Politik

Folgekosten in Millionenhöhe: Corona-Krise und die Schattenseite staatlicher Beschaffung

Milliardenkosten, ungenutzte Schutzmasken und politische Spannungen: Die Folgen der Maskenkäufe in der Corona-Krise wirken bis heute nach. Ein Bericht des Bundesrechnungshofs bringt neue Details ans Licht – und stellt die Verantwortlichen vor eine unangenehme Frage: Wer trägt die Konsequenzen?
07.07.2025 16:25
Lesezeit: 2 min
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Millionen Euro Zusatzlast durch Maskenkäufe

Die durch die Maskenkäufe zu Beginn der Corona-Krise 2020 verursachten finanziellen Belastungen wirken bis heute nach. Wie aus einem Bericht des Bundesrechnungshofs an den Haushaltsausschuss des Bundestags hervorgeht, stiegen die Maskenkäufe-Folgekosten für die Verwaltung der „Überbeschaffung“ im Jahr 2024 um weitere 57 Millionen Euro auf nun insgesamt 517 Millionen Euro. Der Ausschuss plant für Dienstag die Anhörung der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof. Grüne und Linke erhöhen ihren Druck auf den früheren Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Laut dem Rechnungshofbericht zur Entwicklung des Gesundheitsetats, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heiße es: „Für die verbliebenen 800 Millionen Schutzmasken im Jahr 2024 existiert bislang kein Verteilungskonzept.“ Der "Spiegel" berichtete zuerst darüber. Für das Jahr 2025 werden weitere Maskenkäufe-Folgekosten in Höhe von 45 Millionen Euro erwartet. Für 2026 und 2027 summieren sich vorhersehbare Ausgaben für Lagerhaltung, Logistik, Entsorgung, externe Beratung und juristische Betreuung auf 67,3 Millionen Euro.

Nur Bruchteil der Maskenkäufe im Einsatz

Nach Angaben des Bundesrechnungshofs hat das Ministerium bis zum Jahr 2024 rund 5,9 Milliarden Euro für insgesamt 5,8 Milliarden Masken aufgewendet. Die Kritik an der erheblichen Überbeschaffung wurde dabei nochmals bekräftigt. Von dieser Menge wurden lediglich 1,7 Milliarden Masken im Inland genutzt. Über die Hälfte der angeschafften Masken wurde vernichtet oder muss noch entsorgt werden. Zudem kalkuliert das Ministerium für 2025 mit Risiken aus Vertragsabwicklungen im Rahmen direkter Maskenkäufe von bis zu 120 Millionen Euro und 360 Millionen Euro im Zusammenhang mit anhängigen Rechtsstreitigkeiten.

In diesen Verfahren geht es um eine Notfall-Beschaffungsmethode, die Spahns Ministerium im Jahr 2020 anwendete, um dringend benötigte Masken während der Corona-Krise zu sichern. Dabei wurden Lieferverträge ohne Verhandlungen zu hohen Festpreisen abgeschlossen. Weil viele dieser Lieferungen später nicht abgerufen wurden, verklagten Anbieter den Bund. Derzeit sind noch etwa 100 Klagen mit einem Gesamtstreitwert von 2,3 Milliarden Euro anhängig, wie der Rechnungshof erläutert.

Linke und Grüne erhöhen Druck auf SPD

Die Haushaltsexpertin der Grünen, Paula Piechotta, erklärte: „Angesichts milliardenschwerer Schäden hat die Öffentlichkeit ein Recht auf vollständige Aufklärung über die Maskenkäufe.“ Grüne und Linke fordern die SPD erneut auf, einem Untersuchungsausschuss zuzustimmen. Da beide Oppositionsfraktionen zusammen nicht die notwendigen 25 Prozent erreichen, lehnen sie eine Kooperation mit der AfD ab. Grünen-Politikerin Irene Mihalic sagte dem "Stern": „Verweigert die SPD ihre Zustimmung, schützt sie Jens Spahn und stellt sich gegen Minderheitenrechte des Parlaments.“

Der politische Druck auf den heutigen Unionsfraktionschef wuchs, nachdem ein zunächst geschwärzter Bericht von Sonderermittlerin Sudhof vollständig veröffentlicht wurde. Grünen und Linken zufolge zeigt das Dokument, dass Spahn tief in die Maskengeschäfte involviert war. Die jetzige Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) verteidigte die Schwärzungen unter Verweis auf laufende Verfahren. "Wir haben dies nicht getan, um Jens Spahn zu schützen", sagte sie im ZDF.

Spahn sieht sich unfair behandelt

Spahn bezeichnete die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als böswillig. "Ich wünsche mir eine Bewertung meines Handelns im Kontext der damaligen Ausnahmesituation. Wir waren unvorbereitet", sagte er dem "Stern". „Heute, fünf Jahre später, werden Maßstäbe angelegt, als hätte es keine Pandemie gegeben.“ Auf die Frage, ob er Angst vor einem Untersuchungsausschuss habe, antwortete Spahn: "Nein."

Die Union lehnt einen Untersuchungsausschuss jedoch ab. Fraktionsgeschäftsführer Steffen Bilger (CDU) verwies auf die geplante Enquete-Kommission zur Corona-Krise. "Ein nur von Politikern besetzter Ausschuss ist ein Instrument der Opposition", sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Eine Kommission mit Experten könne die Ereignisse objektiv aufarbeiten.

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