Das wurde in der Sitzung besprochen
Der Bundesrat tagt im Juni-Plenum zu insgesamt 28 Punkten. Es liegt ein gewisser Tatendrang in der Luft; ausnahmsweise nicht ausschließlich im Bezug auf die Migrationspolitik. Das Kabinett hat gemeinsam einen Hauptpunkt erarbeitet, an dem allesamt am gleichen Strang ziehen wollen: Deutschland soll wieder zu einem gefeierten Wirtschaftsstandort werden. Und so plant die Regierung, dies mit großen Schritten zur Realität zu machen:
Wachstumsbooster Industrie
Schon während des Wahlkampfs wurde von allen Seiten darauf beharrt: Deutschland muss wieder zum Industriestandort vorderster Güte in Europa werden – wenn nicht sogar der Welt. Die Wirtschaft anzukurbeln, neue Arbeitsplätze zu schaffen und so Investoren in die Bundesrepublik zu locken, steht also ganz oben auf der Prioritätenliste der neuen Regierung. Der “Gesetzesentwurf für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland” soll ebendas leisten: ein schneller Anschub “wachstumswirkender Investitionen”. Im Klartext kreiert das Gesetz eine ganze Reihe an steuerlichen Vorteilen für Unternehmen, die es besonders attraktiv machen, Standorte in Deutschland zu halten, zu gründen und Geld in die deutsche Wirtschaft zu pumpen. Unter anderem können Unternehmen Abschreibungen von 30 Prozent pro Jahr für Ausrüstungsinvestitionen in Anspruch nehmen, und erfreuen sich einer Senkung der Körperschaftssteuer. Betrieblich genutzte Elektrofahrzeuge, die zwischen dem 30.06.2025 und dem 31.12.2027 angeschafft wurden, werden ab sofort gefördert – die Bruttopreisgrenze für besondere steuerliche Förderung elektrischer Dienstwagen wird von 70.000 auf 100.000 Euro erhöht. Auch die Forschungszulage wird ausgebaut: So wird die Obergrenze zur Bemessung steuerlicher Forschungszulagen zwischen 2026 und 2030 von 10 auf 12 Millionen Euro steigen.
Der Wohnungsbau-Turbo
Dass es in Deutschland an bezahlbarem Wohnraum fehlt, ist ein oft kritisierter Punkt, den die Bundesregierung nun mit einem Bau-Turbo in Angriff nimmt. Die langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren wurden unter anderem als erschwerende Faktoren benannt, weswegen die neuen Regelungen gewisse Richtlinien lockern sollen, um bürokratische Hindernisse abzubauen. Der Paragraph 246e im Baugesetzbuch erlaubt es nun, vom Bauplanungsrecht abzuweichen. Das bedeutet, dass Städte und Gemeinden in der Hand haben, inwieweit sie dieses Gesetz zukünftig (aus)nutzen wollen. So könnten sie zum Beispiel auf die Ausstellung eines Bebauungsplans verzichten – das spart Geld und Zeit. Diese Neuregelung soll erst mal bis 2030 gelten. Bis dahin soll evaluiert werden, ob sie bei der Schaffung neuen Wohnraums zuträglich ist.
Ebenso erlaubt eine neue Sonderregelung, dass Städte und Gemeinden Genehmigungsverfahren “straffen” und ebenso vom Bebauungsplan abweichen dürfen. So soll es leichter ermöglicht werden, “Wohnungen zu bauen, Wohngebäude zu erweitern, aufzustocken und Gebäude in Wohnraum umzuwidmen, beispielsweise Gewerbeflächen und -gebäude”. Um jedoch zu verhindern, dass diese Sonderreglungen zulasten der Umwelt ausgenutzt werden, sind Abweichungen von Bauleitplänen nur dann möglich, wenn sie “keine zusätzlichen erheblichen Umweltauswirkungen” haben. Ebenso gilt: Man darf nur von den gängigen Regeln abweichen, wenn dies tatsächlich die Beschleunigung von Bauprojekten fördert.
Bahnflächen
Das Bundeskabinett hat Paragraph 23 des Allgemeinen Eisenbahn Gesetzes neu formuliert, um so auf Umwegen mehr Land für Wohnungsbau zu genieren. So sollen Flächen, die “weder ein Verkehrsbedürfnis noch eine langfristige Nutzungsperspektive für den Bahnbetrieb” darstellen für Stadtentwicklungsprojekte freigegeben werden.
Mietpreisbremse
Laut Bundeskanzler Friedrich Merz ist bezahlbares Wohnen “eine der wichtigsten sozialen Fragen unserer Zeit”. Die Mietpreisbremse soll dabei helfen, ruckartige Mieterhöhungen zu verlangsamen. Deswegen wird die Mietpreisbremse bis zum 31.12.2029 verlängert. In “Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt” darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.
Schon im März 2025 beschloss der alte Bundestag ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro, das für Infrastruktur und Verteidigung zur Verfügung steht. Viele sahen dies aufgrund der schwammigen Formulierung damals eher negativ – was ist denn Infrastruktur überhaupt? Eine gute Frage, die nicht mal die Regierung selbst bisher vollends beantwortet hat. Der Beschluss im März hat dem Kabinett lediglich die Erlaubnis erteilt, einen solchen Topf einzurichten, noch gibt es ihn aber nicht. Um diesen “plündern” zu dürfen, bedarf es eines neuen Gesetzes, welches klar definiert, wie viel von den 500 Milliarden jährlich ausgegeben werden dürfen – und wofür.
Zeit für Handlung
Am 11. Juli geht es für das Kabinett in die Sommerpause. Bis dahin gibt es noch einiges zu tun. Was viele im Chaos der Bundestagswahl sicher vergessen haben: Es gibt aktuell keinen Bundeshaushalt. Die Ampel-Koalition hatte zwar einen Entwurf aufgesetzt, doch wegen dem Koalitionsbruch und der Uneinigkeit zwischen den Parteien kam es tatsächlich nie zu einem gemeinsamen Beschluss. Seit Januar 2025 greift ein provisorischer Finanzplan, der zuerst von Interims-Minister Jörg Kukies (SPD), und danach von Nachfolger Lars Klingbeil (SPD) betreut wurde. Die Regierung behauptet zwar auch ohne Haushalt voll regierungsfähig zu sein, doch, insbesondere wenn die neue Koalition plant, Wachstum in den Vordergrund zu stellen, wird sich die Frage rund um das gute Geld bald stellen. Im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung darf die aktuelle Regierung Ausgaben fortsetzen, die bereits im früheren Haushalt beschlossen wurden, sowie alle Kosten, die für den “Erhalt der Funktionalität des Staats” erforderlich sind, auf sich nehmen. Auf der Negativseite dürfen die Ministerien jedoch provisorisch nur 45 Prozent ihrer Töpfe ausschöpfen, bis es zu einem tatsächlichen Haushaltsplan kommt. Dieser soll noch vor der Sommerpause beschlossen werden – Klingbeil hat kein leichtes Los gezogen.
Es bleibt abzuwarten, ob der Bundeshaushalt für die neue wie für die alte Koalition eine Zerreißprobe wird – und ob man diesmal zueinander finden kann.