Dekret mit Signalwirkung – aber wenig Substanz
Donald Trump will die Preise für Medikamente in den USA massiv senken – mit bis zu 90 Prozent, wie er in dieser Woche betonte. Doch Experten bezweifeln, dass diese Ankündigung mehr als populistische Rhetorik ist. Analysten warnen vor juristischen, politischen und wirtschaftlichen Hürden, die den Kurs des ehemaligen Präsidenten und Präsidentschaftskandidaten entscheidend behindern könnten.
Trump hatte zu Wochenbeginn ein Dekret unterzeichnet, das die Medikamentenpreise auf ein internationales Mindestmaß senken soll. "Die Preise werden um 60, 70, 80 oder 90 Prozent fallen", verkündete er auf einer Pressekonferenz – und brachte damit globale Pharmakonzerne in Bedrängnis.
Zu den unmittelbaren Verlierern zählte der dänische Konzern Novo Nordisk, Hersteller des Diabetesmittels Ozempic und der Abnehmspritze Wegovy. Das Unternehmen erzielt 56 Prozent seines Umsatzes in den USA. Die Aktie stürzte am Montag nach Handelsbeginn um über 7 Prozent ab – bevor sie sich am gleichen Tag wieder weitgehend erholte. Bis Dienstagmittag war der Kurs erneut im Aufwind.
Hintergrund dieser Entspannung: Trump lenkte in einem weiteren Statement von den Herstellern auf sogenannte Pharmacy Benefit Manager (PBMs) um – Zwischenhändler, die als Preistreiber gelten. Diese würden künftig ausgeschaltet, so Trump: „Wir werden die Zwischenhändler eliminieren und den Direktverkauf von Medikamenten fördern.“
Analysten: Politische Realität bremst radikale Reformen
Trotz aggressiver Rhetorik sehen Analysten kaum Spielraum für echte Reformen. Eric Potoker von UBS schreibt in einer aktuellen Analyse: „Der Weg zu einer aggressiven Preisregulierung bleibt extrem eng.“ Auch J.P. Morgan zweifelt: Ein Dekret allein reicht nicht aus. Für tiefgreifende Änderungen ist ein Gesetz notwendig – doch im Kongress fehlt die Unterstützung.
Insbesondere republikanische Abgeordnete, die viele Wahlkreise mit engen Verbindungen zur Pharmabranche vertreten, stehen umfassenden Preisreformen skeptisch gegenüber. „Die Wahrscheinlichkeit einer Most-Favored-Nation-Gesetzgebung ist gering“, erklärt Potoker, „weil viele Republikaner traditionell die pharmazeutische Industrie und deren Preisfreiheit unterstützen.“
Das MFN-Prinzip: Exportierte Preispolitik
Trump will künftig das sogenannte Most Favored Nation-Prinzip (MFN) anwenden: Die USA sollen für Medikamente nicht mehr bezahlen als das Land, das den niedrigsten Preis verlangt. Konkret heißt das: Wenn Deutschland oder Spanien ein Präparat für 50 Euro erhält, soll der Preis in den USA entsprechend angepasst werden.
Dazu plant Washington einen ungewöhnlichen Schritt: Es will die Medikamentenpreise im Ausland anheben, um die eigenen senken zu können. Länder wie Deutschland oder Frankreich sollen gezwungen werden, ihre Einkaufskonditionen zu verschlechtern – notfalls durch Strafzölle. Analysten wie UBS halten dieses Vorgehen jedoch für realitätsfern: „Es ist schwer vorstellbar, dass andere Staaten dem freiwillig zustimmen.“
Die Rolle der Zwischenhändler – der wahre Preistreiber?
Trump identifizierte auf seiner Pressekonferenz klar die PBMs als Preistreiber. Diese agieren als Mittler zwischen Herstellern, Apotheken, Versicherungen und Arbeitgebern – mit dem Ziel, Rabatte auszuhandeln. Kritiker bemängeln jedoch seit Jahren, dass diese Strukturen die Endpreise für Konsumenten kaum senken und eher die Margen der Zwischenhändler stärken.
Trump kündigte an, dieses Modell durch ein direktes Vertriebssystem ersetzen zu wollen. Novo Nordisk etwa plant mit „Novo Care“ ein eigenes Online-Apothekenmodell, das Medikamente wie Wegovy für 499 Dollar pro Monat direkt an Verbraucher verkaufen soll – weit unterhalb der aktuellen Listenpreise von 1349 Dollar.
Auch Eli Lilly hat mit „Lilly Direct“ eine ähnliche Plattform angekündigt.
Pharmariesen ruhig – Zwischenhändler unter Druck
Die Märkte reagierten differenziert: Während Pharmakonzerne wie Novo Nordisk nach einem kurzen Kurssturz schnell wieder an Wert gewannen, mussten die Aktien großer PBMs Verluste hinnehmen. „Trump richtete seinen Hauptangriff gegen die Struktur – nicht gegen die Hersteller“, so Henrik Hallengreen Laustsen von Jyske Bank. Das habe die Märkte beruhigt.
Experten: Symbolpolitik statt Strukturwandel
Auch die Sydbank sieht in Trumps Maßnahmen weniger ein realpolitisches Reformprogramm als vielmehr ein politisches Signal. In einer aktuellen Analyse heißt es: „Das Dekret ist harmloser als befürchtet und könnte Pharmaunternehmen kurzfristig Luft verschaffen, um in Gespräche über nachhaltige Lösungen einzutreten.“
Trumps Handelsminister erhielt bereits grünes Licht, um notfalls mit Zöllen auf ausländische Medikamente zu reagieren – ein außenpolitischer Hebel mit begrenzter Erfolgsaussicht.
Branche signalisiert Gesprächsbereitschaft
Novo Nordisk veröffentlichte im Anschluss an Trumps Ankündigung ein offizielles Statement:
„Wir teilen die Auffassung, dass Amerikaner besseren Zugang zu erschwinglichen Medikamenten benötigen. Wir werden weiterhin mit Entscheidungsträgern zusammenarbeiten, um effektive Lösungen für das US-Gesundheitssystem zu entwickeln.“
Fazit: Wahlkampfrhetorik trifft Wirklichkeit
Die Pharmapreise in den USA sind strukturell hoch – das steht außer Frage. Doch Trumps radikale Lösungsvorschläge stoßen auf die politische und wirtschaftliche Realität: Ein Präsident kann keine Preise per Dekret diktieren. Ohne Kongressmehrheit und ohne internationale Zustimmung bleibt es wohl bei markigen Worten – mit begrenztem Effekt für Patienten, Unternehmen und Märkte.