Strafzölle gegen wichtige Handelspartner – insbesondere China und die EU – haben massive Unruhe an den Märkten ausgelöst.
Das Timing könnte ungünstiger kaum sein. Der schwedische Zahlungsdienstleister Klarna, seit Jahren als IPO-Kandidat gehandelt, hatte im März seinen Börsenprospekt veröffentlicht – wenige Tage vor Trumps Zollhammer. Die Folge: Der Börsengang wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Quellen berichten von einem völligen Einbruch der Nachfrage: „Das waren die schlimmsten zwei Tage am Markt seit der Pandemie. Kein Unternehmen wollte sich listen lassen“, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person gegenüber dem Portal Sifted.
Trump-Effekt: IPO-Fenster geschlossen
Klarna ist kein Einzelfall. Die US-Ticketplattform StubHub, das Berliner Klimatech-Startup 1Komma5 sowie der indische SoftBank-Favorit Oyo – alle haben ihre Börsenpläne auf Eis gelegt. Viele Unternehmen kalkulieren nun mit einer Hängepartie bis mindestens 2028 – dem Ende von Trumps zweiter Amtszeit. Investoren befürchten eine andauernde Phase von Unsicherheit, protektionistischer Politik und regulatorischer Unberechenbarkeit.
Ironie des Schicksals: Viele Risikokapitalgeber hatten offen auf einen Trump-Sieg gehofft – in der Hoffnung auf eine unternehmensfreundlichere Politik, insbesondere im Bereich KI und Fusionen. Zwar wurde kurz nach der Wahl das milliardenschwere Projekt „Stargate“ von Trump, OpenAI, SoftBank und Oracle präsentiert – doch was als Signal der Stärke gedacht war, wurde von den Märkten als geopolitisches Muskelspiel gewertet. Die Konsequenz: Vertrauensverlust.
Kapitaldruck wächst – Fonds unter Zugzwang
Für Risikokapitalfonds ist die Situation brisant. IPOs und Unternehmensverkäufe sind ihre wichtigsten Exit-Strategien – ohne sie fehlt die Liquidität für neue Investments. „Fondsmanager stehen unter massivem Druck ihrer Geldgeber“, warnt Alex Barr von Sarasin Bread Street. „Sie müssen liefern – aber der Markt lässt keine Exits zu.“
Startup-Bewertungen geraten ebenfalls unter Druck. Zwar ändern sich diese formell erst bei neuen Finanzierungsrunden, wie Tobias Bengtsdahl vom Antler Nordic Fund erklärt – doch de facto sinkt der Marktwert vieler Tech-Firmen bereits heute. Auch sogenannte Growth-Fonds, die in reifere Startups investieren, halten sich zunehmend zurück.
Europa als Gewinner? Hoffnung auf Standortvorteil
Nicht alle Beobachter sehen die Lage ausschließlich negativ. Sanjot Malhi, Partner beim Londoner VC Northzone, sieht eine strategische Chance für Europa. „Wenn die USA aus Investorensicht instabiler werden, kann Europa profitieren“, sagt er. Auch durch regulatorische Klarheit und stabile Märkte könnten sich künftig mehr Tech-Börsengänge in Frankfurt, Amsterdam oder Stockholm bündeln – sofern europäische Börsenbetreiber schnell reagieren.
Fazit
Der globale Markt für Technologie-IPOs steht still – und das in einer Phase, in der viele Startups dringend Liquidität brauchen. Was als Aufbruchsjahr begann, droht sich zum Stillstandsjahr zu entwickeln. Donald Trumps Zolleskalation hat das Vertrauen der Investoren massiv erschüttert – und es ist keineswegs sicher, wann sich das Fenster für Börsengänge wieder öffnet. Für Europa könnte dies eine historische Chance sein. Doch nur, wenn der Kontinent den Mut hat, aus der Lähmung der anderen Kapital zu schlagen.
Wird Europa bereit sein, das Vakuum zu füllen, das die USA hinterlassen?