Wirtschaft

Russische Wirtschaft unter Spannung: Industrie, Konsum und Haushalt schwächeln

Die wirtschaftliche Lage in Russland wird spürbar fragiler, da strukturelle Schwächen und geopolitische Belastungen zunehmen. Damit stellt sich die Frage, wie widerstandsfähig die russische Wirtschaft in den kommenden Monaten noch sein kann.
02.12.2025 16:00
Lesezeit: 4 min
Russische Wirtschaft unter Spannung: Industrie, Konsum und Haushalt schwächeln
Die russische Wirtschaft gerät durch Kriegslasten, Sanktionen und sinkende Rohstofferlöse zunehmend unter Druck (Foto: dpa) Foto: Bai Xueqi

Russische Wirtschaft verliert weiter an Dynamik

Der Krieg gegen die Ukraine, der für viele Menschen in Russland lange Zeit weit entfernt schien, greift zunehmend in den Alltag ein. Mit Beginn des vierten Kriegswinters häufen sich in vielen Regionen nächtliche Alarmmeldungen und Drohnenangriffe auf Energieanlagen und Wohnhäuser.

Gleichzeitig zeigt die russische Wirtschaft deutliche Schwächen, nachdem sie in den ersten Kriegsjahren noch von hohen Staatsausgaben und starken Öleinnahmen profitiert hatte. Nun sinkt die Kauflaune, industrielle Umsätze gehen zurück und das Haushaltsdefizit wächst sichtbar. Auch wenn die Lage nicht mit der dramatischen Situation in der Ukraine vergleichbar ist, machen die wirtschaftlichen Belastungen die realen Kosten der Invasion im Februar 2022 deutlich.

Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, wird es für den Kreml zunehmend schwierig, die strukturellen Risse der russischen Wirtschaft zu überdecken. Die Kombination aus Kriegslast, Sanktionen und sinkenden Rohstofferlösen bringt das Wirtschaftsmodell des Landes spürbar unter Druck.

Zunehmender Druck aus den USA und Risiken für die russische Wirtschaft

Der wirtschaftliche Abschwung fällt in eine Phase, in der die USA versuchen, Russlands Einnahmen aus Öl- und Gasexporten weiter zu begrenzen. Hinter den Kulissen laufen Gespräche zwischen Moskau und Washington, bei denen der Kreml offenbar auf eine Lockerung von Sanktionen spekuliert. Experten wie Alexander Gabuev vom Berliner Forschungszentrum für Russland und Eurasien betonen, dass ein Kriegsende wirtschaftlich das vorteilhafteste Szenario wäre.

Noch fehlt laut Gabuev jedoch das Bewusstsein in der politischen Führung, wie nah das Land bereits an einer kritischen Schwelle steht. Die Hoffnung auf eine Entlastung durch diplomatische Gespräche wächst zwar, doch konkrete Ergebnisse sind nicht in Sicht. Die wirtschaftlichen Risiken steigen damit weiter an.

Sinkende Kaufkraft belastet Konsum und Preise

Die Inflation hat in den vergangenen Monaten wieder an Tempo gewonnen, während die Löhne nicht mehr mithalten. Viele Haushalte reduzieren ihre Ausgaben deutlich. Dies markiert einen klaren Bruch mit der Phase zuvor, in der Reallöhne zweistellig stiegen und die Nachfrage durch Militärbedarf und Arbeitskräftemangel befeuert wurde. Der damalige Boom trieb jedoch zugleich die Preise und verstärkte die Ungleichgewichte.

Der Leitzins, der im Vorjahr auf 21 Prozent angehoben und später gesenkt wurde, entfaltet seine dämpfende Wirkung erst jetzt vollständig. Die Inflation sinkt nur deshalb leicht, weil weniger gekauft wird, vor allem Lebensmittel. Für zahlreiche Familien haben sich die Kosten für Grundbedarf fast verdoppelt. Viele verzichten zunehmend auf Obst, Gemüse und Basisgetreide, weil das Haushaltsbudget stark unter Druck steht.

Handel und Industrie rutschen tiefer in die Krise

Die Probleme zeigen sich im gesamten Einzelhandel. Im dritten Quartal schloss fast die Hälfte der Bekleidungsgeschäfte, und der Elektronikmarkt verzeichnet den stärksten Nachfrageeinbruch seit drei Jahrzehnten. Viele Verbraucher verschieben größere Anschaffungen aus Sorge vor weiteren Belastungen. Auch der Automarkt leidet, weil Kredite schwerer zu finanzieren sind und der Staat höhere Abgaben eingeführt hat.

In der Industrie setzt sich die Schwäche fort. Der Stahlverbrauch sinkt kontinuierlich und die Bauwirtschaft reduziert Projekte. Gleichzeitig schrumpft die Maschinenproduktion so stark wie seit Jahren nicht mehr. Der Kohlebergbau, lange ein stabiler Pfeiler des Exports, steckt in seiner schwersten Krise seit einem Jahrzehnt. Auch Banken spüren den Druck, da die Zahl notleidender Kredite steigt.

Ukrainische Drohnenangriffe stören die Energieversorgung

Eine zusätzliche Belastung entsteht durch die zunehmenden Drohnenangriffe der Ukraine auf russische Raffinerien und Hafenanlagen. Diese Angriffe treffen Regionen vom Schwarzen Meer bis zur Ostsee und reichen teilweise über 2.000 Kilometer bis nach Sibirien. Die Störungen führten am Ende des Sommers zu einem sprunghaften Anstieg der Benzinpreise, die sich zwar etwas beruhigten, aber vielerorts weiterhin zu Engpässen führen.

Analysten erwarten, dass einzelne Wirtschaftssegmente weiter wachsen, doch die Zahl schrumpfender Sektoren nimmt deutlich zu. Laut dem Moskauer Zentrum für strategische Studien sind die Chancen, eine Rezession abzuwenden, nahezu verschwunden. Bereits mehr als die Hälfte aller Branchen verzeichnet rückläufige Produktion.

Schwaches BIP und wachsender Budgetdruck

Das russische Bruttoinlandsprodukt stieg im dritten Quartal nur um 0,6 Prozent und blieb damit deutlich hinter den Erwartungen zurück. Das Haushaltsdefizit erreichte im Oktober 1,9 Prozent des BIP und soll nach Angaben des Finanzministeriums bis Jahresende auf 2,6 Prozent anwachsen. Die Einnahmen aus Öl und Gas sanken um mehr als ein Fünftel, da die Rohstoffpreise niedriger liegen, der Rubel stärker wurde und die Sanktionen härter greifen.

Hinzu kommt die US-Entscheidung, Sanktionen gegen die beiden größten Produzenten Rosneft und Lukoil zu verhängen. Dies dürfte die russische Wirtschaft weiter belasten, da zentrale Einnahmequellen unter Druck geraten. Die Finanzlage des Staates bleibt angespannt, während die Möglichkeiten zur Kompensation begrenzt sind.

Ausbleibende Entspannung trotz Gesprächssignalen

Trotz der angespannten Lage zeigt Wladimir Putin keine Bereitschaft, den Krieg zu beenden. Gleichzeitig bemüht sich der Kreml darum, den wachsenden Druck aus Washington zu mindern. Nachdem Donald Trump öffentlich Kritik geäußert und eine militärische Eskalation erwogen hatte, signalisierte Russland größere Gesprächsbereitschaft. Hintergrund waren Hinweise aus Trumps Umfeld, die sein Vertrauter Steve Witkoff an Putin weitergab.

Ein Durchbruch ist bisher nicht in Sicht. In der ersten Novemberhälfte fiel der Brennstoffexport auf den niedrigsten Stand seit Kriegsbeginn. Selbst der Handel mit China, der zuvor dynamisch gewachsen war, verliert deutlich an Tempo. Die Unsicherheit über die wirtschaftliche Perspektive nimmt damit weiter zu.

Steigende Schulden und neue Steuerbelastungen

Zur Finanzierung des wachsenden Defizits erhöht die Regierung ihre Verschuldung und platziert teure Staatsanleihen auf dem Inlandsmarkt. Am 2. Dezember soll erstmals eine in Yuan denominierte Anleihe ausschließlich für russische Investoren aufgelegt werden. Parallel dazu kündigt die Regierung umfassende Steuererhöhungen an. Ab dem kommenden Jahr steigt die Mehrwertsteuer und umfasst eine breitere Liste von Waren und Dienstleistungen.

Zudem wird eine neue Technologieabgabe auf Elektronik eingeführt, und der Autokauf verteuert sich infolge höherer Abgaben. Laut dem unabhängigen Portal Meduza sollen staatliche Medien angewiesen worden sein, diese Maßnahmen nicht mit Wladimir Putin in Verbindung zu bringen, der 2023 öffentlich erklärt hatte, dass es keine Steuererhöhungen geben werde.

Ökonom Oleg Buklemischew betont, dass eine Normalisierung der Wirtschaft nur durch ein Ende des Krieges möglich sei. Die Einsicht dafür wachse langsam, doch die Warnsignale würden immer deutlicher. Die Belastungen für die russische Wirtschaft seien klar erkennbar und treffen zunehmend breite Teile der Bevölkerung.

Ausblick auf Deutschland

Für Deutschland hat die weitere Schwächung der russischen Wirtschaft erhebliche Bedeutung. Eine anhaltende Instabilität könnte Energie- und Rohstoffströme verschieben und bestehende Sanktionen verstärken.

Für deutsche Unternehmen stellt sich zunehmend die Frage, wie stabil und verlässlich wirtschaftliche Beziehungen künftig noch sein können. Die jüngsten Entwicklungen zeigen, wie eng wirtschaftliche Sicherheit und geopolitische Stabilität miteinander verbunden sind.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russische Wirtschaft unter Spannung: Industrie, Konsum und Haushalt schwächeln
02.12.2025

Die wirtschaftliche Lage in Russland wird spürbar fragiler, da strukturelle Schwächen und geopolitische Belastungen zunehmen. Damit...

DWN
Politik
Politik Drohnenabwehreinheit der Bundespolizei in Dienst gestellt
02.12.2025

Die Bundespolizei verstärkt ihre Drohnenabwehr erheblich. Mit 130 Spezialkräften, KI-gestützten Störsystemen und automatischen...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple XRP News: Digitale Zahlungen im Asien-Pazifik-Raum wachsen stark
02.12.2025

XRP, die Kryptowährung von Ripple, könnte sich bald von Bitcoin abkoppeln. In Singapur erhält das Unternehmen eine erweiterte Lizenz, um...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Das italienische Wunder: Geschaffen mit EU-Geld und Schattenwirtschaft
02.12.2025

Italien feiert eine Hochstufung seiner Bonität und spricht vom „neuen Wirtschaftswunder“. Doch unter der Oberfläche zeigen sich...

DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährung kaufen: So erkennen Anleger gute Einstiegsphasen
02.12.2025

Kryptowährungen gewinnen weltweit an Bedeutung, zugleich bleibt der richtige Einstiegszeitpunkt für viele Anleger schwer zu bestimmen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mindestlohnerhöhung 2026: Praxisleitfaden mit Checkliste und Rechenbeispielen für Betriebe
02.12.2025

Die Mindestlohnerhöhung ab 2026 bringt spürbare Veränderungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Wie stark Betriebe tatsächlich...

DWN
Finanzen
Finanzen Schufa öffnet Blackbox: Neuer Score ab Ende März einsehbar
02.12.2025

Ab Ende März 2026 können Verbraucher den neuen Schufa-Score kostenfrei einsehen. Die Berechnung orientiert sich an zwölf...

DWN
Finanzen
Finanzen Bayer-Aktie steigt: Supreme Court prüft Glyphosat-Urteil
02.12.2025

Die Bayer-Aktie klettert auf ein neues Jahreshoch, beflügelt durch die Unterstützung des US-Generalstaatsanwalts. Analysten sehen Chancen...