Wirtschaft

Russland bleibt widerstandsfähig: Warum die russische Wirtschaft trotz Krieg nicht zusammenbricht

Trotz Sanktionen, Kriegsausgaben und Bankenproblemen bleibt die russische Wirtschaft widerstandsfähig. Warum ein Zusammenbruch ausbleibt – und was das für Deutschland bedeutet.
04.09.2025 16:03
Aktualisiert: 05.09.2025 06:03
Lesezeit: 2 min
Russland bleibt widerstandsfähig: Warum die russische Wirtschaft trotz Krieg nicht zusammenbricht
2022 sagten Weltbank und IWF einen Rückgang des BIP um zehn Prozent voraus. Am Ende schrumpfte die russische Wirtschaft lediglich um 1,4 Prozent. (Foto: dpa) Foto: Vladimir Smirnov

Russland: Wirtschaft im Ungleichgewicht

Die russische Wirtschaft steht trotz hoher Inflation, sinkender Wachstumsraten und massiver Kriegsausgaben stabiler da, als viele westliche Analysten erwartet hatten. Experten wie Laura Solanko von der finnischen Zentralbank warnen davor, auf einen baldigen Kollaps zu setzen – auch wenn die Verzerrungen durch Putins Kriegswirtschaft langfristig schwer wiegen.

Oberflächlich betrachtet wirkt die Lage prekär: Das Wachstum stagniert, die Inflation liegt bei fast neun Prozent, die Kriegsausgaben verschlingen enorme Mittel und der Bankensektor wird durch erzwungene Kredite an die Rüstungsindustrie belastet. Doch die russische Wirtschaft hält bislang stand. Schon 2022 sagten Weltbank und IWF einen Rückgang des BIP um zehn Prozent voraus. Am Ende schrumpfte die russische Wirtschaft lediglich um 1,4 Prozent. In den Folgejahren wuchs sie sogar wieder – 2023 und 2024 um jeweils mehr als vier Prozent.

Anders Olofsgård von der London School of Economics betont, dass Russland 2025 in ein Ungleichgewicht geraten sei, mit einem voraussichtlichen Wachstum von nur noch einem Prozent. Die Zentralbank senkte zuletzt die Leitzinsen leicht auf 18 Prozent, doch die Inflation bleibt weit über dem Vier-Prozent-Ziel. Während Banken die Rüstungsindustrie mit billigen Krediten versorgen, leiden private Unternehmen unter hohen Finanzierungskosten.

Verzerrte Strukturen durch Putins Kriegswirtschaft

Die russische Wirtschaft gleicht zunehmend einer „Tankstelle, die Panzer produziert“, wie Analystin Elina Ribakova vom Peterson Institute formuliert. Die Rüstungsindustrie wächst massiv, während der private Sektor zurückfällt. Arbeitslosigkeit liegt mit 2,3 Prozent auf Rekordtief, doch dies ist laut Experten ein künstliches Ergebnis: Die Rüstungswirtschaft saugt alle Kapazitäten auf, was Inflationstreiber verschärft.

Solanko und Ribakova sind sich einig: Russland hat zwar fiskalische Reserven und kann über Staatsanleihen neues Kapital aufnehmen – die Verschuldung liegt bei nur 21 Prozent des BIP –, doch langfristig ist das Modell nicht tragfähig. Sollte der Ölpreis weiter sinken, gerieten Einnahmen unter Druck. Schon jetzt ist der Staatsfonds nahezu aufgebraucht, während die Einnahmen aus Öl und Gas deutlich niedriger ausfallen als kalkuliert.

Auswirkungen auf Deutschland

Für Deutschland hat die Entwicklung der russischen Wirtschaft eine doppelte Bedeutung. Einerseits zeigen die anhaltenden Exporteinnahmen Russlands, dass Sanktionen nur begrenzte Wirkung entfalten. Das zwingt Berlin und Brüssel, die Strategie neu zu justieren. Andererseits steigen die Risiken für deutsche Unternehmen, die noch mit Russland verbunden sind – sei es über indirekte Lieferketten, Finanzinvestitionen oder Rohstoffabhängigkeiten.

Selbst wenn ein Friedensabkommen geschlossen würde, gilt ein Rückzug westlicher Firmen nach Russland als unwahrscheinlich. Deutsche Investoren müssten mit Turbulenzen auf den Finanzmärkten rechnen, sobald Kapitalflucht reicher Russen oder spekulative Käufe russischer Vermögenswerte einsetzen.

Russische Wirtschaft: Zermürbung statt Zusammenbruch

Ein Staatsbankrott erscheint Solanko unwahrscheinlich: Russland hat weiterhin Zugang zu inländischer Finanzierung und kann notfalls Rubel drucken. Das Risiko bleibt eine massive Inflation, nicht aber der Totalausfall. Damit bestätigt sich die Einschätzung vieler Beobachter, dass es sich nicht um einen nahenden Systemkollaps handelt, sondern um einen Zermürbungskrieg der Finanzen. Für den einzelnen Russen zeigt sich die Lage paradoxerweise stabil: Löhne steigen, Arbeitslosigkeit ist niedrig, und viele empfinden keine Verschlechterung der Lebensumstände.

So sehr sich der Westen einen Kollaps erhofft – die russische Wirtschaft ist durch Putins Kriegswirtschaft auf Jahrzehnte verzerrt, doch ein Zusammenbruch zeichnet sich nicht ab.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Jeder Sechste sorgt sich wegen KI um eigenen Arbeitsplatz
02.12.2025

Künstliche Intelligenz verändert den Arbeitsmarkt rasant. Jeder sechste Beschäftigte in Deutschland fürchtet, dass sein Job bedroht...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russische Wirtschaft unter Spannung: Industrie, Konsum und Haushalt schwächeln
02.12.2025

Die wirtschaftliche Lage in Russland wird spürbar fragiler, da strukturelle Schwächen und geopolitische Belastungen zunehmen. Damit...

DWN
Politik
Politik Drohnenabwehreinheit der Bundespolizei in Dienst gestellt
02.12.2025

Die Bundespolizei verstärkt ihre Drohnenabwehr erheblich. Mit 130 Spezialkräften, KI-gestützten Störsystemen und automatischen...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple XRP News: Digitale Zahlungen im Asien-Pazifik-Raum wachsen stark
02.12.2025

XRP, die Kryptowährung von Ripple, könnte sich bald von Bitcoin abkoppeln. In Singapur erhält das Unternehmen eine erweiterte Lizenz, um...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Das italienische Wunder: Geschaffen mit EU-Geld und Schattenwirtschaft
02.12.2025

Italien feiert eine Hochstufung seiner Bonität und spricht vom „neuen Wirtschaftswunder“. Doch unter der Oberfläche zeigen sich...

DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährung kaufen: So erkennen Anleger gute Einstiegsphasen
02.12.2025

Kryptowährungen gewinnen weltweit an Bedeutung, zugleich bleibt der richtige Einstiegszeitpunkt für viele Anleger schwer zu bestimmen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mindestlohnerhöhung 2026: Praxisleitfaden mit Checkliste und Rechenbeispielen für Betriebe
02.12.2025

Die Mindestlohnerhöhung ab 2026 bringt spürbare Veränderungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Wie stark Betriebe tatsächlich...

DWN
Finanzen
Finanzen Schufa öffnet Blackbox: Neuer Score ab Ende März einsehbar
02.12.2025

Ab Ende März 2026 können Verbraucher den neuen Schufa-Score kostenfrei einsehen. Die Berechnung orientiert sich an zwölf...