Aus Essensresten wird ein neues Hightech-Material
In Schweden wird derzeit ein innovatives Material erforscht, das künftig konventionelles Leder ersetzen könnte – und zwar aus Pilzen, die auf Lebensmittelabfällen gezüchtet werden. Wissenschaftler der Hochschule Borås haben ein Verfahren entwickelt, um sogenanntes „Pilzleder“ herzustellen – ein biobasiertes Material mit lederähnlichen Eigenschaften. Das berichtet Dagens Industri.
„Der Prozess ähnelt dem Anbau von Speisepilzen“, erklärt Projektleiterin Akram Zamani. Die Grundidee: Essensreste werden mit Wasser vermengt und in speziellen Reaktoren fermentiert. Dort nimmt das Wurzelgeflecht der Pilze, das sogenannte Myzel, die Nährstoffe auf. Die entstehende Biomasse wird zu Platten verarbeitet, die sich anschließend weiterverarbeiten lassen.
Vom Experiment zur marktfähigen Prototypenreihe
Bereits 2018 begannen die Forschungen, als man versuchte, aus Pilzen auf Essensresten textile Materialien zu gewinnen. Bald entdeckte das Team, dass sich das resultierende Material auch so behandeln ließ, dass es Leder stark ähnelte.
Mittlerweile wurden mehrere Prototypen gefertigt, darunter eine Geldbörse aus Pilzleder. Das nächste Ziel: Die Skalierung der Produktion, um auch größere Anwendungen – wie Taschen – zu realisieren. „Wir wollen zum Beispiel eine Tasche entwickeln, die man anfassen kann, um das Verbesserungspotenzial besser einschätzen zu können“, so Zamani.
Auch Pilzfäden statt Kunststoffgarn denkbar
Die Forschung geht jedoch über Lederimitate hinaus. Das Team hat ebenfalls flexible Pilzfäden hergestellt, mit denen sich stricken lässt. Die erste Geldbörse wurde noch mit herkömmlichem Garn gefertigt, doch langfristig will man vollständig auf Pilzfasern umsteigen.
Ethisch, ökologisch, wirtschaftlich: Lederersatz im Vorteil
Laut Zamani ist die Nachfrage nach alternativen Ledermaterialien groß. Klassisches Tierleder sei zwar robust, berge aber ethische und ökologische Probleme: „Tierleder ist nicht nur ethisch problematisch, sondern wird auch mit giftigen Chemikalien hergestellt. Synthetisches Leder wiederum basiert oft auf Erdöl. Unser Pilzleder ist vollständig biobasiert – und damit wesentlich nachhaltiger.“
Doch es gibt noch Herausforderungen. Insbesondere die gleichbleibende Qualität des Materials lässt sich schwer sicherstellen, da die eingesetzten Lebensmittelreste sehr unterschiedlich ausfallen können. „Es ist einfacher, mit sortenreinen Reststoffen wie Brot oder Obst zu arbeiten“, erklärt Zamani.
Industrie zeigt bereits großes Interesse
Das Material erreicht derzeit noch nicht die Reißfestigkeit von traditionellem Leder. Dennoch laufen Belastungstests – und das Interesse aus der Industrie ist beachtlich. So arbeitet etwa der schwedische Autohersteller Ecoist Car an Anwendungen für Pilzleder, unter anderem für Lenkräder.
„Unser Material ist sowohl weich als auch widerstandsfähig. Derzeit arbeiten wir daran, es dicker und strapazierfähiger zu machen. Und im Gegensatz zu vielen vergleichbaren Materialien hat es keinen unangenehmen Geruch“, sagt Zamani.
Niedrige Materialkosten – hohe Skalierbarkeit
Für eine Kommerzialisierung im großen Maßstab sind weitere Partner und eine fundierte Kostenanalyse erforderlich. Doch da Abfall als Rohstoff dient, sind die Materialkosten gering. Zudem lasse sich die Produktion mit bewährter Biotechnologie einfach skalieren. „Es ist ähnlich wie bei der Zucht von Speisepilzen als Fleischersatz – und wir nutzen bewährte Methoden, die sich gut auf größere Produktionsmengen übertragen lassen“, so Zamani.