Trump-Verehrer und EU-Kritiker
Der rumänische Präsidentschaftswahlkampf entwickelt sich zu einem geopolitischen Kräftemessen mit potenziell weitreichenden Folgen für die EU, den Ukraine-Krieg und die Sicherheitsarchitektur an der Ostflanke der NATO. Nach der Annulierung der ursprünglichen Wahl wegen mutmaßlicher ausländischer Einflussnahme und der Disqualifikation des ultrarechten Kandidaten Călin Georgescu hat der rechtspopulistische Nationalist George Simion überraschend die erste Wahlrunde gewonnen – und damit eine politische Erschütterung ausgelöst.
Die rumänische Währung Leu brach ein, Premierminister Marcel Ciolacu trat zurück. Nun steht Simion dem proeuropäischen Bürgermeister der Hauptstadt Bukarest, Nicușor Dan, in der Stichwahl gegenüber. Die Entscheidung wird darüber bestimmen, ob Rumänien – strategisch wichtiges EU- und NATO-Mitglied – künftig prowestlich bleibt oder sich in Richtung eines nationalkonservativen, US-hörigen Kurses bewegt.
Simion, der sich offen zur Ideologie der Trump-nahen MAGA-Bewegung bekennt, will die Unterstützung für die Ukraine beenden und Moldawien mit Rumänien vereinen – ein Schritt, der in Brüssel wie in Moskau kritisch betrachtet würde. Er spricht von einer „Melonisierung Europas“ – eine Anspielung auf die italienische Premierministerin Giorgia Meloni – und fordert eine radikale Neuausrichtung Rumäniens.
Seine Rhetorik gegenüber der Ukraine speist sich aus der Überzeugung, die rumänische Minderheit dort werde diskriminiert. Politische Beobachter warnen allerdings: Auch wenn Simion nicht als pro-russisch gilt, bediene er gezielt Narrative der russischen Propaganda – und könne somit faktisch zum nützlichen Werkzeug des Kremls werden.
Gefahr für NATO und EU-Strukturen
Geopolitisch wäre eine Präsidentschaft Simions hochbrisant. Der Verteidigungsexperte Phillips O'Brien von der Universität St. Andrews verweist auf die zentrale Rolle Rumäniens bei der Sicherung der Getreideexporte aus der Ukraine. Nach dem Scheitern des Abkommens mit Russland im Juli 2023 nutzt Kiew verstärkt Routen entlang der rumänischen Küste. Sollte Simion diese Routen blockieren, stünde die Ukraine vor gravierenden logistischen Problemen.
Noch schwerer wiegt: Die NATO baut in Rumänien ihre größte Militärbasis Europas aus – Mihail Kogălniceanu nahe dem Schwarzen Meer. Ein Kurswechsel in Bukarest könnte Auswirkungen auf das gesamte Ostflanken-Bündnis haben.
„Nützlicher Akteur“ für Trumps Strategie?
Der politische Analyst Radu Magdin warnt: Simion könnte sich zu einem willfährigen Vollstrecker der MAGA-Strategie entwickeln – mit dem Ziel, EU-weite Entscheidungsprozesse zu blockieren. Vor allem europäische Verteidigungsprojekte stünden im Fokus – die USA hätten ein Interesse daran, dass Europa zwar mehr Geld für Rüstung ausgibt, dieses aber in amerikanische Systeme investiert.
Wirtschaftspolitisch unberechenbar
Der Politikwissenschaftler Claudiu Tufiș bezeichnet Simion als „politischen Chamäleon“, der je nach Publikum seine Botschaften anpasst. Besonders gefährlich sei sein wirtschaftspolitischer Dilettantismus: Simion habe keine Erfahrung in Regierungsführung, seine engsten Berater kämen überwiegend aus Philosophie und Geisteswissenschaft – ohne Bezug zur praktischen Wirtschaftsführung.
Tufiș warnt: Sollte Simion gewinnen, könnte er innerhalb kürzester Zeit die rumänische Wirtschaft schwer beschädigen. Bereits nach der ersten Wahlrunde verlor der Leu fast 3 Prozent gegenüber dem Euro. Das Haushaltsdefizit zählt zu den höchsten in der EU, die Inflationsrate liegt mit 4,9 Prozent ebenfalls im oberen Bereich.